„Fergus“ ist eine junge männliche Roloway-Meerkatze, die Tausende von Kilometern zurückgelegt hat, um wieder in ihrer ursprünglichen Heimat in Ghana zu leben. Seine Artgenossen sind beinahe ausgerottet worden.
Die Roloway-Meerkatze gehört zu den 25 bedrohtesten Affenarten der Welt. Eine Jury der bedeutendsten Primatologen und Naturschützer der Welt hat sie schon zum vierten Mal auf diese von „Conservation International“ herausgegebene Liste gewählt – ein zweifelhafter Ruhm.
Fergus soll im Zentrum für bedrohte Affen in Ghana mit der einzigen in Menschenhand gehaltenen Roloway-Meerkatze Afrikas für Nachwuchs sorgen. Interessiert schaut er durch das Gitter in das Nachbargehege zu „Sweet Pee“. Er weiß nichts davon, welch ein Status ihm gerade zuteil wird. Für die Roloway Meerkatzen, eine einst im westlichen Afrika weit verbreitete Affenart, ist es eine Minute vor zwölf. Die schönen, eleganten Tiere mit ihren langen, weißen Bärten, dem schwarz-braun glänzenden Fell und flinken Bewegungen kommen nur noch im Regenwald der östlichen Elfenbeinküste und dem westlichen Ghana vor. In den sumpfigen Waldresten im Grenzgebiet beider Länder konnte in den letzten Jahren ein kleiner Bestand nachgewiesen werden. Es ist wahrscheinlich die größte Restpopulation dieser faszinierenden Affenart auf der Welt.
Um ein endgültiges Aussterben wildlebender Populationen zu verhindern, wurde bereits im Jahre 2001 vom Zoo Heidelberg das Artenschutzprogramm „West African Primate Conservation Action“ (WAPCA) ins Leben gerufen, das sich ganz dem Schutz der Primatenarten dieses sensiblen Lebensraums verschrieben hat. WAPCA wird vom Zoo Heidelberg aus koordiniert. Mit Spenden und festen Beiträgen der WAPCA Mitgliedzoos wird unter anderem das Primatenzentrum „Endangered Primate Breeding Centre“ in Accra, der Hauptstadt Ghanas finanziert. Hier werden illegal gehaltene und beschlagnahmte bedrohte Affenarten aufgenommen und auch nachgezüchtet.
„Fergus“ traf am 29. Mai wohlbehalten im Primatenzentrum ein und die Freude über seine Ankunft war groß. Fergus ist im Zoo Heidelberg geboren und lebte vor seiner Rückkehr nach Ghana im Zoo La Vallee de Singes (Frankreich) in einer Junggesellengruppe. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur eine Roloway-Meerkatze in menschlicher Obhut in Afrika, ein konfisziertes Weibchen namens „Sweet Pee“. Sie wurde ursprünglich unter erbärmlichen Umständen als Haustier gehalten und konnte gerettet werden. Fergus und Sweet Pee sollen im Primatenzentrum nun als Botschafter Ihrer Art und durch Nachzuchten dazu beitragen, dass diese schöne Affenart erhalten bleibt. Dies kann allerdings nur gelingen, wenn die letzten Reste des Regenwaldes nicht auch noch der Gier der Palmölindustrie, den Holzkonzernen oder der Jagd zum Opfer fallen. Nagetiere, Antilopen und eben auch Affen werden in den verbliebenen Regenwäldern gejagt, um die Märkte in den Städten mit „Bushmeat“ aus dem Regenwald zu versorgen. Aber das Fleisch der Wildtiere dient nicht der Versorgung der armen Menschen, sondern der Befriedigung kulinarischer Gelüste einer reichen Minderheit.
Das Engagement von WAPCA ist langfristig angelegt. An dem Projekt beteiligen sich neben dem Zoo Heidelberg elf weitere europäische Zoos (der Allwetterzoo Münster, der Zoo Duisburg, der Tierpark Hellabrunn in München, der Zoo Landau, die Zoologischen Gärten von Mulhouse, Barcelona, Valencia, la Palmyre, La Vallée des Singes, Bojnice, London, Dublin und Twycross) sowie die Zoologische Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP). Das WAPCA-Projekt vereinigt verschiedene Herangehensweisen zum Schutz der bedrohten Primaten. So gehören zu den wichtigsten Aufgaben die Durchführung von Tierbestandaufnahmen, Ausbildung und Bezahlung von Wildhütern, Förderung von organisiertem Ökotourismus, Einrichtung von Schutzgebieten, Aufklärung der lokalen Bevölkerung über den Schutz der Affen und das Betreiben des Primatenzentrums für beschlagnahmte Affen im Zoo in Accra, das für die Öffentlichkeitsarbeit genutzt wird. Schulklassen besuchen die Affengehege und übernehmen Patenschaften für die Tiere, dadurch bekommen sie einen anderen Bezug zu den einheimischen Affen, die sie bisher nur als Fleischangebot auf den Märkten kannten. Sie erfahren etwas über die Lebensweise der einheimischen Tierarten, ihre Bedrohung und was nachhaltige Nutzung der Ressourcen im Land bedeutet. Aber auch für die erwachsene lokale Bevölkerung stellt das Primatenzentrum mittlerweile ein lohnenswertes und informatives Ausflugsziel dar.
Wichtig für den Erfolg des Artenschutzes sind kompetente, engagierte und angesehene Projektpartner vor Ort – wie Inza Koné, Partner von WAPCA in der Elfenbeinküste und Professor am „Centre Suisse de Recherches Scientifiques en Cote d’Ivoire“. Für seine Aktivitäten und Verdienste für die Menschen und für bedrohte Tierarten wurde er im März 2009 in den Niederlanden mit dem bedeutenden Preis „Future for nature“ ausgezeichnet. 2012 wurde er für sein Engagement im WAPCA-Projekt im Tanoé Wald mit dem „Whitley Award“ ausgezeichnet, den er von Princess Anne bei einer Zeremonie in der „Royal Geographical Society“ in London überreicht bekam.
„An wohl keiner anderen Tierart lässt sich so gut verdeutlichen, wie wichtig der Zoo für den Arten- und Naturschutz ist“, resümiert Dr. Klaus Wünnemann, Direktor des Heidelberger Zoos. „Mit den Roloway-Meerkatzen als Flaggschiff wollen wir ihren Lebensraum schützen, der zu den artenreichsten Regionen der Erde zählt. Sind wir beim Schutz der Roloway-Meerkatze erfolgreich, können hunderte von Arten vor der Ausrottung bewahrt werden“.
Mit derzeit 36 Tieren in Zoos (Stand Januar 2012) gehört die Roloway-Meerkatze zu den seltensten Tieren in menschlicher Obhut. Im Vergleich zu den westafrikanischen Affen sind Große Pandas und Nashörner Massenware. Kein Zoo in Nordamerika, Asien oder Australien hält diese hochbedrohte Tierart. Im Zoo Heidelberg leben mit sieben Roloway-Meerkatzen ein Fünftel des Zoo-Weltbestands. Der Zoo Heidelberg züchtete in den letzten zehn Jahren zwölf Tiere nach und ist damit die bedeutendste Zuchtstätte weltweit.
Mit Fergus kehrt nun ein Funken Hoffnung für das Überleben der Roloway-Meerkatze zurück nach Ghana. Die Projektkoordinatorin von WAPCA in Afrika, Jeanne Marie Pittmann, ist optimistisch: „We are very excited to see this critically endangered monkey return home to his country to produce more of his kind for the long-term potential of reintroduction into Ghana's rainforests”.