Ernst Jüngers Kriegstagebuch „In Stahlgewittern“ liegt jetzt erstmals in einer historisch-kritischen Ausgabe vor. Sie dokumentiert, welche Veränderungen der Autor zwischen 1920 und 1978 an diesem Text vorgenommen hat. Umstellungen, Einfügungen und Streichungen, beispielsweise vor dem Hintergrund des Nationalsozialismus, können so differenziert betrachtet und interpretiert werden.
„Ernst Jünger hat seinen Frontbericht aus dem Ersten Weltkrieg immer neuen Textänderungen unterzogen, so dass bis heute insgesamt sieben Fassungen vorliegen", erklärt der Herausgeber, Prof. Dr. Helmuth Kiesel vom Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg. Die zweibändige Ausgabe der ‚Stahlgewitter‘, so der Wissenschaftler, schafft die Grundlage dafür, das Buch noch einmal ‚neu‘ zu lesen. Die 1.250 Seiten umfassende Publikation ist vom 21. September 2013 an im Buchhandel erhältlich.
„In Stahlgewittern" entstand 1920 auf der Basis eines Kriegstagebuchs, das der gebürtige Heidelberger Ernst Jünger vom Beginn bis zum Ende seines Kriegseinsatzes – von Dezember 1914 bis August 1918 – geführt hat. Das Buch wurde aufgrund der Authentizität und Prägnanz der Kriegsdarstellung rasch berühmt und in mehrere Sprachen übersetzt. Zugleich wurde dem Autor vorgeworfen, den Krieg zu ästhetisieren und zu verherrlichen. „Ernst Jünger zählt wegen seiner Schriften über den Ersten Weltkrieg zu den am meisten umstrittenen deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts. Das Urteil über ihn und die ‚Stahlgewitter‘ ist zum Teil auch davon abhängig, in welcher Fassung dieses Buch gelesen wird", erklärt der Heidelberger Germanist.
Die neue Edition bietet im Paralleldruck die erste Textversion von 1920 sowie die letzte Fassung von 1978. Die Veränderungen der fünf Überarbeitungen, die Jünger zwischen 1922 und 1961 vornahm, werden durch unterschiedliche Farben und editorische Zeichen markiert. Damit hat der Leser die Möglichkeit, die Textentwicklung zu verfolgen und alle sieben Fassungen übersichtlich sortiert zu lesen. Zudem werden alle Varianten nach herkömmlicher Editionspraxis in einem Verzeichnis von rund 300 Seiten registriert. „Der Prozess der historisch, politisch und poetisch motivierten Modifikationen des Textes, und damit auch der lebenslangen Auseinandersetzung Jüngers mit der basalen Erfahrung des Ersten Weltkriegs, ist damit also genau nachvollziehbar", erläutert Helmuth Kiesel. Der Textband wird ergänzt durch einen Kommentarband, der neben dem Variantenverzeichnis eine ausführliche Darstellung der Textgenese, der Verbreitung und der Rezeption enthält.
Literaturhinweis:
Ernst Jünger: In Stahlgewittern. Historisch-kritische Ausgabe; herausgegeben von Helmuth Kiesel, Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2013