Regierungspräsidentin Nicolette Kressl hat heute (16.09.13) im Rahmen einer Festveranstaltung im Rathaus Neckargemünd die „Streuobstwiesen Kleingemünd“ als Naturschutzgebiet ausgewiesen. In Anwesenheit von Bürgermeister Horst Althoff, dem ersten Landesbeamten des Rhein-Neckar-Kreises, Joachim Bauer, Vertretern des Gemeinderates Neckargemünd und der interessierten Öffentlichkeit unterzeichnete sie die Verordnung für das Naturschutzgebiet.
Das 16 Hektar große Naturschutzgebiet ist geprägt durch einen teilweise sehr alten, über zehn Hektar großen Obstbaumbestand mit einem reichen Angebot an Höhlen und entsprechenden Vorkommen von Fledermäusen und höhlenbewohnenden Vogelarten. Seine Wiesen, Hecken und Gebüsche beherbergen eine vielfältige Tierwelt, zu der auch eine vom Aussterben bedrohte Insektenart, der Körnerbock, und in Baden-Württemberg im Bestand gefährdete Rote Liste -Tierarten wie Wendehals, Kleiner Abendsegler, Großes Mausohr, Breitflügel-Fledermaus und die Sumpfschrecke, eine Heuschreckenart, gehören. Über die Artvorkommen hinaus hat das Gebiet überregionale Bedeutung als Trittsteinbiotop für wandernde Arten und für Arten, deren Verbreitungsareal sich aktuell auf Grund des Klimawandels verschiebt.
In ihrem Grußwort ging Regierungspräsidentin Kressl kurz auf die Entstehungsgeschichte dieses Naturschutzgebietes ein. Nachdem im Zuge der Planung des Baugebietes der vom Aussterben bedrohte Körnerbock gefunden worden war, einigten sich Regierungspräsidium und Stadt, die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in einem umfassenden Schutzkonzept zusammenzuführen, staatlicherseits zu ergänzen und dauerhaft zu sichern. Hier sei die Ausweisung eines Naturschutzgebietes nun ein wichtiger Meilenstein, der nach zweijähriger Diskussion mit Eigentümern, Grundstücksbesitzern, Naturfreunden, Landwirten und Jägern gemeinsam mit der Stadt Neckargemünd gegangen werde.
Die Regierungspräsidentin freute sich über die weitgehende Akzeptanz, die der Unterschutzstellungsgedanke in dieser Zeit nach anfänglicher Skepsis finden konnte. Es sei nicht leicht, für Naturschutzauflagen Akzeptanz zu gewinnen, weil sie Einschränkungen sind. Andererseits sei Akzeptanz aber unverzichtbar: Bürgerinnen und Bürger würden die Einschränkungen erst dann wirklich einhalten und damit den wildlebenden Tieren die erwünschten Entfaltungsmöglichkeiten einräumen, wenn sie akzeptieren, dass es so richtig sei, führte sie aus.
Wie in allen Naturschutzgebieten dürfen Besucher weder Pflanzen beschädigen noch Tieren nachstellen. Für Besucher gilt ein Wegegebot für die Zeit zwischen dem 1. März und dem 1. Oktober, Hunde müssen an der Leine geführt werden. Für die Nutzung und Pflege der Gärten und Streuobstwiesen gelten andere Regeln. Hier ist zum Beispiel die Zustimmung der Naturschutzbehörde erforderlich, wenn hochstämmige Obstbäume gefällt werden sollen. Als Gehölze dürfen ohne ausdrückliche Erlaubnis nur noch Walnuss- und Obstbäume gepflanzt werden. Wer sich genauer informieren will kann den Wortlaut der Verordnung auf der Homepage des Regierungspräsidiums (Abteilung 5) oder im Rathaus Neckargemünd einsehen.
Mit Geboten allein sei der Lebensraum „Streuobstwiese“ jedoch nicht erhalten, betonte Kressl. Dazu bedarf es aktiver Landwirte, Grundstücksbesitzer und Naturschützer, die die Wiesen mähen, die Bäume pflegen und Jungbäume nachpflanzen. „Das Pflegeprogramm werden die Naturschutzbehörden nun in Angriff nehmen und das, was bisher schon an Pflege stattfindet, mit Vertrags- und Zuschussangeboten fördern und ergänzen. Damit es allgemein bekannt und akzeptiert wird, soll das Pflegeprogramm im Dialog mit allen Beteiligten erstellt werden. Hierfür, und insbesondere für die Umsetzung des Pflegeprogramms, stellt die Naturschutzverwaltung in meinem Haus und im Landratsamt gerne Personal und Finanzmittel bereit.“
Regierungspräsidentin Kressl dankte weiter den Landwirten und Jägern, die – jeder auf seine Weise – dazu beigetragen hätten, die durch Wildschweine verursachten Schäden auf den Wiesen wieder gut zu machen. Die Jäger hätten die Jagd intensiviert, um die Schäden zu begrenzen, und die Landwirte hätten, teilweise auf eigene Kosten, die Wiesen wieder geglättet und für die Mahd vorbereitet. Sie gab der Hoffnung Ausdruck, dass dieses Thema unter der Moderation der Stadt weiter lösungsorientiert und im Dialog behandelt wird.
Abschließend freute sich Kressl darüber, dass die „Streuobstwiesen Kleingemünd“ auch als pädagogisches Handlungsfeld des Hör- und Sprachzentrums Heidelberg/Neckargemünd entdeckt worden seien. Auf Nachfrage von zwei Lehrerinnen wurde ein entsprechender Kooperationsvertrag über ein städtisches Flurstück geschlossen. Hör- und sprachbehinderte Schülerinnen und Schüler können hier nun den „Lebensraum Streuobstwiese“ mit allen Sinnen erleben und entdecken. „Ich wünsche mir, dass dieses Beispiel Schule macht und die ‚Streuobstwiesen Kleingemünd‘ von vielen Gruppen und aus den verschiedensten Gründen und Anlässen besucht werden“, schloss Regierungspräsidentin Kressl ihre Rede. Baumpatenschaften, die Pflanzung von Hochzeits- und Kinderbäumen, Aktionen zum Äpfel sammeln und Saftpressen könnten den Wert der Streuobstwiesen weiter wach halten und gleichzeitig helfen, diesen wertvollen Lebensraum für wildlebende Pflanzen und Tiere zu erhalten.