Um sich über den Stand der Energiewende in Deutschland zu informieren und deren konkrete Umsetzung in der Rhein-Neckar-Region zu diskutieren, kamen heute über 400 Fachleute zur dritten Regionalkonferenz „Energie & Umwelt“ in den Ludwigshafener Pfalzbau.
Eingeladen hatte der Fachbereich „Energie & Umwelt“ der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH: „Die Energiewende ist ein ambitioniertes Vorhaben, das wir nur gemeinsam stemmen können“, so Bereichsleiter Bernd Kappenstein. „Mit der Regionalkonferenz möchten wir den Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik verstetigen und damit das für die Umsetzung der Energiewende so wichtige regionale Netzwerk stärken.“
Wichtige Impulse für dieses Vorhaben gaben am Vormittag die Vorträge von Experten wie Prof. Dr. Andreas Löschel (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung), Prof. Dr. Claudia Kemfert (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung), Prof. Dr. Klaus J. Beckmann (Deutsches Institut für Urbanistik) und Hildegard Müller (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.). Am Nachmittag konnten die Teilnehmer in fünf Fachforen gute Praxis-Beispiele aus der Region kennenlernen und sich zu aktuellen Themen austauschen.
Löschel: Fortschritte bei Energiewende uneinheitlich
Die Fortschritte bei der Energiewende in Deutschland seien uneinheit-lich, so die Einschätzung des Umweltökonoms Prof. Dr. Andreas Löschel, der u.a. die Expertenkommission der Bundesregierung zum Monitoring der Energiewende leitet. Im Strombereich, insbesondere bei der Photovoltaik und der Onshore-Windenergie, sei man auf einem guten Weg. In den Bereichen Wärme und Offshore-Windenergie gebe es hingegen noch viel zu tun. Auch der der Netzausbau komme nur schleppend voran. Versorgungsengpässe könnten vor allem in Süddeutschland die Folge sein, wo in den kommenden Jahren die meisten Kraftwerke vom Netz gehen. Die Diskussion um steigende Strompreise wertete er kritisch. Der Anteil der Stromkosten am Bruttosozialprodukt sei 2011 mit 2,5 Prozent in etwa so hoch gewesen wie 1991. Vielmehr müsse eine ehrliche Diskussion darüber geführt werden, wie viel die Gesellschaft bereit sei, für die Energiewende zu zahlen und wie diese Belastungen in Zukunft verteilt würden. Ebenso müsse das Zielsystem der Energiewende auf europäischer Ebene diskutiert und neu bewertet werden.
Kemfert: Energiewende ist Wachstumstreiber
Eine deutliche Verbesserung der Energieeffizienz in allen Bereichen und den konsequenten Umbau des Energiesystems forderte Energieexpertin Prof. Dr. Claudia Kemfert. Auch sie sehe großen Nachholbedarf beim Netzausbau. Zudem fehle es noch an Speichertechnologien, einem effektiven Last- und Energiemanagement oder nachhaltigen Mobilitätskonzepten. „Die erneuerbaren Energien müssen als Sündenbock für ein verfehltes Management der Energiewende herhalten“, so ihre Einschätzung. Die Energiewende sei weit mehr als eine reine „Strom-Angebots-Wende“. Denn es gebe immense Einspar- und Effizienzpotenziale – sowohl bei der Gebäudeenergie als auch in der Industrie und bei der Mobilität. Hier müsse mehr getan werden. Insgesamt sei die Energiewende ein wichtiger Wachstumstreiber für Deutschland: „Investitionen in erneuerbare Energien, intelligente Netze oder aber Speicher bringen Wertschöpfung und Arbeitsplätze in den Regionen.“ Den jährlichen Investitionsbedarf bezifferte Kemfert mit 31 bis 38 Milliarden Euro. Das Ziel der Bundesregierung, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2050 auf 80 Prozent zu erhöhen, sei realistisch.
Müller: Energiewende braucht besseres Projektmanagement
Als ambitioniert bezeichnete Hildegard Müller, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, die Ziele der Bundesregierung. Die Energiewende dürfe nicht zu klein gedacht werden, so ihr Appell. Ein gesellschaftliches Projekt dieser Dimension mit einer Laufzeit von mehreren Jahrzehnten brauche den Konsens auf europäischer Ebene. Hierdurch entstehe nicht nur die dringend benötigte Planungssicherheit, sondern es würden auch Synergien gefördert. Als größtes Problem der Energiewende in Deutschland bezeichnete Müller die mangelnde Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Es brauche ein deutlich besseres Projektmanagement, so Müller: „Komplexen Herausforderungen kann man nicht mit einfachen Lösungen begegnen.“ Müller plädierte zudem für eine Entschleunigung der Energiewende. Ohne die entsprechenden Netze sei ein dezentrales System nicht leistungsfähig. Ebenso müssten alle Akteure in den Prozess der Energiewende eingebunden werden, denn die Energieversorgung der Zukunft sei dezentraler und sichtbarer. Bereits heute gebe es rund 8.000 Biogasanlagen, 23.000 Windkraftanlagen und 1,3 Millionen Photovoltaikanlagen. Dies würde zwangsläufig zu einer Akzeptanzdiskussion bei den Bürgern führen. Mit einem Anteil von 25 Prozent seien die erneuerbaren Energien längst kein Nischenprodukt mehr, so Müller. Deshalb müssten auch die Fördersystematik und das Marktdesign überdacht werden.
Beckmann: Energiewende ist auch Mobilitätswende
Erstmals stand das Thema Mobilität als wichtiger Baustein der Energiewende auf der Agenda der Regionalkonferenz. In Sachen Klimaschutz könne und müsse der Verkehr seinen Beitrag leisten, so Prof. Dr. Klaus J. Beckmann. Derzeit sei der Verkehrssektor für rund 20 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Hier be-stehe ein großes Einsparpotenzial für Energie und Emissionen. Die Menschen würden auch künftig sehr mobil bleiben, so seine Prognose. Gleichzeitig werde es jedoch deutliche Verschiebungen bei der Wahl der Verkehrsmittel geben. Schon heute zeige sich, dass der Autobesitz in Städten und Ballungsräumen mit einem guten öffentlichen Nahverkehr rückläufig sei. „Nutzen statt besitzen, lautet der Trend“, so Beckmann. Bei der jüngeren Generation sei dieser Mobilitäts- und Wertewandel bereits eingeleitet. Der ÖPNV werde als Verkehrsmittel ebenso an Bedeutung gewinnen wie Fahrrad, E-Bike, Pedelec, Elektroauto, Car-Sharing oder das Zufußgehen. Integrierten Mobilitätskon-zepten, in denen verschiedene Fortbewegungsmöglichkeiten je nach Situation flexibel und individuell kombiniert werden können, gehöre die Zukunft, so Beckmann. Dies müsse die Stadt- und Regionalplanung stärker berücksichtigen.
Fachforen vertiefen Einzelthemen der Energiewende
Am Nachmittag widmeten sich Fachforen verschiedenen Aspekten der Energiewende. Experten aus Unternehmen, Wissenschaftseinrichtungen und Verwaltungen stellten Projekte und Konzepte vor, die zur erfolgreichen Gestaltung der Energiewende auf regionaler Ebene beitragen. Im Fokus standen dabei insbesondere das energieeffiziente Bauen und Sanieren, die Nutzung regionaler Stoffströme, intelligente Speichersysteme („Smart Energy“), Mobilitätssysteme der Zukunft sowie die Anwendung von Geodaten bei der Potenzialabschätzung und Planung erneuerbarer Energien.