Heidelberger Forscher arbeiten an einer künstlichen Gewebestruktur als Testmodell: Wie lassen sich Wirkstoffe von Medikamenten gezielter als bisher in das menschliche Gehirn transportieren? Diese Frage steht im Mittelpunkt eines Forschungsvorhabens, an dem Wissenschaftler des Instituts für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie (IPMB) der Universität Heidelberg beteiligt sind. Die Heidelberger Forscher wollen dafür eine künstliche Gewebestruktur nachbilden, um den Blutfluss des Körpers zu imitieren. Das Trans-BBbarrier-Projekt, in dem Experten aus fünf Forschungseinrichtungen und Unternehmen in Deutschland zusammenarbeiten, wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über einen Zeitraum von drei Jahren mit rund 1,44 Millionen Euro gefördert, davon gehen rund 250.000 Euro an das IPMB. Ziel ist die Entwicklung neuer Therapieformen für Erkrankungen des Zentralen Nervensystems.
„Bei der Entwicklung neuer Medikamente gegen Erkrankungen im Zentralen Nervensystem, wie zum Beispiel Epilepsie oder Alzheimer, besteht die größte Hürde oft darin, die Wirkstoffe durch die sogenannte Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn zu transportieren“, erklärt Prof. Dr. Gert Fricker, der am IPMB forscht. Wie der Wissenschaftler erläutert, ist die Blut-Hirn-Schranke für viele Moleküle undurchdringbar, da sie den Blutkreislauf vom Zentralen Nervensystem abschottet. Sie verhindert, dass Fremdstoffe, potenziell giftige Stoffwechselprodukte oder Krankheitserreger in Gehirn und Rückenmark eindringen.
Eine Lösung sehen die Wissenschaftler in der Entwicklung von „Transporthilfen“, mit denen den Medikamenten der Übertritt ins Gehirn ermöglicht werden soll. „Allerdings gibt es bisher keine geeigneten Modelle, um die Wirksamkeit solcher Transporthilfen zu überprüfen“, erläutert Prof. Fricker, der die Abteilung Pharmazeutische Technologie und Pharmakologie des IPMB leitet. „Aktuell verfügbare Zellkultursysteme können die Physiologie des Menschen nicht genau genug simulieren, da die Zellen außerhalb ihrer natürlichen Umgebung wichtige Funktionen verlieren“, so der Wissenschaftler. Um dieses Problem zu lösen, soll im Rahmen des Trans-BBbarrier-Projekts ein neuartiges Zellkultur-Modell der Blut-Hirn-Schranke mit verbesserter Zellfunktion entwickelt werden.
Ziel der Heidelberger Wissenschaftler ist es, mit Hilfe der Mikrotechnik die natürliche, physiologische Zellumgebung in einem sogenannten Mikrofluidiksystem nachzubilden. Dazu werden Zellen über elektrische und fluidische Kräfte in ihrer tatsächlichen Gewebestruktur angeordnet. Über Mikrokanäle sollen die Zellen mit einem Nährmedium versorgt werden, um so den Blutfluss des Körpers zu imitieren. „Wir können dann die Wirkstofftests anhand eines Modells durchführen, das der Physiologie des Menschen in besonderer Weise entspricht.“ Die Arbeiten an diesem Verbundprojekt haben im November 2012 begonnen.