Auf Initiative des hessischen Ministers der Justiz, für Integration und Europa, Jörg-Uwe Hahn, hat der Bundestag in der Nacht zum Freitag einen Gesetzentwurf beschlossen, zum Einsatz von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren.
„Die hessische Justiz ist Vorreiter beim Einsatz moderner Medien. Dazu gehört die Videokonferenztechnik. Sie spart Kosten, beschleunigt die Verfahren und ist bürgerfreundlich“, sagt Hessens Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn: „Von daher ist nur konsequent, wenn wir uns auch normativ engagieren und mit modernen Gesetzen den Einsatz sinnvoller Technik erweitern. In Hessen verfügen bereits das Oberlandesgericht, alle Landgerichte, das Finanzgericht, die meisten Justizvollzugsanstalten und die Rechtsanwaltskammern Frankfurt am Main und Kassel über entsprechende technische Anlagen.“ Justizminister Hahn verweist darauf, dass etwa im zweiten Halbjahr 2012 in Hessen 259 Videoeinvernahmen mit einer Gesamtdauer von 153 Stunden durchgeführt worden seien.
Bislang setzten die Verfahrensordnungen für den Einsatz von Videokonferenztechnik grundsätzlich die Zustimmung der Beteiligten voraus, so Justizminister Hahn, was in vielen Fällen, z. B. der Anhörung von Sachverständigen, nicht immer sachgerecht sei. Die hessische Gesetzesinitiative sehe nun vor, dass der Einsatz von Videokonferenztechnik in geeigneten Fällen nach dem Ermessen des Gerichts in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren erfolgen könne. Auf das Zustimmungserfordernis der Beteiligten werde nun grundsätzlich verzichtet. „Bei der Erweiterung der Einsatzmöglichkeiten der Videokonferenztechnik ist die Rechtsstaatlichkeit gewahrt, weil eine Videokonferenz nur dann in Betracht kommt, wenn es nicht auf den persönlichen Eindruck der anzuhörenden Person ankommt“, so Justizminister Jörg-Uwe Hahn: „Die bisherige Praxis hat Erleichterungen gerade in umfangreichen Verfahren und Verfahren mit Auslandsbezug gezeigt.“
Justizminister Jörg-Uwe Hahn zielte damit auf ein Verfahren gegen einen muslimischen Attentäter von dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt an, der am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten getötet und zwei weitere lebensgefährlich verletzt hatte. In diesem Verfahren wurde Anfang vergangenen Jahres die Aussage eines immer noch schwer verletzten Zeugen per Videovernehmungstechnik aus den USA in den Gerichtssaal in Frankfurt übertragen.
Die Gesetzesinitiative:
- Der Einsatz der Videokonferenztechnik erfolgt nach Ermessen des Gerichts in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren. Auf das Zustimmungserfordernis der Beteiligten wird grundsätzlich verzichtet.
- Das Gesetz erweitert die Möglichkeiten der Einvernahme von Sachverständigen, sachverständigen Zeugen und auch von Dolmetschern im Wege der Bild- und Tonübertragung. Denn bei der Einvernahme von hoch spezialisierten Sachverständigen, z.B. in Verfahren mit medizinischen Fragen, oder von Dolmetschern für seltene Sprachen spielt der Aspekt der zeitlichen Verfügbarkeit dieses Personenkreises für die zügige Abwicklung des Verfahrens eine erhebliche Rolle. Zudem spart die Zuschaltung per Videokonferenztechnik Anreisen in das betreffende Gericht.
- Auch öffentlich-rechtliche Körperschaften und Behörden, die in gerichtlichen Verfahren, zum Beispiel in Familien- und Kindschaftssachen oder als Beigeladene in Fachgerichtsverfahren, anzuhören sind, können zugeschaltet werden.
- Das Gesetz eröffnet den weitergehenden Einsatz der Videotechnik auch in Verfahren nach der Strafprozessordnung. Bild- und Tonübertragungen werden in strafprozessualen Verfahren immer dann möglich, wenn eine Anhörung oder Vernehmung möglich, aber nicht zwingend erforderlich oder ohne Mitwirkungspflicht für Verfahrensbeteiligte ist bzw. Entscheidungen eher untergeordneter Bedeutung im Bereich der Strafvollstreckung zu treffen sind. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung bleibt gewahrt.
- Im Strafvollzugsgesetz wird klargestellt, dass mögliche, aber nicht zwingend erforderliche, videogestützte Anhörungen ohne Rücksicht auf das Einverständnis des Gefangenen angeordnet werden können. Das Gericht ordnet die zeitgleiche Bild- und Tonübertragung einseitig an und erspart die Gefangenenvorführung mit ihrem erheblichen Personal-, Kosten- und Sicherheitsaufwand und verringert die Zahl von Gefangenentransporten zu Gericht.
Der Hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn verweist auf die lange Erfahrung, die man im Bundesland Hessen mit der Videokonferenztechnik bereits habe. Das Hessische Finanzgericht setze bereits seit dem Jahr 2001 die Videokonferenztechnik ein. Das Hessische Finanzgericht verfügt zwischenzeitlich über drei Videokonferenzanlagen, die sämtlich sehr gut genutzt werden.
In den Jahren 2005/2006 beschaffte das Hessische Justizministerium 16 weitere, mobile Videokonferenzsysteme, die in der Folge dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main, sämtlichen Landgerichten sowie bei den Justizvollzugsanstalten in Butzbach, Darmstadt, Frankfurt am Main III, Kassel I, Schwalmstadt und Weiterstadt zur Verfügung stehen. Auch den Rechtsanwaltskammern Frankfurt am Main und Kassel wurden zwei Anlagen zur Verfügung gestellt.
Auf Grund besonderer Bedürfnisse wurde zwischenzeitlich auch eine Anlage für das Amtsgericht Friedberg beschafft, das für die Aufnahme von Anträgen Gefangener in der JVA Butzbach zuständig ist. Damit bleibt die Vorführung der Gefangenen vermieden. Zusätzlich wurde auch das Amtsgericht Bad Hersfeld mit einer Anlage ausgestattet.
Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn dankt allen Beteiligten: „Sie haben die Justiz ein Stück moderner und kostengünstiger gemacht.“ Über den Gesetzentwurf wird der Bundesrat im März abschließend entscheiden. Auch hier gilt die Zustimmung als sicher, auch deshalb, weil die in Hessen erprobte Technik auch anderen Bundesländern deutlich Kosten spart.