Seit dem 01.07.2013 ist der befürchtete Fall eingetreten: der Notarztstandort in Lambrecht wurde geschlossen. Damit endet eine Erfolgsgeschichte. Der Blick in die Zukunft wirkt düster.
Viele Menschen haben ihr Leben dem schnellen Eintreffen der Rettungskräfte des Lambrechter Notarzteinsatzfahrzeuges und der medizinischen Kompetenz des Notarztes zu verdanken.
Gegründet wurde das Notarztsystem vor 25 Jahren von Dr. Manfred Reiber aus Weidenthal. Gemeinsam mit den Notärzten Michael Klein, Dr. Hartmut Bauer, Dr. Benny Benker und anderen Ärzten hat er viele Leben gerettet oder Leid gemildert. Doch das ist nun nach dem Willen der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz vorbei.
In den letzten 12 Jahren wurde der Notarztdienst auf Drängen der KV RLP in Doppelfunktion mit dem Kassenärztlichen Notfalldienst betrieben. In der Zeit, in der keine Notfälle (im Sinne des Rettungsdienstgesetzes) passierten, fuhr der Notarzt zu Hausbesuchen. Gestellt wurde das Fahrzeug und ein Fahrer vom Deutschen Rotes Kreuz (Rettungsdienst Vorderpfalz GmbH). Die Doppelfunktion Notarzt/Notfalldienst hat seine Berechtigung, denn viele vermeintliche Hausbesuche waren nicht entdeckte Notfälle, so dass der Notarzt einen Rettungswagen nachforderte und die Versorgung unverzüglich eingeleitet wurde.
Nun hat eine neue Ära begonnen. Der Notarzt ist weg, der nächste Kassenärztliche Notfalldienst ist laut neuer Organisationsstruktur der KV in Neustadt. Wenn ein Patient aus dem Elmsteiner Tal einen Arzt braucht, muss er erstmal warten. Eine lange Zeit, die evtl. lebensbedrohend ist, denn bis der Arzt von der Notfalldienstzentrale da ist, kann es Stunden dauern. Man spricht vom therapiefreien Intervall. Zeit, in der aus einem Patienten ein Pflegefall werden kann.
Durch die Abschaffung des Notarzteinsatzfahrzeugs (NEF) in der Verbandsgemeinde Lambrecht muss nun das Einsatzgebiet, das von Lindenberg bis Speyerbrunn (L499) bzw. Weidenthal (B39) reicht, vom Notarzt in Neustadt mitversorgt werden. Zuständig ist der Neustadter Notarzt jedoch auch bis nach Haßloch. Ausserdem kommen die Notärzte auch ausserhalb ihres primären Bereichs zum Einsatz, z.B. in Maikammer oder Deidesheim. Zum Einsatz kommt auch immer öfter der Rettungshubschrauber Christoph 5 aus Ludwigshafen, wobei die Einsatzzeit des Hubschraubers zeitlich begrenzt ist, da er nachts und bei schlechtem Wetter nicht fliegt.
Neue Strukturen machen alles billiger – der Mensch verliert
Geht man nach einer Pressemitteilung der KV RLP, ist die ganzwöchige Öffnung der Notfalldienstzentrale in Neustadt an der Weinstraße ein Erfolg. Doch ist es das auch wirklich?
Aufgrund der Tatsache, dass der Notarztdienst abgeschafft ist, kann von einem Erfolg nicht gesprochen werden. Es gibt nur Verlierer. Als erstes sind es die Patienten, die unter den neugeschaffenen Fakten Leid erfahren müssen, sei es durch eine lange Zeitdauer bis zur Versorgung oder sie versterben oder sie tragen Langzeitschäden davon. Patienten, die in der Notfalldienstzentrale medizinische Hilfe erwarten, müssen stundenlang auf einen Arzt warten, weil dieser auf Hausbesuch unterwegs ist. Die Mitarbeiter der Notfalldienstzentralen müssen in der Wartezeit der Patienten diese beaufsichtigen, auch nachts.
Die KV teilte mit, dass sie einen Sicherstellungsauftrag für ganz Rheinland-Pfalz hat und dass nicht genügend Notärzte zur Verfügung stehen. Jedoch gibt es viele Notärzte in der Region, die laut unseren Informationen an dem Notarztsystem teilnehmen würden. Die Kosten für den Notarztdienst sind von der KV auch nur vorgeschoben, denn jeder Hausarzt zahlt unseren Quellen zufolge monatlich einen dreistelligen Betrag an die KV RLP, dass er seinen Beruf ausüben darf. Bei 160 Ärzten im Bereich Neustadt sind die monatlichen Notarzt-Kosten nur Peanuts. Und doch schafft die KV ein bewährtes System ab und nimmt Todesfälle und menschliche Tragödien in Kauf.
Unter der Schließung des Notarztstandorts in Lambrecht ist die Aussage der KV RLP ("Ärztlicher Bereitschaftsdienst ist kein Rettungsdienst") fast schon zynisch. Dort heisst es "Bei akuten lebensbedrohlichen Notfällen, wie starken Herzbeschwerden, Bewusstlosigkeit oder schweren Verbrennungen, muss direkt der Rettungsdienst unter der Nummer 112 angefordert werden, der innerhalb kürzester Zeit beim Patienten ist." Richtig ist, dass innerhalb der gesetzlichen Hilfsfrist ein Rettungswagen beim Patienten eintrifft. Die Rettungsdienstmitarbeiter sind gut ausgebildet, können jedoch in zahlreichen Situationen einen Notarzt nicht ersetzen. Für einen Notarzt gibt es jedoch keine gesetzliche Hilfsfrist. Andere Bundesländer wie z.B. Bayern sind fortschrittlicher. Dort ist der Notarzt Teil des Rettungsdienstes. Doch in Rheinland-Pfalz kann der Notarzt auch in 1 Stunde kommen.
Unterschriftenliste FÜR den Notarzt- und Ärztlichen Bereitschaftsdienst in der VG Lambrecht
In der Verbandsgemeinde Lambrecht findet zur Zeit eine Unterschriftenaktion statt. In Geschäften liegen die Listen aus. METROPOLNEWS stellt die Liste zum Herunterladen/Download bereit. Betroffen ist auch jeder Bürger in der Umgebung, denn auch dort sind durch die Organisationsänderung Verschlechterungen zu erwarten sind.
Interessensgruppe in Facebook
Der Rettungssanitäter und Rechtsanwalt Dr. Frank Zander hat eine Facebookgruppe zur Interessenvertretung gegründet. Zur Zeit sind ca. 1750 Menschen (Stand 05.07.13) der Gruppe beigetreten.
Antwort des Ministeriums steht aus
Wir haben beim zuständigen Minister, Alexander Schweitzer, angefragt. Das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie ist Aufsichtsbehörde für die Kassenärztliche Vereinigung, die ihre Strukturänderung an den Menschen vorbei geplant hat. Dass hier Handlungsbedarf besteht, ist anhand von Fakten belegt. Alle Beteiligten haben gewarnt, doch interessiert hat es niemand. Jetzt stehen die Menschen vor den Scherben. Hoffen wir, dass der Zustand sich bald ändert.