Die Bühne steht und nimmt von Tag zu Tag konkretere Formen an. Die Beleuchtungstürme sind installiert und harren der Scheinwerfer, die in Kürze das Geschehen auf den Brettern, die die Welt bedeuten, ins rechte Licht rücken werden. Nach und nach findet sich die bunte Festspiel-Familie in Zwingenberg und seinem Schloss ein, bereit ihr Bestes zu geben, um die vom 3. bis 12. August stattfindenden Spektakel vor romantischer Kulisse wieder zu einem Höhepunkt im alljährlichen Kulturbetrieb der Region werden zu lassen.
Während die Bühne im Schlosshof unter der Woche tagsüber den Solisten für ihre Proben gehört, schlägt an Wochenenden und an den Abenden die Stunde des Festspielchors. Rund sechzig Sängerinnen und Sänger aus Eberbach, Mosbach, Buchen, Waldbrunn, Hirschhorn, Heidelberg und dem Heilbronner Raum finden sich dann am lauschigen Ort hoch über dem Neckar ein, um sich von den jeweiligen Regisseuren für ihre Aufgabe in Oper und Operette instruieren zu lassen.
Kristina Gerhard führt heuer zum ersten Mal Regie in Zwingenberg. Ihre Aufgabe ist es, in der aktuellen Saison Franz Lehárs Operette „Die lustige Witwe“ in Szene zu setzen. „Ich will nicht die Operette neu erfinden“, stellt die junge Münchnerin gleich zu Beginn der ersten szenischen Chorprobe klar, „ich will ihre Geschichte amüsant erzählen“. 1905 uraufgeführt, schuf Komponist Lehár seinerzeit ein Werk, dessen Szenario über 100 Jahre später von atemberaubender Aktualität ist: Die Existenz des Staates „Pontevedro“ ist bedroht, der Staatsbankrott kaum mehr abzuwenden. Die Verheiratung eines Pontevedriners mit der milliardenschweren Witwe Hannah Glawari könnte das ändern. Natürlich wird das ernste Thema mit großer Leichtigkeit angegangen. Dabei will die Regisseurin keine Operettenklischees auf die Bühne stellen, wie sie beteuert, und wenn doch, dann nur, „um mit ihnen zu spielen“. Die Figuren sollen mit prallem Leben gefüllt werden, was sich für die Damen und Herren des Chors recht spannend anlässt, denn: „Alle Pontevedriner gehen fremd, man feiert Partys ohne Ende – kurz vor dem Absturz lässt man es nochmal so richtig krachen.“ Bühnenbildnerin Alexa Klett stellt den geplanten Background für das heitere Spiel vor: Fächer werden es beherrschen – in den Händen der Damen, als Bühnendeko, als Raumteiler, Paravents.
Dann geht es für den Chor zur Sache: die Damen dürfen sich aus den mitwirkenden Herren einen Operettenpartner auswählen, um ihn in einer ersten Walzerchoreographie nach allen Regeln der Kunst anzuschmachten…
Szenenwechsel. Rund dreißig Männer proben an einem lauen Abend den weltberühmten „Gefangenenchor“ aus Beethovens großer Freiheitsoper „Fidelio“. Während Professor Klaus Eisenmann den Chorgesang am Klavier begleitet, lässt Regisseur Thorsten Donath seine Mannen aus dem Kerker des „Marstalls“ zum Frischlufttanken auf der Schlossbühne aufmarschieren. Dabei will er die Geschichte von „Fidelio“ so erzählen wie sie ist, ohne „Verdrehungen“. Er will „Florestan“ lebendig werden lassen, den politischen Gefangenen, der unrechtmäßig eingesperrt ist und letztlich von seiner heldenhaften Frau vor dem Tod gerettet wird. Wobei Donath, wie er sagt, durchaus die Assoziation zu den Gefangenenlagern der heutigen Welt sucht. „Oh welche Lust, in freier Luft den Atem leicht zu heben…“ singen die Männer des Chors. Wie wunderschön das klingt an diesem lauen Sommerabend.
Info: Karten sind bei den Tourist-Infos in Eberbach und Mosbach erhältlich, telefonisch unter 06263-771 oder im Internet unter www.schlossfestspiele-zwingenberg.de