Fachtagung zeigt mögliche Wege für konzeptionelle Weiterentwicklung der Kindertagesstätten

Inspiration für Entwicklung zu Familienzentren

Gemeinsamer Austausch in Ludwigshafen

Wie können sich die Kindertagesstätten im Bistum Speyer so weiterentwickeln, dass sie auch in Zukunft den veränderten Anforderungen der Familien gerecht zu werden? Um diese Frage drehte sich eine Fachtagung mit dem Titel „Für eine diakonische Pastoral: Von der Kindertagesstätte zum Familienzentrum“ am 11.September 2013 im Heinrich-Pesch-Haus in Ludwigshafen.

Rund 100 Erzieherinnen, Kindergartenleitungen, Fachberaterinnen und Trägervertreter setzten sich mit verschiedenen Ansätzen und Modellen für eine stärkere Vernetzung und bessere Integration der Kindertagesstätten in die Gemeinde und den jeweiligen Sozialraum auseinander. Veranstalter der Fachtagung, die wissenschaftliche Impulse und praktische Erfahrungen miteinander verband, waren das Bistum Speyer und der Caritasverband.

„Die Familie ist seit den 70er-Jahren in einem starken Wandel begriffen“, machte Christine Entleitner vom Deutschen Jugendinstitut deutlich. Es kommen weniger Kinder zur Welt, gleichzeitig sinke die Zahl der Haushalte, in denen mehrere Generationen zusammenleben. Der Anteil der nichtehelichen Lebensgemeinschaften sei auf etwa ein Drittel angewachsen. Höhere Scheidungsraten – etwa jede dritte Ehe wird heute geschieden – führten zu mehr familiären Übergängen. Hinzu komme ein Arbeitsmarkt, der den Familien zum Beispiel durch Schicht- oder Leiharbeit ein erhöhtes Maß an Flexibilität abverlange und mehr Unsicherheit zumute. Zwar sei bei einem Teil der Männer ein Trend zur „engagierten Partnerschaft“ zu beobachten. Doch bis sich das Rollenbild grundlegend verändere, sei es noch ein weiter Weg, so Entleitner. „Es gibt viele Unterstützungsangebote für Familien, doch häufig hapert es an deren Passgenauigkeit“, kritisierte sie.

Den Kindern Nähe und Geborgenheit geben

Der Kindergarten als ein von der gesamten Gemeinde getragener Ort, der „Leben zum Blühen bringt und an dem Kinder zu liebevollen Menschen heranwachsen können“: Für diese Ideal machte sich Domkapitular Clemens Bieber, Vorsitzender des Caritasverbandes für die Diözese Würzburg und Vorsitzender des Bundesverbandes Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK), stark und wies auf verschiedene Möglichkeiten der praktischen Umsetzung hin, die er mit Beispielen aus seiner eigenen Erfahrung als Gemeindepfarrer illustrierte. „Der Kindergarten soll seinen Platz in der Mitte der Gemeinde haben, mitten im Lebens- und Sozialraum der Familien“, forderte er. Die Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher sei eine „Investition in die Zukunft unseres Glaubens und unserer Gesellschaft“. Der Kindergarten könne für Kinder und junge Familien eine Brücke zur Gemeinde sein. Er plädierte für ein subsidiäres Denken, das die Selbstverantwortung der Familien ernst nimmt und bei ihren Stärken und Ressourcen ansetzt. Die Rentnerin, die den Kindern vorliest, oder das Theaterprojekt, das Alte und Junge zusammenführt, nannte er als Beispiele, mit denen er für einen Ausbau generationenverbindender Angebote warb.

Fachleute und erfahrene Praktikerinnen aus den Bistümern Mainz und Köln stellten ihre Konzepte und Erfahrungen bei der Weiterentwicklung der Kindertagesstätten zu Familienzentren vor. Im Bistum Köln beispielsweise bilden mehrere Kindertagesstätten eines Pfarrverbandes ein virtuelles Familienzentrum im Sinn eines Netzwerkes, das auf den drei Säulen Beratung, Bildung und Betreuung beruht.

Praktische Beispiele machen Mut, neue Wege zu gehen

Aus Mannheim wurde das Eltern-Kind-Zentrum St. Bernhard präsentiert: Hier werden die Eltern zum Beispiel über Eltern-Kind-Wochenenden oder Elterncafés verstärkt in die pädagogische Arbeit eingebunden. Eine Psychologin, eine Ärztin und eine Sozialarbeiterin bieten den Familien Unterstützung an. Darüber hinaus wurde die Zusammenarbeit mit Hebammen, Frühen Hilfen und Kinderärzten ausgebaut.

„Die Hilfe dorthin bringen, wo sie gebraucht wird“: Dieses Ziel steht bei der Kooperation zwischen der Reha Westpfalz und der Kindertagesstätte St. Konrad in Kaiserslautern im Vordergrund. Die Kindertagesstätte öffnete ihre Türen für die Fachdienste der Frühförderung, des Caritas-Zentrums und des Gesundheitsamtes.

Ausgehend von diesen Beispielen, entwickelten die Teilnehmer der Fachtagung erste Orientierungspunkte für die Weiterentwicklung der Kindertagesstätten im Bistum Speyer, die als logische Konsequenz aus dem Seelsorge-Konzept „Gemeindepastoral 2015“ und zugleich als Chance für die Gemeinden, verstärkt junge Familien anzusprechen, gesehen wurde. Eine stärkere Vernetzung könne den Blick aller Beteiligten weiten. „Voraussetzung dafür ist, dass wir unser Idealbild von Ehe und Familie durch einen unvoreingenommenen Blick auf die Bedarfe heutiger Familien ersetzen“, betonte Domkapitular Karl-Ludwig Hundemer, der Vorsitzende des Caritasverbandes für die Diözese Speyer. Er warnte davor, die Pfarrei und den Sozialraum einfach gleichzusetzen. „In unserem Bistum gibt es rund 12.000 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in caritativen Einrichtungen. Im Blick darauf sehe ich ein großes Potential, wie wir die seelsorgliche und die caritative Arbeit stärker miteinander verzahnen können“, sagte Hundemer in Übereinstimmung mit Domkapitular Franz Vogelgesang, dem Leiter der Hauptabteilung Seelsorge des Bischöflichen Ordinariats.

Brücken bauen zwischen Seelsorge und Caritas

Das Treffen im Heinrich-Pesch-Haus war die dritte Veranstaltung in einer gemeinsam vom Bistum Speyer und dem Caritasverband veranstalteten Reihe von Fachtagungen zur Sozialraumorientierung. Die erste Tagung im Jahr 2011 beleuchte die Grundsätze der Sozialraumorientierung aus sozialwissenschaftlicher Perspektive. Bei der Folgeveranstaltung im Jahr 2012 stand der pastoraltheologische Blick auf die Verschränkung zwischen Caritas und Seelsorge im Vordergrund. „Der gewachsene Dialog zwischen Seelsorge und Caritas ist für unser Bistum ein großer Gewinn“, unterstrich Generalvikar Dr. Franz Jung. „Es geht nicht darum, mehr zu tun, sondern die Dinge anders zu tun“, wies er auf die Herausforderung hin, die in seinen Augen für die Weiterentwicklung der Kindertagesstätten ebenso zentral ist wie für das Gelingen des Konzepts „Gemeindepastoral 2015“ als Ganzes.