Otterstadt – Den Bewohnern von Otterstadt, die sich gegen einen Zielabweichungsbescheid der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (SGD Süd) gewandt haben, fehlt die erforderliche Klagebefugnis, so dass ihre Klagen unzulässig sind. Dies hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt a.d. Weinstraße in einem heute verkündeten Urteil entschieden.
Die Beigeladenen, eine GmbH, die Kohlenwasserstoffe erkundet und fördert, beabsichtigt nordwestlich der Gemeinde Otterstadt und südlich der Gemeinde Waldsee zwischen der L 534 im Westen und der L 535 im Osten eine Explorationsbohrung zum Auffinden von Kohlenwasserstoffen vorzunehmen. Das betreffende Gelände liegt nach dem Einheitlichen Regionalplan (ERP) Rhein-Neckar in einem Vorranggebiet für die Landwirtschaft und in einer Grünzäsur, die als regionalplanerische Ziele beachtlich sind, und in ca. 500 m Entfernung zur nächsten Wohnbebauung.
Im November 2014 beantragte die Beigeladene bei der SGD Süd für die Errichtung eines Bohrplatzes und die Durchführung der Explorationsbohrung Otterstadt 1 die Zulassung einer Zielabweichung von den raumordnerischen Zielen „Vorranggebiet für die Landwirtschaft“ und „Grünzäsur“ des EPR Rhein-Neckar. Das Vorhaben wird u.a. wie folgt beschrieben: Für die im ersten Schritt durchzuführende Explorationsbohrung werde ein Bohrplatz mit einer Größe von 1,0 ha errichtet. Der innere Bereich des Bohrplatzes erhalte eine wasserundurchlässige Tragschicht. Nach der Errichtung des Bohrplatzes werde die Explorationsbohrung durchgeführt. Bei Nichtfündigkeit werde der komplette Bohrplatz zurückgebaut. Bei wirtschaftlicher Fündigkeit werde die temporäre Bohrlokation zum dauerhaften Förderplatz umgerüstet. In Abhängigkeit vom weiteren Entwicklungskonzept für die Förderung könne dabei eine Erweiterung des Bohr- und Betriebsplatzes bis zu einer Größe der für die Zielabweichung beantragten Fläche von 1,5 ha notwendig werden.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2015 ließ die SGD Süd eine Zielabweichung von den raumordnerischen Zielen „Vorranggebiet für die Landwirtschaft“ und „Grünzäsur“ für die Bohrplatzerrichtung und Durchführung der Explorationsbohrung Otterstadt 1 zu. Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein, den die SGD Süd mit Widerspruchsbescheiden vom 19. Mai 2015 als unzulässig zurückwies.
Die Kläger haben im Juni 2015 Klage erhoben und zur Begründung u.a. geltend gemacht, sie seien durch die angefochtene Entscheidung in eigenen subjektiven Rechten verletzt. Bei einer Realisierung der beabsichtigten Zielabweichung sei mit ganz erheblichen negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung von Otterstadt und Waldsee und damit das Schutzgut Mensch zu rechnen. Ebenso sei das Schutzgut Natur betroffen. Die Klage sei auch wegen fehlender Umweltverträglichkeitsprüfung begründet.
Die 3. Kammer des Gerichts hat die Klage heute mit folgender Begründung abgewiesen: Die Kläger seien nicht klagebefugt. Da sie nicht Adressaten des von ihnen angefochtenen Bescheids seien, komme es darauf an, ob sie sich für ihre Begehren auf eine öffentlich-rechtliche Norm stützen könnten, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm sie als Dritte schütze. Die Klagebefugnis fehle, wenn eine der aufgezeigten Voraussetzungen offensichtlich und eindeutig nicht gegeben sei. Dies sei hier der Fall. Nicht der Zielabweichungsbescheid vom 30. Januar 2015, sondern erst auf der Grundlage des Bundesberggesetzes ergangene Bescheide gestatteten der Beigeladenen die Aufsuchung von Bodenschätzen und könnten geeignet sein, Rechte Dritter zu verletzen.
Die Annahme der Kläger, dass mit der ausgesprochenen Zulassung der Zielabweichung unmittelbar die geplante Explorationsbohrung ohne Berücksichtigung privater Belange betroffener Bürger praktisch durchgeführt werden könne, treffe nicht zu. Vielmehr sei mit der ausgesprochenen Zielabweichung nur und ausschließlich zugelassen, dass in Abweichung von den raumordnerischen Zielen „Vorranggebiet für die Landwirtschaft“ und „Grünzäsur“ die Bohrplatzeinrichtung und die Durchführung der Explorationsbohrung Otterstadt 1 zulässig sei. Jegliche weiteren notwendigen Genehmigungen und Zulassungen unterfielen den einschlägigen Bestimmungen des Bundesberggesetzes und seien von der zuständigen Behörde zu prüfen und gegebenenfalls zu erteilen.
Vorliegend gehe es noch nicht um die Zulassung des Aufsuchens von Kohlenwasserstoffen und deren Gewinnung aufgrund bergrechtlicher Regelungen, sondern ausschließlich um die Zulassung einer Bohrplatzerrichtung und Durchführung der Explorationsbohrung Otterstadt 1 aus raumordnerischen Gründen. Der Zielabweichungsbescheid ersetze keine nach anderen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere nach dem Bundesberggesetz, erforderlichen Genehmigungen. Dem Zielabweichungsbescheid komme keine entsprechende Konzentrationswirkung zu. Das Zielabweichungsverfahren sei hier dem bergrechtlichen Verfahren lediglich aus raumordnerischen Gründen vorgelagert. Vor diesem Hintergrund habe die Entscheidung über die Zielabweichung keine unmittelbaren Folgen gegenüber den „privaten Belangen der betroffenen Bürger“, wie dies von den Klägern vorgetragen werde.
Die Kläger könnten sich auch weder auf die Verletzung eines ihnen zustehenden Beteiligungsrechtes im Zielabweichungsverfahren noch auf die Verletzung von sie als Dritte schützenden Zielen des ERP Rhein-Neckar 2014 berufen. Die Antragsbefugnis folge schließlich auch nicht aus den Vorschriften des Umweltrechtsbehelfsgesetzes.
Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Berufung zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt werden.
Verwaltungsgericht Neustadt, Urteil vom 4. Juli 2016 – 3 K 516/15.NW –