Neustadt: Allgemeinverfügung der Stadt Neustadt an der Weinstraße zur Verlangsamung der weiteren Ausbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) vom 13.03.2020

Symbolbild Rathaus Neustadt an der Weinstraße (Foto: Holger Knecht)
Symbolbild Rathaus Neustadt an der Weinstraße (Foto: Holger Knecht)

Neustadt an der Weinstraße – Aufgrund §§ 16, 28 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 20.07.2000 i.V.m. § 2 der Landesverordnung zur Durchführung des Infektionsschutzgesetzes vom 10.03.2010 erlässt die Stadt Neustadt an der Weinstraße als zuständige Behörde folgende

Allgemeinverfügung

  1. Auf dem Gebiet der Stadt Neustadt an der Weinstraße sind Veranstaltungen ab dem auf die öffentliche Bekanntmachung dieser Allgemeinverfügung folgenden Tag ab einer zu erwartenden Zahl von Teilnehmenden von mehr als 75 Personen untersagt. Der Veranstaltungsbegriff ist dabei grundsätzlich weit zu fassen. Nicht unter den Veranstaltungsbegriff fällt der Besuch von Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten sowie der Besuch von Betreuungseinrichtungen für Kinder unter 16 Jahren.
  2. Diese Allgemeinverfügung gilt zunächst bis 10.04.2020.

Begründung:

Rechtsgrundlage dieser Anordnung ist § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG. Danach trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen können beschränkt oder verboten werden.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Nach der derzeitigen Risikobewertung des Robert Koch Instituts zu dem neuen Coronavirus (SARS-CoV-2) handelt es sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation mit zum Teil schweren und sogar tödlichen Krankheitsverläufen. Die WHO hat am 11.03.2020 den Pandemiefall ausgerufen. Derzeit gibt es gegen SARS-CoV-2 keine Impfung und auch keine wirksamen Therapeutika.

Inzwischen sind in fast allen Bundesländern Infektionsfälle mit dem neuen Coronavirus SARS- CoV-2 bestätigt worden, wobei die Zahl der Fälle in Deutschland weiter ansteigt. In Neustadt an der Weinstraße ist zwar erst ein Fall gemeldet, jedoch muss auch hier mit weiteren Fällen, gerechnet werden, zumal auch im benachbarten Landkreis Bad Dürkheim weitere Fälle aufgetreten sind. Auch im benachbarten Saarland sind bestätigte Infektionen mit dem neuen Coronavirus (SARS-CoV-2) aufgetreten. Die an Rheinland-Pfalz angrenzende Region Grand- Est in Frankreich wurde aufgrund der Vielzahlt der Erkrankten sogar vom Robert-Koch-Institut am 11.03.2020 in die Liste der „Risikogebiete“ aufgenommen. Risikogebiete sind Gebiete, in denen eine fortgesetzte Übertragung von Mensch zu Mensch) vermutet werden kann (vgl. Robert-Koch-Institut, COVID-19: Internationale Risikogebiete und besonders betroffene Gebiete in Deutschland, Stand: 11.3.2020).

Auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes wird das Ziel verfolgt, die Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und die weitere Ausbreitung des Virus so weit wie möglich zu verzögern. Sie sollten durch gesamtgesellschaftliche Anstrengungen wie die Reduzierung von sozialen Kontakten mit dem Ziel der Vermeidung von Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich sowie eine Reduzierung der Reisetätigkeit ergänzt werden. (vgl. Risikobewertung zu COVID-19 des Robert-Koch-Instituts, Stand: 09.03.2020).

Durch den vorherrschenden Übertragungsweg von SARS-CoV-2 (Tröpfchen) z.B. durch Husten, Niesen oder teils mild erkrankte oder auch asymptomatisch infizierte Personen kann es zu Übertragungen von Mensch-zu-Mensch kommen. Übertragungen kommen im privaten und beruflichen Umfeld, aber auch bei Veranstaltungen vor.

Aufgrund des Erlasses des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie vom 13.03.2020 haben die zuständigen Behörden durch bis zum 10.04.2020 geltende Allgemeinverfügungen Veranstaltungen mit mehr als 75 Teilnehmern unverzüglich ohne Ausnahmevorbehalt zu untersagen.

Bei größeren Menschenansammlungen lässt sich die Gefahr einer Virusübertragung angesichts des aktuellen Verlaufs an Infektionen mit SARS-CoV-2 nicht sicher beurteilen. Dafür spricht die heterogene, nicht vollständig zu überblickende Zusammensetzung und Herkunft der Teilnehmenden sowie die bei solchen Menschenansammlungen regelmäßig zu befürchtende Durchmischung und Nähe der Teilnehmenden. Darüber hinaus wird bei einer höheren Teilnehmerzahl eine vollständige und zuverlässige Erfassung der für eine etwaige Rückverfolgung der T eilnehmenden notwendigen persönlichen Daten schwer zu gewährleisten sein. Regelmäßig werden auf größeren Veranstaltungen auch vulnerable Gruppen (insbesondere ältere Menschen, Menschen mit Vorerkrankungen oder geschwächtem Immunsystem) in nicht unerheblicher Zahl zu erwarten sein. Ebenso kann nicht sicher gewährleistet werden, dass insbesondere die notwendigen Hygieneanforderungen durchweg eingehalten werden, selbst wenn diese im Vorfeld der Veranstaltung dem Veranstalter im Wege der Auflage aufgegeben wurde.

Das verfügte Verbot dient insbesondere dem Zweck, eine Ausbreitung von SARS-CoV-2 zeitlich und räumlich zu verlangsamen und von der aktuell noch anhaltenden Influenzawelle zu entkoppeln. Eine zeitlich langsamere Ausbreitung hat den Vorteil, dass die medizinischen Versorgungssysteme über einen größeren Zeitraum in Anspruch genommen werden und die punktuelle Belastung geringer bzw. eine Überlastung vermieden wird.

Die angeordnete Maßnahme ist ermessensgerecht. Sie ist erforderlich und geeignet, eine weitere Ausbreitung des SARS-CoV-2-Erregers zu verlangsamen. Die wirtschaftlichen Interessen der Veranstalter treten hinter dem Interesse der Allgemeinheit an Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung des SARS-CoV-2 bzw. zur Verlangsamung von dessen Ausbreitung geboten sind, zurück. Wie oben ausgeführt würde eine schnellere Verbreitung des Erregers dazu führen, dass unser Gesundheitssystem an seine Grenzen kommt und somit Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Personen gefährdet wäre. Mildere, gleich geeignete Mittel um den oben genannten Zweck zu erreichen, sind nicht ersichtlich. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist die Allgemeinverfügung zeitlich befristet.

Ein Verstoß gegen diese Allgemeinverfügung kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden (§ 75 Abs. 1 Satz 1 IfSG).

Wir weisen darauf hin, dass ein Widerspruch gegen diese Allgemeinverfügung keine aufschiebende Wirkung hat (§§ 28 Abs. 3 i.V.m. 16 Abs. 8 IfSG).

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach öffentlicher Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch kann

1. schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stadtverwaltung Neustadt an der Weinstraße (Postadresse: Marktplatz 1, 67433 Neustadt an der Weinstraße),

2. gemäß Artikel 3 Nr. 12 der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. EU Nr. L 257 S. 73) durch E‐Mail mit qualifizierter elektronischer Signatur (E‐Mail‐ Adresse: stv‐neustadt‐weinstrasse@poststelle.rlp.de) oder

3. durch De‐Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung nach dem De‐Mail‐ Gesetz (De‐Mail‐Adresse: info@neustadt‐weinstrasse.de‐mail.de)

erhoben werden.

Neustadt an der Weinstraße, 13.03.2020
Stadtverwaltung Neustadt an der Weinstraße

Gez.
Marc Weigel


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