Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist zum neuen Präsidenten des Bundesrates gewählt worden. Damit übernimmt der baden-württembergische Ministerpräsident das Amt des Bundesratspräsidenten von seinem Vorgänger, dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Dieser hatte vor der Wahl im Bundesratsplenum in einer Rede über das vergangene Jahr unter seinem Vorsitz Bilanz gezogen. Die offizielle Amtsübernahme durch den baden-württembergischen Ministerpräsidenten erfolgt mit Wirkung zum 1. November 2012. Seine erste Sitzung als Präsident wird Kretschmann am 2. November 2012 leiten.
Die Abstimmung in der Länderkammer erfolgte nicht durch einfaches Handzeichen, sondern in einem feierlichen Akt: Jedes einzelne Land war in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen, seine Stimme abzugeben. Dieses Verfahren wird nur in Ausnahmefällen bei wichtigen Personalien oder Grundgesetzänderungen durchgeführt. Der Vorschlag für das neue Präsidium ist dabei nicht politisch bestimmt, sondern richtet sich entsprechend einer Absprache der Regierungschefinnen und Regierungschefs in der Ministerpräsidentenkonferenz nach der Größe, genauer gesagt nach der Einwohnerzahl der Länder in „absteigender“ Reihenfolge. Als drittgrößtes Land ist daher nun Baden-Württemberg an der Reihe.
Im Anschluss an die Wahl gratulierte Seehofer seinem Nachfolger zur einstimmigen Wahl. Kretschmann dankte Seehofer für dessen Arbeit im Amt des Bundesratspräsidenten und hob gleichzeitig hervor, dass er seiner neuen Aufgabe als Vertreter eines der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland besondere Aufmerksamkeit widmen möchte: „Als überzeugter Föderalist möchte ich die Präsidentschaft dazu nutzen, den Bundesrat als Länderkammer mit seiner gestalterischen Kraft im parlamentarischen Verfahren in der öffentlichen Wahrnehmung zu stärken.“ Kretschmann sieht mit Sorge, dass wichtige politische Fragen wie etwa die Bewältigung der Eurokrise trotz weitreichender Folgen unter immer größerem Zeitdruck die parlamentarischen Verfahren durchlaufen. „Der Bundesrat muss bei diesem politischen Meinungsaustausch seine starke verfassungsgemäße Rolle ernst nehmen“, so Kretschmann. „Dabei geht es schließlich auch um die vitalen Interessen der Länder und ihrer Bürgerinnen und Bürger.
Die Energiewende habe für ihn als gesamtstaatliche Aufgabe in der Verantwortung von Bund und Ländern oberste Priorität. „Als erster grüner Bundesratspräsident sehe ich meine Rolle auch als Moderator gerade bei überparteilichen und überregionalen Themen wie der Umsetzung der Energiewende oder der Endlagersuche“, unterstrich Kretschmann.
Minister Peter Friedrich übernimmt Vorsitz der Europakammer
Der baden-württembergische Europaminister und EU-Ausschussvorsitzende Peter Friedrich wird nun auch den Vorsitz der Europakammer des Bundesrates übernehmen. Aus Sicht des Landes Baden-Württemberg kann es nur im Sinne einer schlagkräftigen Arbeit des Bundesrates sein, wenn nun beide Funktionen gebündelt werden.
Minister Peter Friedrich betonte die wichtige Funktion der Europakammer: „Wir haben in diesem Jahr bereits mehrfach als Europakammer, zum Beispiel bei Euro-Maßnahmen Beschlüsse gefasst.“ Das Europakammerverfahren wird in Eilfällen in Angelegenheiten der Europäischen Union eingesetzt, wenn nicht genügend Zeit ist, die nächste reguläre Bundesratssitzung abzuwarten. „Zum Beispiel bei den Festlegungen zum Fiskalvertrag oder zu den Spanien-Hilfen war es wichtig, dass sich der Bundesrat noch vor den Entscheidungen der Bundesregierung äußern kann“, so Friedrich. Das Europakammerverfahren sei ein wichtiges Instrument für die nationalen Parlamente, um ihre Kontrollrechte auszuüben, ergänzte der Minister.