Die Erinnerung muss bleiben

Mit einer Kranzniederlegung an der Gedenktafel für die ermordeten Sinti- und Roma begann der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz in Mannheim. „Die Erinnerung muss bleiben. Sie darf nie aufhören. Niemals.“, sagte Guido Wolf, Präsident des Landtags von Baden-Württemberg.

Die zentrale Feier des Landtags fand bereits zum dritten Mal in Mannheim statt. Im Mittelpunkt der Veranstaltung 2013 standen die Opfergruppen der Sinti und Roma und der Jenischen. „Wir sind eine Stadt, die sich in besonderer Weise mit ihrer Geschichte und eben auch der dunkelsten Seite unserer Geschichte auseinandersetzt“, sagte Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz. Die ungeheuerlichen Verbrechen, die in der Zeit der NS-Diktatur begangen wurden, hätten mit der Ausgrenzung im Alltag begonnen, und die Hinnahme und Akzeptanz dieser Ausgrenzung habe den Weg zu Auschwitz erst geöffnet. „Der Respekt vor den Opfern verpflichtet uns zum Gedenken“; so Kurz. Und dass man sich in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten mit besonderer Intensität der Auseinandersetzung mit der Geschichte gestellt habe, sein eine der entscheidenden Grundlagen für die Stabilität der rechtsstaatlichen Demokratie.

Besonders der Blick auf das Schicksal der Sinti und Roma zeige, dass die Aufarbeitung keineswegs mit dem Ende des Nationalsozialismus begann. „Wir sind aufgerufen, den bis heute bestehenden Antiziganismus zu bekämpfen“, sagte Kurz. Das sei in einer Stadt, die einen erheblichen Zuzug aus Südosteuropa verspüre, durchaus eine Herausforderung. „Dieser Herausforderung gerecht zu werden, bedeutet ein klares Bekenntnis zu einer offensiven Integrationspolitik. Sie ist Teil der Aufgabe, die Vergangenheit anzunehmen und aus ihr Schlüsse zu ziehen.“

„Mannheim reagiert vorbildlich auf die verstärkte Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien“ griff auch Landtagspräsident Wolf das aktuelle Thema auf. „Sinti und Roma sind ein Teil von uns. Mit gleichen Rechten und demselben Anspruch auf gleichwertige Chancen.“ Auch nach Wolfs Überzeugung hat der „Alltagsrassismus“ den Völkermord erst ermöglicht. „Das Zusammenleben in der Gesellschaft gelingt nur dann, wenn Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Kultur oder Religion miteinander ins Gespräch kommen.“

Dr. Martin Salm, Vorstandvorsitzender der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“, erinnerte wie seine Vorredner an die 500.000 Opfer, die dem Genozid der Sinti und Roma zum Opfer fielen. „Genozid bedeutet nicht nur, das Leben auszulöschen. Sondern Genozid bedeutet auch, die Sprache und die Kultur auszulöschen.“ Wenn von der „Hölle von Auschwitz“ gesprochen werde, sei dies keine Übertreibung, zitierte er die Überlebende Elisabeth Guttenberger. „Dieser Tiefpunkt kann nicht getilgt werden. Das Wissen über Auschwitz gehört zu Europa. Aber die Sicherheit, dass so etwas nie mehr sein darf – das ist Teil des Selbstverständnisses der Europäer“, so Salm.

„Mannheim hat sich verpflichtet, aus der Vergangenheit die Zukunft zu gestalten“, sagte Daniel Strauß, Vorsitzender des Landesverbandes Baden-Württemberg des Verbandes deutscher Sinti und Roma. Vorurteile seien immer ein Spiegelbild der Zeit, und die Lage sei nicht aussichtslos. „Aufklärung ist ein wirksames Mittel gegen Vorurteile, da sie den Ursachen auf den Grund geht“, so Strauß. Es sei ermutigend zu sehen, wie das Land das Gedenken aufrechterhält.

Hintergrund:

Seit der 27. Januar im Jahr 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus erklärt wurde, veranstaltet der Landtag von Baden-Württemberg seine Feiern an diesem Tag nicht nur in Stuttgart, sondern auch an verschiedenen Gedenkorten außerhalb der Landeshauptstadt. In Mannheim fand der Gedenktag zum dritten Mal statt. Das Datum erinnert an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945. Im Mittelpunkt der Veranstaltung 2013 standen die Opfergruppen der Sinti und Roma und der Jenischen.

Zur Gedenkveranstaltung in Mannheim waren neben allen Mannheimer Bürgermeistern und Fraktionsvorsitzenden aller Fraktionen auch Vertreter zahlreicher Opfergruppen anwesend.