Marburg / Frankfurt am Main / München – Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) und das Zollfahndungsamt Frankfurt am Main haben am 16.08.2016 in Marburg einen 31-jährigen deutschen Staatsangehörigen festgenommen, der dringend verdächtig ist, mit Schusswaffen und Munition illegal Handel getrieben und unter anderem die anlässlich des Amoklaufs in München am 22.07.2016 verwendete Tatwaffe und Munition geliefert zu haben.
Ausgangspunkt für die Festnahme waren Ermittlungen gegen einen 62-jährigen Buchhalter aus Nordrhein-Westfalen und einen 17-jährigen Schüler aus Hessen, die beide in Verdacht stehen, bei dem mutmaßlichen Waffenhändler aus Marburg Schusswaffen und Munition erworben zu haben. Der 62-jährige soll anlässlich eines Treffens am 04.06.2016 in Marburg von dem mutmaßlichen Waffenhändler eine Pistole und 100 Patronen im Kaliber 7,65mm im Tausch gegen eine Pistole und 97 Patronen im Kaliber 9x19mm erworben haben. Die eingetauschte Pistole nebst Munition konnte anlässlich der Durchsuchung der Wohnung des 62-jährigen im Regierungsbezirk Amsberg am 27.07.2016 aufgefunden und sichergestellt werden. Der 17-jährige Tatverdächtige soll anlässlich eines Treffens in der ersten Julihälfte 2016 in Marburg von dem mutmaßlichen Waffenhändler ein Repetiergewehr Karabiner Modell 1931 und 157 Patronen im Kaliber 7,5mm zum Preis von 1.150,00 EUR erworben haben. Beides konnte anlässlich der Durchsuchung des Zimmers des 17-jährigen in der elterlichen Wohnung in Nordhessen in der Nacht vom 02. auf den 03.08.2016 aufgefunden und sichergestellt werden. Des Weiteren wurden dort eine Pistole Walther PK 380, drei Gewehre verschiedener Kaliber, vier Revolver verschiedener Kaliber, weitere 175 Patronen verschiedener Kaliber und ca. fünf Kilogramm Schwarzpulver aufgefunden und sichergestellt.
Im Anschluss wurden umgehend die Ermittlungen zur Identifizierung des mutmaßlichen Waffenhändlers aufgenommen. Der Kontakt zwischen dem mutmaßlichen Waffenhändler und seinen beiden mutmaßlichen Kunden war über einschlägige Internetforen im „Darknet“ zustande gekommen. Die Kommunikation zur Vorbereitung der Geschäfte erfolgte unter Nutzung des Verschlüsselungsprotokolls „Bitmessage“, das einen anonymen Austausch von E-Mail-ähnlichen Nachrichten in einem Peer-to-Peer-Netzwerk ermöglicht. Im Zuge der weiteren Ermittlungen wurde mit dem mutmaßlichen Waffenhändler ein Scheingeschäft über die Lieferung einer Maschinenpistole nebst 4 Magazinen mit insgesamt 700 Patronen und einer Pistole Modell Glock 17 (3. Generation) nebst 2 Magazinen mit 100 Patronen im Kaliber 9x19mm zum Gesamtpreis von 8.000,00 EUR vereinbart. Im Zuge der Vorbereitung des Scheingeschäfts erklärte der mutmaßliche Waffenhändler, er habe die anlässlich des Amoklaufs in München am 22.07.2016 verwendete Pistole Modell Glock 17 nebst Munition an den Amokschützen geliefert. Die Schusswaffe will der mutmaßliche Waffenhändler anlässlich eines Treffens in Marburg am 20.05.2016 und 350 Patronen im Kaliber 9m19mm anlässlich eines zweiten Treffens in Marburg am 18.07.2016 an den späteren Amokschützen von München verkauft haben. Die Angaben des mutmaßlichen Waffenhändlers werden gestützt durch Erkenntnisse aus den von der Staatsanwaltschaft München I und dem Bayerischen Landeskriminalamt geführten Ermittlungen. Der mutmaßliche Waffenhändler konnte am 16.08.2016 anlässlich der geplanten Übergabe der Schusswaffen in Marburg von Kräften der Zentralen Unterstützungsgruppe Zoll (ZUZ), einer Spezialeinheit des Zollkriminalamts Köln, festgenommen und die zum Verkauf bestimmte Maschinenpistole und Pistole Modell Glock 17 nebst Munition sichergestellt werden. Weiterhin führte der mutmaßliche Waffenhändler in einem Schulterholster eine durchgeladene Pistole zur Eigensicherung bei sich. Der Beschuldigte ist vorläufig festgenommen und wird dem Haftrichter in Marburg vorgeführt.
Der Ermittlungserfolg beweist erneut, dass es im Internet keine lückenlose Anonymität und keinen vollständigen Schutz vor Strafverfolgung gibt. Dies gilt auch für das sog. „Darknet“. Insbesondere Verstöße gegen das Waffengesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Betäubungsmittelgesetz können auch bei Ersttätern mit empfindlichen Strafen geahndet werden. An dieser Tatsache vermag auch die vermeintliche Anonymität und Leichtigkeit, mit der im „Darknet“ illegale Waren und Dienstleistungen aller Art erworben werden können, nichts zu ändern. Das Bewusstsein, sich für die im Internet begangenen Straftaten uneingeschränkt strafrechtlich verantworten zu müssen, muss sich künftig noch stärker entwickeln.