Pflanzen bilden während ihrer Lebensdauer Blätter und seitliche Wurzeln heraus. Die Gemeinsamkeit dieser zwei Arten von Organen besteht darin, dass ihre Entwicklung durch kleine regulatorische RNA‐Moleküle, die trans‐acting short interfering RNAs (ta‐siRNAs) genannt werden, feinabgestimmt wird.
Die Wissenschaftler Dr. Alexis Maizel und Virginie Jouannet vom Centre for Organismal Studies der Universität Heidelberg konnten zeigen, wo und wie innerhalb der Pflanzenzelle diese ta‐siRNAs gebildet werden. Ihnen ist es gelungen, Hotspots für die Biogenese dieser speziellen RNA‐Moleküle zu identifizieren. Die Ergebnisse ihrer Studie wurden im „EMBO Journal“ veröffentlicht.
Die Bildung von Pflanzenorganen ist gekoppelt an Proteine, die es Zellen erlauben, sich zu teilen und neue Formen und Charakteristika anzunehmen. Der unmittelbare Weg zur Proteinproduktion beginnt, wenn Gene aktiviert und in Botenstoff‐RNAs transkribiert werden. Diese Botenstoff‐RNAs werden dann in Proteine übersetzt. Die Zellen passen jedoch oft das Vorkommen von Proteinen an, indem sie für die Feinabstimmung der Proteinpopulation kurz eingreifende RNAs produzieren: Diese sogenannten short interfering RNAs (siRNAS) – zu denen die trans‐acting short interfering RNAs gehören – sind kleine regulatorische Moleküle, die sich an die Botenstoff‐RNAs andocken und bei ihnen bewirken, dass sie abgebaut werden, bevor sie für die Proteinproduktion benutzt werden können. Forscher haben bereits herausgefunden, dass ta‐siRNAs die Bildung von Blättern und das Wachstum von seitlichen Wurzeln feinabstimmen, indem sie die Produktion bestimmter Proteine blockieren. Wo genau in der Pflanzenzelle die ta‐siRNAs gebildet werden, war jedoch bislang unbekannt.
Die ta‐siRNAs werden aus längeren RNA‐Molekülen geschaffen, die durch einen Komplex anderer Moleküle ver‐kürzt werden. Eine wesentliche Komponente dieser Kürzungsvorrichtung ist ein Protein namens AGO7. Die Heidel‐berger Wissenschaftler haben nun entdeckt, dass sich AGO7 in punktartigen Strukturen (foci) ansammelt. Bei diesen foci handelt es sich um die siRNA‐Körper, die sich im Zellplasma der Zelle befinden. Dabei enthalten diese siRNA‐Körper neben AGO7 alle anderen Enzyme, die erforderlich sind für die Erzeugung von ta‐siRNAs. „Daher sind diese foci Hotspots für die Bildung der siRNAs, also kleiner regulatorischer RNA‐Moleküle“, erklärt Virginie Jouan‐net, Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Dr. Maizel. Zusätzlich konnten die Forscher zeigen, dass AGO7 nicht mehr seine Funktionen erfüllt, wenn es von den siRNA‐Körpern abgelöst wird, was zu Problemen in der Entwick‐lung der Pflanze führt.
Die beiden Forscher haben zwei weitere wichtige Beobachtungen gemacht. Danach sind die siRNA‐Körper eng mit dem Netzwerk von Membranen verbunden, die die Zelle benutzt, um Proteine zu transportieren und abzusondern. „Außerdem beherbergen diese punktartigen Strukturen interessanterweise auch Viren, und Pflanzen verteidigen sich mit siRNAs gegen Viren“, erläutert Dr. Maizel. „Diese Ergebnisse verweisen zum einen auf eine bisher unbekannte Rolle von Membranen bei der Biogenese von RNA und deuten zum anderen darauf hin, dass die Bildung von siRNA nur in bestimmten Orten in der Zelle stattfinden kann.“
Dr. Maizel leitet eine unabhängige Forschungsgruppe am Centre for Organismal Studies der Universität Heidelberg und ist Mitglied im Exzellenzcluster CellNetworks der Ruperto Carola. Die Forschungsarbeiten wurden zusammen mit Wissenschaftlern des Institut des Sciences du Végétal am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) in Gif‐sur‐Yvette sowie des Institut Jean‐Pierre Bourgin am Institut National de la Recherche Agronomique (INRA) in Versailles (Frankreich) durchgeführt.
Informationen im Internet können unter www.cos.uni-heidelberg.de/index.php/independent/a.maizel?l=_e abgerufen werden.
Originalpublikation: V. Jouannet, A.B. Moreno, T. Elmayan, H. Vaucheret, M.D. Crespi & A. Maizel: Cytoplasmic Arabidopsis AGO7 accu‐mulates in membrane‐associated siRNA bodies and is required for ta‐siRNA biogenesis, The EMBO Journal, 10 February 2012, doi:10.1038/emboj.2012.20