Speyer (lk). Die Kirche leistet nach Auffassung des pfälzischen Kirchenpräsidenten Christian Schad im säkularen Staat einen entscheidenden Beitrag zur Bildung eines gesellschaftlichen Grundkonsenses. So entwickele sich eine Kultur der Barmherzigkeit und der Solidarität aus der Mitte des Evangeliums, sagte Schad bei einer Podiumsdiskussion der Evangelischen Akademie der Pfalz am vergangenen Donnerstag im Historischen Ratssaal in Speyer. Unter dem Thema „Wie viel Kirche braucht der Staat?“ diskutierten unter anderem der ehemalige Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde und der Speyrer Bischof Karl-Heinz Wiesemann.
Die Kirche vermittle als öffentliche Institution aus dem Zentrum ihres Glaubens heraus Grundorientierungen, „die helfen, Demokratie und Pluralismus überhaupt erst mit Leben zu erfüllen“, sagte Schad. So bewahre die christliche Unterscheidung von Gott und Mensch vor menschlichen Allmachtsphantasien und mache „widerständig gegen politischen Totalitarismus“.
Die Rede von Sünde, Schuld und Vergebung mache die eigene Fehlbarkeit bewusst und gehöre zu den wichtigsten Grundlagen eines zivilgesellschaftlichen Diskurses, „der mehr sein will als ein Schlagabtausch von Einzelinteressen“. Die Gewissheit von der Vergebung der eigenen und fremden Schuld ermögliche es, Differenzen auf ihren sachlichen Kern zurückzuführen und wechselseitige Annahme und Lernbereitschaft zu fördern. Als markante kirchliche Beiträge zur Versöhnung nannte der Kirchenpräsident die Aussöhnung mit Polen und die friedliche Revolution in der DDR.
Auch im Blick auf die Herausforderungen der modernen Gesellschaft im Umgang mit Pluralität und Differenz kann nach Auffassung Schads die Kirche Vorbild sein. Christen könnten das Ethos aktiver Toleranz, eine Toleranz aus Glauben, einbringen. „Überzeugte, wache, anspruchsvolle Toleranz setzt voraus, dass Menschen zu dem stehen, was sie im Innersten bindet – und deshalb auch mit dem achtungsvoll umgehen, was Anderen wichtig ist“, sagte Schad. Die Verwurzelung im christlichen Glauben und die Befähigung zur Toleranz anderen Religionen gegenüber bedingten einander und bildeten die Basis für ein friedliches Miteinander in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft.
An der Veranstaltung der Evangelischen Akademie aus Anlass des Salierjahres 2011 nahmen auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Volker Wissing und der Speyerer Oberbürgermeister Hansjörg Eger teil. „Mit ihrer Neubestimmung des Verhältnisses von weltlicher und geistlicher Macht haben die Salier Geschichte gemacht“, erklärte Akademiedirektor Christoph Picker. Bis heute bestimmten die Weichenstellungen des 11. und 12. Jahrhunderts das Verhältnis von Religion und Politik, von Staat und Kirche. Vom Bußgang Heinrichs IV. nach Canossa ziehe sich eine historische Linie bis hin zum
Kulturkampf und zu den Debatten um die verfassungsrechtliche Stellung der Kirchen in der Gegenwart.
26. August 2011
EVANGELISCHE KIRCHE DER PFALZ (Protestantische Landeskirche)
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