Frankfurt am Main – Das Museum für Moderne Kunst wird im Juni 25 Jahre alt. Es ist eines der jüngsten und zugleich auch international renommiertesten Museen der Stadt. Sein Jubiläum feiert das Haus, dessen Stammsitz das von den Frankfurtern liebevoll bezeichnete „Tortenstück“ ist, am 25. Juni 2016.
Ob in der Eingangshalle die großformatigen Porträts von Thomas Ruff hängen, die Aktdarstellungen von Lucian Freud, oder ob eine Leinwand von Frederic Forsythe die Besucher selbst erfasst und ihre Bewegungen zum Tanzen bringt – das Betreten des Museums für Moderne Kunst ist stets eindrucksvoll.
„Das liegt an der ungewöhnlichen Architektur des Hauses, aber auch an den herausragenden Werken, die dort präsentiert werden. Die meisten von ihnen zählen zur hauseigenen Sammlung, die heute mehr als 5.000 Werke umfasst, in den Schwerpunkten Pop-Art, Minimalismus und Konzeptkunst“,
sagt Oberbürgermeister Peter Feldmann.
„Wir können die Kunstgeschichte von den 1960er Jahren bis 2016 abbilden und die Bezüge zwischen ihnen zeigen“,
betont Susanne Gaensheimer, die seit 2009 Direktorin des Hauses ist, das jetzt sein 25-jähriges Bestehen feiert.
Vorausschauen statt zurück
Während ein Museum in der Regel die Vergangenheit erlebbar macht, blickt Gaensheimer aber selbst an so einem besonderen Geburtstag nicht gerne zurück, sondern lieber nach vorne. Denn anders als andere Museen der Moderne ist das MMK explizit als Museum für Gegenwartskunst gegründet. Seine Aufgabe war es von Anfang an, die aktuelle Kunstentwicklung abzubilden, ihre Künstler zu präsentieren und zu sammeln.
„Unsere Perspektive ist die Gegenwart, wir müssen immer am Puls der Zeit sein und Künstler auch langfristig beobachten, um ein sicheres Urteil über ihre Werke zu fällen.“
Institution ohne Ankaufsetat
Daraus ergibt sich eine weitere Besonderheit des Hauses: Die enge Zusammenarbeit mit den Malern und Konzeptkünstlern, die zum Teil bereits beginnt, wenn diese noch an der Städelschule studieren.
„Wir erfahren eine enorme Unterstützung von den Künstlern. So manches Werk oder eine Werkgruppe bekommen wir zu besseren Konditionen, weshalb wir überhaupt in der Lage waren, eine so qualitätsvolle Sammlung aufzubauen“,
betont Gaensheimer. Denn von Anfang an habe das Haus ohne Ankaufsetat zurechtkommen müssen – eine ungewöhnliche Situation für ein Museum.
Die Künstler stehen auch zum Jubiläum im Mittelpunkt, das am 25. Juni mit besonderen Führungen und Gesprächen gefeiert wird. An den Wänden werden dann vor allem Neuerwerbungen und Schenkungen der jüngsten Zeit präsentiert.
„Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Werkgruppen, die für das Museum und in enger Zusammenarbeit mit den Künstlern entstanden sind“,
betont Gaensheimer. Einige Vertreter wie Thomas Bayrle und Carsten Fock werden an dem Tag persönlich vor Ort sein.
Kraushar-Nachlass bildet Basis
„Auch wenn das MMK jetzt seinen 25. Geburtstag feiert, die Geschichte des Museums begann bereits zehn Jahre früher. Damals entschloss sich die Stadt Frankfurt, für die heute spärlich erscheinende Summe von fünf Millionen Mark den Nachlass des Kunstsammlers Leon Kraushar mit amerikanischer Pop-Art der 1960er Jahre anzukaufen“,
berichtet Feldmann.
Der Wella-Fabrikant Karl Ströher hatte den Nachlass 1967 erworben und als Dauerleihgabe an das Hessische Landesmuseum in Darmstadt gegeben. Nach seinem Tod stand die Kraushar-Sammlung zum Verkauf. 87 der Werke der Pop-Art und der Minimal Art aber auch deutscher Künstler, darunter Gemälde von Andy Warhol, Robert Rauschenberg, Jasper Jones, Roy Lichtenstein, Francis Bacon, Gerhard Richter und Skulpturen von Claes Oldenburg, bildeten schließlich den Grundstock für ein künftiges Museum.
Theater- und Kunstkritiker pflanzte die Idee
„Dieses entstand zunächst in den Köpfen der Stadtpolitiker. Die Idee dazu pflanzte ihnen Peter Iden, einflussreicher Theater- und Kunstkritiker bei der Frankfurter Rundschau und Gründungsdirektor des neuen Hauses, ein. Er plädierte zunächst auch dafür, ein Museum für moderne Kunst mit einem für moderne Architektur unter einem Dach zu vereinen“,
so Feldmann weiter.
So schlug der damalige Kulturdezernent Hilmar Hoffmann mit der Vorlage M24 vom 19. Januar 1979 dem Magistrat vor, „in der Gründerzeitvilla am Schaumainkai 70 das neu zu gründende Museum für Moderne Kunst und das neue Deutsche Architekturmuseum zusammenzudenken“, wie sich Hoffmann in seinem Buch über das Frankfurter Museumsufer erinnert. Doch schnell wurde klar, dass eine Ausstellungsfläche von nur 2.200 Quadratmetern für zwei Museen nicht ausreichen würde. Man entschied sich, das spitzwinklige Grundstück an der Berliner Straße für einen Neubau zu nutzen. Den internationalen Architekturwettbewerb gewann der Wiener Star-Architekt Hans Hollein. Peter Iden erarbeitete das Raumprogramm des Museums. Das Parlament habe die Bauvorlage an einem Donnerstag beschlossen, erinnert sich Hoffmann. Baudezernent Hans-Erhard Haverkampf ließ „bereits am Freitagmorgen um 6.00 Uhr die Bagger rollen und zum höheren Ruhme der Künste das Erdreich aufpflügen“.
Werke speziell fürs Tortenstück geschaffen
Hans Hollein schuf auf dem dreieckigen Grundstück ein postmodernes dreistöckiges Gebäude, das von den Frankfurtern liebevoll „Tortenstück“ genannt wird. Im Zentrum der raffiniert verschachtelten Architektur steht die von oben belichtete Halle. Von dort aus ergeben sich immer wieder neue Blickachsen und Blickwinkel, denn jeder weitere der knapp vierzig Räume hat bedingt durch die Form des Grundrisses andere Proportionen, so dass häufig Wechselwirkungen mit der gezeigten Kunst entstehen. Für die noch vor der Eröffnung von Peter Iden angekaufte Beuys-Installation „Blitzschlag mit Lichtschein auf Hirsch“ schuf Hollein zum Beispiel einen sich über zwei Geschosse erstreckenden Raum mit einem senkrechten Lichtband. Andere Kunstwerke wurden speziell für die Räume entwickelt, etwa Peter Fischlis und David Weiss‘ Installation „Raum unter der Treppe“ von 1993.
Jedes halbe Jahr ein Szenenwechsel
Noch bevor das Museum mit seiner Ausstellungsfläche von 4.300 Quadratmetern eröffnet werden konnte, zog sich Iden zurück. Der Schweizer Kunsthistoriker Jean-Christophe Ammann von der Kunsthalle Basel eröffnete das Haus am 6. Juni 1991 und erfand als neue Ausstellungsform den schon damals mehrheitlich von privaten Unternehmen finanzierten „Szenenwechsel“. Dabei ließ er den Bestand halbjährlich umhängen und setzte ihn mit Neuzugängen und Leihgaben in Dialog. Er prägte den Begriff der Brücken, die die Werke aus den 1960er und 1970er Jahren mit der aktuellen Kunst verbinden sollten.
„Schon nach Ammanns ersten erfolgreichen ‚Szenenwechseln‘ galt das Museum für Moderne Kunst als eine der schillerndsten Kunstinstitutionen der Republik“,
schreibt Hoffmann.
Lücken gezielt gefüllt
2002 übernahm Udo Kittelmann das Haus, erwarb vier Jahre später gemeinsam mit dem Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz und dem Kunstmuseum St. Gallen die Sammlung des früheren Kölner Galeristen Rolf Ricke mit bedeutenden Werken von Richard Serra, Keith Sonnier oder Carl Ostendarp und füllte damit im Bestand Lücken der 1970er und 1980er Jahre. Susanne Gaensheimer erweiterte die Sammlung, deren Schwerpunkt auf amerikanischer und europäischer Kunst lag, um Werke aus nicht westlichen Ländern und anderen Kontinenten. So zeigte sie etwa mit der Ausstellung „Die Göttliche Komödie“ mehr als 50 Gegenwartskünstler aus Afrika.
„Wir haben Lücken gezielt gefüllt. Bei einem kleinen Budget muss man äußert präzise auswählen“,
stellt die Direktorin fest. Sie machte das Museum endgültig zur Marke und schärfte auch das Profil der 2007 eröffneten Dependance im ehemaligen Hauptzollamt, dem jetzigen MMK 3, die heute weniger bekannte aktuelle und auch internationale Kunst ebenso präsentiert wie die Absolventen der Städelschule.
Das MMK soll weiter wachsen
„Susanne Gaensheimer baute zudem die Partnerschaft mit privaten Unterstützern und Unternehmen aus, die von Anfang an den Ausbau der Sammlung ermöglichten. Dank ihr verfügt das Museum seit Oktober 2014 sogar über weitere 2.000 Quadratmeter Fläche im MMK 2 im TaunusTurm, die die dortigen Immobilienentwickler für 15 Jahre miet- und nebenkostenfrei zur Verfügung stellten“,
betont der Oberbürgermeister.
„Dadurch haben wir mehr Platz, um die Vielfalt unserer Sammlung zu zeigen. Sie ist mittlerweile so groß geworden, dass wir immer nur einen Bruchteil ausstellen können“,
sagt Gaensheimer. Das Haus müsse langfristig weiter wachsen.
„Unsere Bedeutung in Deutschland und international ist erheblich größer als unser Haus und seine auch personellen Ressourcen es eigentlich erlauben“,
erläutert sie und blickt weiter nach vorne, in die Zukunft des Museums. Die Vermittlung der Kunst werde immer wichtiger.
„Wir sind das Museum mit den meisten kostenlosen öffentlichen Führungen in der Stadt.“
Bereits zum 20. Geburtstag hat das MMK seine Sammlung digitalisiert und will auch künftig seine Online-Angebote ausbauen.
„Es geht darum, über Medien und die virtuelle Welt eine reale Erfahrung herzustellen. Die digitalen Angebote bringen auch mehr Besucher ins Museum. Wir müssen in beiden Bereichen aktiv sein.“
Das Museum werde künftig ein noch lebendigerer Ort sein, prophezeit Susanne Gaensheimer. Ein Ort mit Kunstwerken, die den Betrachter mit einbeziehen, sei es intellektuell durch politische Statements wie bei Kader Attia oder sogar körperlich wie bei William Forsythe. Lebendig wird es im Hause garantiert auch zur Geburtstagsfeier im Juni, wenn die Künstler selbst zu Wort kommen.