Ludwigshafen – Nachdem wir uns beim letzten Mal mit dem CDU-Mitbewerber getroffen hatten, sitzen wir nun bei Jutta Steinruck. Europa-Abgeordnete und OB-Kandidatin der SPD. Sie steht uns Rede und Antwort zu den Themen, die diese Stadt und die Menschen bewegen. Im ersten Wahlgang lag Sie deutlich vor ihrem Kontrahenten Dr. Uebel, CDU.
Am Sonntag 15.10,2017 hofft die Berufspolitikerin auf die finale Entscheidung. Sie weist ausdrücklich darauf hin, dass alle Wahlberechtigten zur Wahl gehen sollen. Es genügt der Personalausweis um sich auszuweisen. Wer seinen Wahlzettel nicht mehr hat, soll trotzdem zur Wahl kommen.
Redaktion
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, für unsere Leser Antworten zu geben. Beginnen wir mit Ihrer Vita.
Jutta Steinruck
Ich bin geboren in Lu im Stadtteil West und lebe durchgehend dort im Haus meiner Eltern. Ich habe Betriebswirtschaft studiert und war 20 Jahre in der Industrie tätig. Zuletzt bei Bilfinger und Berger, in Fach- und Führungsfunktionen. Zum Schluss als Prokuristin einer Tochtergesellschaft von Bilfinger und Berger. Dann war ich DGB Vorsitzende Südpfalz.
Ich war 10 Jahre im Stadtrat in Ludwigshafen, Fraktions-Geschäftsführerin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende, war 3 Jahre im Landtag in Rheinland-Pfalz. Das war mein Einstieg in die Berufspolitik.
Dann wurde ich von meiner Partei gebeten ins Europa-Parlament zu wechseln. Ich bin seit jetzt gut 8 Jahren im europäischen Parlament in Brüssel und dort Sprecherin der europäischen Gesamtfraktion der Sozialdemokraten, für Beschäftigung und Soziales.
Redaktion
Dann wollen wir mal kurz wissen: Wie ist es denn im Europa-Parlament? Ist es wirklich so wie man von Gegner hört, dass dort der Untergang des Abendlandes vorbereitet wird ?
Jutta Steinruck
Das europäische Parlament versucht zwischen den europäischen Mitgliedsstaaten zu vermitteln. Dass ist das tatsächliche europäische Regulativ, im Gegensatz zu den Mitgliedsstaaten die sehr egoistisch auf die eigenen Vorteile achten.
Unsere Aufgabe ist es ein gemeinsames Europa hinzubekommen unter Berücksichtigung der nationalen Besonderheiten. Also wir sind die tatsächlichen Europäerinnen und Europäer. Auch übergreifend über alle Fraktionen. Es gibt wenige die dort drinnen sind, die sich dort hinein haben wählen lassen um das gemeinsame Europa kaputt zu machen. Aber zum Glück will die große Mehrheit im Europa-Parlament Gutes und ein gemeinsames Europa erreichen.
Redaktion
Also Sie haben ein gutes Gefühl dabei ?
Jutta Steinruck
Ja
Redaktion
Was ist ihr Beweggrund von Brüssel nach Ludwigshafen zu wechseln?
Jutta Steinruck
Ludwigshafen ist meine Heimatstadt. In den zurückliegenden fast 20 Jahren hat sich Manches negativ verändert. Ich habe in den Jahren, in denen ich Politik mache und im Europa-Parlament bin, viele vergleichbare Städte wie Ludwigshafen kennengelernt. Viele Städte haben diesen Strukturwandel besser gemeistert als Ludwigshafen – die Probleme angegangen sind, wo es Lösungen gab und man hier gesagt bekommt „Geht nicht!“.
Ich habe über den Tellerrand geschaut und habe gute Ideen die ich mitbringen werde. Ich kenne die Stadt, ich kenne die städtische Verwaltung. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich das Handwerkszeug und die Ideen habe um Ludwigshafen in die liebenswerte Stadt zu verändern, die die Menschen gerne haben wollen.
Redaktion
Ein beachtlicher Teil der Bürger sind enttäuscht und sagen, dass das nicht mehr ihre Stadt ist.
Jutta Steinruck
Dann sehen Sie, was mein Beweggrund ist.
Redaktion
Ludwigshafen war immer diese Mischung aus Arbeiterstadt und „Da passiert was. Da ist was los“. Doch jetzt passiert nur noch wenig.
Jutta Steinruck
Ich finde auch der Stillstand in Ludwigshafen muß ein Ende haben. Da gibt es in vielen Bereichen, z.b. in der Innenstadt keine Vision. Da wird an jeder Ecke ein bisschen was gemacht, aber ich sehe keine zusammenhängende Vision wohin sich die eine oder andere Stelle in Ludwigshafen hin entwickeln soll.
Ich habe eine Vision von dieser Stadt, ich kenne diese Stadt, ich weiß wo ich gemeinsam mit den Menschen aus Ludwigshafen hin will. Ich habe mein 32 Seiten Arbeitsprogramm mit konkreten Vorschlägen in Stadtteilforen mit den Bürgern und Bürgerinnen gemeinsam für unser Ludwigshafen entwickelt. Die haben mir gesagt was ihnen am Herzen liegt, was ihnen wichtig und erhaltenswert ist.
Ich bin auch als Europaabgeordnete hier wohnen geblieben, Ludwigshafen hat wahnsinnig viele schöne Seiten. Es ist eine sehr schöne Stadt – ich liebe diese Stadt. Wir müssen jetzt auch die Themen ansprechen wie Innenstadt, Sauberkeit, Sicherheit, bezahlbares Wohnen, Bildung….
Redaktion
Viele Bürger sagen, wenn sie gefragt werden, „Die jetztige OB ist weit weg von uns, die ist nicht bürgernah – nicht zum Anfassen.“ Sehen Sie sich da in einer anderen Rolle ? Werden Sie anders mit den Bürgern umgehen.
Jutta Steinruck
Ja, die die mich kennen und neu kennengelernt haben, wissen ich gehe auf die Menschen zu. Ich rede mit Menschen, ich höre zu. Ich nehme jedes Problem das an mich heran getragen wird ernst und schiebe es nicht einfach so beiseite. Ich werde eine sehr bürgernahe Oberbürgermeistern sein – Das sind die Erwartungen die die Ludwigshafener und Ludwigshafenerinnen haben.
Mein Vorbild ist Dr. Werner Ludwig unser Alt-OB, der mit dem Fahrrad durch Ludwigshafen gefahren ist. Der durch die Fußgängerzone gelaufen ist und für Alle ansprechbar war. Ich werde ebenfalls eine ansprechbare, bürgernahe Oberbürgermeisterin sein, weil nur so höre ich tatsächlich was die Menschen bewegt. Ich will Oberbürgermeisterin für alle Ludwigshafener sein.
Redaktion
Das heisst, wenn Sie Oberbürgermeisterin werden, sind die Bürger für sie das Wichtigste?
Jutta Steinruck
Ja natürlich. Das muss für jeden Politiker und jede Politikerin die Hauptmaxime sein.
Redaktion
Sollte!
Jutta Steinruck
Für mich ist das ein „Muß“ – So habe ich immer Politik gemacht. Politik ist die auch die Wahrnehmung und Gestaltungskraft im öffentlichen Raum. Vielen Menschen ist gar nicht bewusst wie sehr die Politik die alltäglichen Dinge beeinflusst. Zum Beispiel wie oft die Straßenbahn fährt oder wie die Schulen ausgestattet sind oder wie die Versorgung mit Kindertagesplätzen geregelt wird. Alles das sind Entscheidungen die im Stadtrat getroffen werden und das ist Politik.
Redaktion
Die Stadt hat wenig Geld. Wie wollen Sie als OB große Veränderungen herbeiführen wenn Sie kein Geld dafür zur Verfügung haben? Viele Gelder werden für die Hochstraße Süd und Hochstraße Nord benötigt. Wie sehen Sie da die Chancen Ihre Ideen umsetzen zu können?
Jutta Steinruck
Ludwigshafen hat Geld. Es ist die Frage, wie das Geld ausgegeben wird. Die Stadt muss ihre Hausaufgaben machen. Erst mal eigene Strukturen hinterfragen, die Effizienz der Verwaltung hinterfragen. In manchen Bereichen habe ich den Eindruck, dass wir im letzten Jahrhundert stehen geblieben sind. Mit neuen Medien könnten wir bürgernäher, effizienter arbeiten und hätten dann Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen frei für Bereiche in denen wir drängende Probleme haben.
Zweidrittel der Ausgaben sind Sozialausgaben die die Stadt belasten. Wir haben eine doppelt so hohe Armut und Arbeitslosigkeit im Vergleich zum restlichen Rheinland-Pfalz.
Da kann ich aktiv als Oberbürgermeisterin ansetzen, alles dafür zu tun dass Menschen aus der Armut heraus kommen, dass Menschen in Arbeit kommen und aus der Arbeitslosigkeit herausfinden.
Das bedeutet eine aktive Arbeitsmarktpolitik, gemeinsam mit der Agentur für Arbeit. Die zur Verfügung gestellten Mittel zu nutzen, für Integrationsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt. Aktive Arbeitsmarktpolitik wird zum Beispiel in Mannheim ganz anders umgesetzt – In den Stadtteilbüros geht man zu den Menschen die keine Arbeit haben und bringt sie zusammen mit den Unternehmen direkt vor Ort.
Sowie bei jungen Menschen schauen, dass sie die Schule schaffen – da auch begleitende Hilfen wie Schulsozialarbeit und Hausaufgabenhilfe anbieten.
Das alles sind Ansatzpunkte wo die Stadt Ludwigshafen mittelfristig sehr viel Geld sparen kann.
Dann sind natürlich auch andere politische Ebenen gefragt, dabei ist es mir egal wer regiert und einer Stadt wie Ludwigshafen eine entsprechende Finanzausstattung zur Verfügung stellen muss. So dass wir unsere kommunalen Aufgaben so wahrnehmen, dass wir tatsächlich in Zukunft die besseren(Töpfe?)in Ludwigshafen haben. Ich werde eine harte Verhandlungspartnerin sein, in Berlin und in Mainz weiß man das, da kenne ich keine Parteifreunde. Da kenne ich nur die Interessen derer, die ich vertrete.
Wir müssen schauen dass der interkommunale Finanzausgleich zu Gunsten von Ludwigshafen verändert werden kann.
Wir müssen auch schauen dass z.b. Schulen, das Theater und andere Einrichtungen die von den Bewohnern und Bewohnerinnen genutzt werden die im Landkreis ihre Steuern bezahlen. Auch da muss im Land umgedacht werden und ich werde mich massiv für die Interessen der Stadt Ludwigshafen einsetzen. Da kann auch mit der nächsten Kommunal-und Verwaltungsreform ein Umdenken erfolgen, dass der Kreis seinen Anteil an den Kosten trägt wie seine Bürgerinnen und Bürger das nutzen.
Redaktion
Sie glauben das können sie auch ändern ?
Jutta Steinruck
Ja. Ich habe schon Erstgespräche mit dem Land in dieser Richtung angefangen.
Redaktion
Wie sehen Sie ihre Rolle generell. Angenommen Sie haben jetzt eine Sache die gegen die Linie der Partei gehen würde. Wie entscheiden Sie sich? – Für ihre Linie oder die Partei-Linie?
Jutta Steinruck
Ich war noch nie meiner Partei verpflichtet, sondern immer meinen Grundsätzen. Das habe ich in der Vergangenheit schon sehr häufig bewiesen und das wird auch in Zukunft so sein. Als OB der Stadt LU werde ich nur die Interessen der Stadt Ludwigshafen und der Bürger und Bürgerinnen vertreten. Das ist die Aufgabe.
Ich habe die Unterstützung anderer Parteien hier in Lu. Viele kennen mich schon seit 20 Jahren und wissen dass sie mir vertrauen können, weil sie meinen politischen Werdegang und mein politisches Agieren hautnah verfolgt haben. Ich war nie die Partei-Politikerin, sondern ich habe immer nach den besten Ideen gesucht und die vertreten. Im europäischen Parlament gibt es keinen Fraktionszwang. Das Parlament muss sich auf eine gemeinsame Postion einigen, über Parteien und Ländergrenzen hinweg, um eine starke Postion gegenüber den Mitgliedsstaaten und der Kommission zu haben. Und das geht. Man kann tatsächlich Kompromisse finden die über eine breite Vielfalt an Meinungen getragen werden.
Ich werde OB aller Bürgerinnen und Bürger sein, deshalb ist das der falsche Platz für Parteipolitik.
Redaktion
Wir haben die Problematik, dass die Innenstadt ausstirbt. Was haben Sie für Ideen oder Konzepte – Gibt es eine Entwicklung der Innenstadt?
Jutta Steinruck
In den letzten 20 Jahren gab es keine Entwicklung der Innenstadt. Die Probleme sind sehr lange bekannt: Die Fußgängerzonen sind zu lange, für das was die Stadt Ludwigshafen tatsächlich an Kraft braucht.
Ich will die Innenstadt umstrukturieren. Dafür muss geklärt werden:
- die Zukunft des Rathauses. Der Rathausturm ist seit einem dreiviertel Jahr fast leer geräumt. Die Verwaltung zahlt Mieten für angemietete Büroflächen.
- die Zukunft des Rathaus-Centers. Wie geht es weiter, in der Planung für die Hochstraße Nord.
- es wird ein Wohngebiet entstehen, mit dem Abriss der Hochstraße Nord, die sogenannte „City West“.
Für mich müssen diese Punkte alle zusammen gebracht werden. Ein Teil der Innenstadt muss zum Wohn-und Arbeitsstadtteil umstrukturiert werden. Das geht nicht von Heute auf Morgen.
Dass ist das was ich mit klaren Visionen gemeint habe. Bisher wird nur Stückwerk gemacht. Da wird ein Brunnen am Rathaus der aus Stein ist, in einen Betonbrunnen für viel europäisches Geld umgewandelt, obwohl klar ist dass es Veränderungen an dieser Stelle geben wird. Dieses Geld hätte man besser woanders eingesetzt.
Die Innenstadt braucht einen City-Teil, in dem die Menschen sich wohlfühlen, weniger Beton mehr Grün, wo Ladengeschäfte sich ansiedeln, weil wieder Menschen da sind. Wo Menschen gerne verweilen geht die Angst verloren. Dazu gehört auch das Thema Sauberkeit und Sicherheit.
Mein Ziel ist es Junge Menschen in Ludwigshafen anzusiedeln. Wir haben in Ludwigshafen und auch in Mannheim eine Hochschule. Es ist großer Bedarf an Wohnraum für junge Menschen vorhanden.
Plätze wie der Berliner Platz und die Ludwigstraße müssen umgestaltet werden, das Menschen sich dort gerne aufhalten. Der Baustellen-Stillstand am Metropol muss in der zukünftigen Innenstadtplanung mit bedacht werden. Die Walzmühle die ja fast leer steht, muss mit einbezogen werden.
Mir schwebt vor eine Gründerszene anzusiedeln. Wir brauchen Arbeitsplätze für die Zukunft. Wir müssen Unternehmensgründern die Chance geben sich anzusiedeln.
Redaktion
Wie weit werden Sie nach 100 Tagen Amtszeit kommen?
Jutta Steinruck
Ich werde erste Impulse gesetzt haben. Ich werde als OB zunächst mal nach innen, in die Verwaltung arbeiten müssen, Dinge erarbeiten müssen. Ich habe Konzepte bereits im Kopf, die will ich sehr schnell angehen – z.b. das Thema Sauberkeit.
Redaktion
Lassen Sie uns über die Finanzierung der Hochstrassen Süd und Nord sprechen Das wird die Stadt komplett umkrempeln. Glauben sie dass alles so leicht vonstatten geht?
Jutta Steinruck
Ich will sicherstellen, dass die Finanzierung einer Straße, die von mehr Menschen als nur den Ludwigshafenern genutzt wird, solide von Bund und Land mitfinanziert wird. Die Stadt LU bzw. unsere Kinder und Enkel sollen in nicht noch mehr Schulden versinken. Dass ist das erste was ich sicherstellen werde.
Die Hochstrasse Nord ist ein Mega-Projekt das professionell gemanagt werden muss. Wir müssen in jedem Schritt die Bürger über den Verlauf informieren – was steht an, was ist zu erwarten. Das heißt für mich, wir müssen alles tun damit soviel wie möglich Menschen auf den öffentlichen Personen-Nahverkehr oder Fahrrad umsteigen oder das Carsharing-Projekte ins Leben gerufen werden. Im Kreis müssen Gespräche geführt werden über z.b. Park und Ride Plätze, wo die Menschen sofort in die S-Bahn, Straßenbahn usw. steigen können. Auch in die Fahrradwege muss investiert werden. Der Personen-Nahverkehr muss für die Menschen attraktiv gemacht werden, so dass er als Alternative zum Stau wahrgenommen wird.
Redaktion
Unsere Leser bewegt das Thema Vereine sehr. Werden Sie die Vereine unterstützen?
Jutta Steinruck
Mein Weg in die Politik führte mich über das Ehrenamt. Ich war Gründungsvorsitzende des Bürgervereins meines Stadtteils, der IG-West. Ich weiß dass Vereine Nachwuchsprobleme haben. Dass viele die in einem Verein tätig sind auch in vielen anderen Vereinen tätig sind und dass manchmal das Ehrenamt auch zur Belastung werden kann – neben dem Beruf und der Familie.
Ich werde innerhalb der Verwaltung einen Ehrenamtsbeauftragten installieren, der eine Anlaufstelle ist, für Vereine um Probleme zu lösen, Hilfestellungen zu geben, und gegebenenfalls Fördermittel akquirieren hilft.
Vereine sind der Motor des ehrenamtlichen kulturellen Lebens. Ich werde die Vereine entlasten um das zu erhalten. Eine Stadt ist sehr viel ärmer wenn Vereine sterben, weil sie keine Unterstützung bekommen. Ich will alles tun dass es unsere Vereine in Zukunft noch geben wird.
Redaktion
Thema Sicherheit. Frauen sagen uns, wir können Abends nicht mehr durch die Stadt laufen, weil wir Angst haben.
Jutta Steinruck
Das ist ein Thema für viele in Ludwigshafen, nicht nur für Frauen auch für Männer, die sich an manchen Stellen unwohlfühlen.
Deswegen will ich diese „Angsträume“ erstmal alle erfassen und identifizieren.
- Es gibt Angsträume die nur Angsträume sind, weil es Schmuddelecken sind, weil schlechte Beleuchtung ist. Da kann man städtebaulich diese Räume so umgestalten, dass die Angsträume weggehen.
Ich will den Ordnungsdienst der Stadt personell aufstocken, so dass wir mehr Präsenz in Uniform haben. Ich will das so umstrukturieren, dass sie tatsächlich 7 Tage die Woche erreichbar oder auch im Einsatz sind – das wird eine Weile dauern.
Die Zusammenarbeit mit der Polizei muss gestärkt werden. Ich will mit der Polizei darüber reden, dass wir gemischte Streifen einsetzen können – Ordnungsdienst und Polizei. Dass die Polizeipräsenz an Kriminalitätsschwerpunkten verstärkt wird.
Wenn es tatsächlich Plätze gibt die Kriminalitätsschwerpunkte sind, will ich mich dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger, nach Videoüberwachung nicht verschließen. Wenn Fachleute sagen, Videoüberwachung macht an einer Stelle Sinn und wird Kriminalität verhindern, will ich mich dem nicht verschließen.
Für mich gibt es keine Videoüberwachung quer durch die Stadt, sondern tatsächlich nur an Kriminalitätsschwerpunkten.
Redaktion
Wir erleben eine neue Form der Kriminalität. Die Jugendgangs oder wie es auch bezeichnet wird: Die Jugendgruppen.
Seit 2015, als die Kanzlerin die Grenzen für den Rest öffnete, änderte sich auch das Leben in der Stadt. Plötzlich werden die Bürger, die hier wohnen, mit Menschen konfrontiert, wo sie das Gefühl haben mit denen können wir nicht zusammen leben. Es entstehen heiße Plätze wo Menschen überfallen und verletzt werden.
Zum Beispiel: Wir erleben das Entstehen von Jugend-Gangs. Die lassen sich auch nicht durch Videoüberwachung abschrecken. Glauben Sie dies, mit Videoüberwachung oder dass dort mehr Polizei durch die Gegend läuft, in den Griff zu bekommen? Glauben Sie nicht dass dieses Problem viel früher angepackt werden sollte?
Jutta Steinruck
Das Problem muss viel früher angefasst werden. Zunächst mal, wer hier in Deutschland lebt, wer in Lu lebt muss sich an die Regeln halten. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss Konsequenzen fürchten und auch erleben. Wenn konsequent durchgegriffen, kontrolliert und auch geahndet wird, haben wir einen Weg in die richtige Richtung gemacht.
Es gibt ja diese Gangs in allen Nationalitäten. Das kann nur durch eine enge sozialraumorientierte Arbeit vor Ort, die passgenau umgesetzt wird – Präventiv begegnet werden. Jemand der Arbeit hat, in der Schule mitkommt, ist kein Langeweile-Randalierer. Wir müssen alles tun, damit wir die Menschen in unserer Gesellschaft in den Arbeitsmarkt integrieren. Wenn die Jugendlichen keine Langeweile haben, machen sie auch kein dummes Zeug.
Redaktion
Wir haben die Schwierigkeit, dass viele Analphabeten unter den Zuwanderern sind. Diese Rückmeldungen haben wir von Ehrenamtlichen die in Schulungsprojekten tätig sind. Die Mitarbeiter sagen auch, das Anfangs viele der Schulungs-Teilnehmer motiviert sind und am Ende kaum noch Einer dabeibleibt. Das heißt, da kommen Analphabeten die ihre eigene Sprache nicht schreiben können. Wie sollen diese Menschen dann Deutsch in Wort und Schrift lernen?
Jutta Steinruck
Konsequent Weiterbildung ansetzen. Das bedeutet langfristige Investitionen. Spracherwerb ist die Grundvoraussetzung zu verstehen wie unsere Gesellschaft funktioniert und auch um in die Gesellschaft integriert zu werden und im nächsten Schritt in den Arbeitsmarkt integriert zu werden.
Redaktion
Was ist mit dem erstarken der rechten Parteien. Die Menschen trauen und glauben den etablierten Parteien nicht mehr. Wenn man die Menschen zur Afd befragt hört man öfters, „Die sorgen wieder für Ruhe. Die machen Ludwigshafen wieder sicher.“ Was sagen sie den Bürgern und Bürgerinnen, die sagen: „Ich gehe lieber zur Afd, ich vertraue euch nicht mehr. Ihr habt lange genug Zeit gehabt und habt es in den Sand gesetzt.“
Jutta Steinruck
Für mich sind Menschen die die AFD wählen nicht alle Nazis oder Rechtspopulisten. Das sind enttäuschte Menschen, die Erwartungen an die Politik haben die aus ihrer Sicht nicht erfüllt werden. Ich will auf diese Menschen zugehen. Ich will die Ängste und Probleme sehr ernst nehmen.
Ich verurteile niemand als Person nur weil er sein Kreuz bei einer Wahl irgendwo gemacht hat. Das ist Aufgabe der Politik insgesamt den Menschen zu zeigen, dass sie ernst genommen werden.
Nach meiner Wahl zur OB werde ich auf meiner Homepage sichtbar machen, was ich von meinem Arbeitsprogramm gerade im Begriff bin abzuarbeiten oder bereits erledigt habe. Nur durch Transparenz, Aufrichtigkeit und Ansprechbarkeit holen wir das Vertrauen wieder zurück. Und genauso werde ich arbeiten.
Redaktion
Bei Ihnen steht fest: Ludwigshafen wird in eine andere Richtung gehen.
Jutta Steinruck
Wer positive Veränderungen will, muss mich wählen. Ich will erreichen dass die Ludwigshafener wieder überzeugte Botschafter ihrer Stadt sind und dies auch nach Aussen tragen.
Redaktion
Kommen wir nochmals auf die Gewalt in der Stadt zurück Berliner Platz, Rheingalerie, Fußgängerzone am hellichten Tag – Organisierte Jugendgruppen – was hilft?
Jutta Steinruck
Andere Städte haben erfolgreich die Gelbe Karte als Element der Abschreckung eingesetzt. Wer wiederholt auffällig wird bekommt einen Eintrag ins Führerscheinregister. Mit diesem oder vermehrten Einträgen im Führerscheinregister kann es zur Folge haben, dass der Führerschein entzogen wird oder der Jugendliche bekommt gar nicht erst die Erlaubnis einen Führerschein machen zu dürfen. Das tut jungen Menschen sehr weh. Wir können dieses Element in Lu auch einsetzen. Wir können in einer Kampagne deutlich machen, wenn jemand in Schlägereien verwickelt ist und anderen schadet, dann fehlt die moralische Eignung ein Fahrzeug zu führen.
Redaktion
Sie werden sich mit dem Fahrrad und zu Fuß in Ludwigshafen bewegen?
Jutta Steinruck
Natürlich werde ich auch als OB mit dem Fahrrad und der Straßenbahn unterwegs sein. Ich liebe Menschen, darf gerne angesprochen werden. Ich liebe den Kontakt mit Menschen. Ludwigshafen braucht die ganze Kraft der Jutta Steinruck!
Redaktion
Glauben sie, dass die Erfahrungen die Sie in Europa in Brüssel gemacht haben, hier in Ludwigshafen nützlich sein werden?
Jutta Steinruck
Auf jeden Fall. Ich habe politische Netzwerke, auf allen Ebenen im Bund, im Land, in Europa. Ich habe viel politische Kompetenz, ich weiß wie man Verhandlungen führt und ich habe betriebswirtschaftliches Know How. All dies wird für LU sehr nützlich sein.
Und was ich ausserdem habe, ist ein riesengroßes Herz für diese Stadt und die Menschen hier!
Wir bedanken uns bei Jutta Steinruck für das Interview und wünschen auch ihr viel Glück am Sonntag.