Nach einer schweren Hirnverletzung brauchen viele Betroffene eine so genannte neuropsychologische Therapie. Bezahlt wird sie jetzt auch nach einer stationären Rehabilitation.
Über 420.000 Menschen in Deutschland erleiden nach Angaben des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) pro Jahr eine Hirnschädigung – sei es nach einer Schädelverletzung, einem Schlaganfall oder einer Hirnblutung.
Oft müssen die Betroffenen lernen, verlorene Fähigkeiten des Gehirns auszugleichen und mit dem Verlust umzugehen. Hilfe kann hier die neuropsychologische Therapie bieten. „Die Kosten der Behandlung wurden lange aber nur im Rahmen einer stationären Reha übernommen“, sagt Jérôme Novak von der Ludwigshafener Beratungsstelle der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD).
„Seit letztem Jahr können gesetzlich Versicherte diese Therapie nun auch nach einer Reha in Anspruch nehmen.“ Hoffnungen setzen Betroffene wie Martin U. auf diese Neuerung.
Der 47-jährige Familienvater erlitt im Urlaub eine schwere Hirnschädigung bei einem Motorradunfall, musste das Sprechen neu lernen und hatte Koordinations- und Gedächtnisstörungen. Nach erfolgreicher Reha stimmte sein Arbeitgeber einer stufenweisen Wiedereingliederung zu.„Doch zurück im Job merkte Herr U., dass er Termine vergaß und bestimmte Arbeiten nicht im gleichen Tempo wie früher erledigen konnte“, schildert Patientenberater Novak.
Martin U. bekam Angst, seinen Job zu verlieren. Er zog sich zurück und sprach mit niemandem über seine Sorgen – weder mit seiner Familie noch seinen Kollegen, geschweige denn mit seinem Chef. „Wenn die Probleme der Betroffenen Folgen der Hirnschädigung sind, kann die neuropsychologische Therapie helfen, die Gedächtnisleistungen und Aufmerksamkeit wieder zu verbessern“, erklärt Novak. Zudem könne man lernen, seine Einschränkungen zu akzeptieren, Arbeitsabläufe an seinen neuen Rhythmus anzupassen und offen darüber zu sprechen – auch über die Angst vor dem Versagen.
Der Nutzen der neuropsychologischen Therapie ist dem G-BA zufolge in den Bereichen Wahrnehmung, räumliche Leistungen sowie Lernen und Gedächtnis durch Studien nachgewiesen. In weiteren Bereichen, etwa bei psychischen Störungen infolge einer Schädigung des Gehirns, gäbe es Hinweise auf einen Nutzen.
UPD-Tipp: Betroffene bzw. ihre Angehörigen sollten mit dem behandelnden Arzt offen über Probleme nach einer Hirnschädigung sprechen. Ob diese Folge der Schädigung sind, muss im Einzelfall fachärztlich festgestellt werden. Damit die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten übernehmen kann, muss die Therapie von Ärzten oder Psychotherapeuten mit einer neuropsychologischen Zusatzqualifikation durchgeführt werden.