Frankfurt am Main – Wer weiß schon, wie oft der „Peacemaker“ genannte Patronenrevolver der Firma Colt wirklich für Frieden gesorgt hat? Und warum eigentlich wurde ausgerechnet der Tarnjackenlook zum Hingucker in der modernen Mode? Von der Welt der Waffen scheint eine ambivalente Faszination auszugehen. Ihren Spuren in Kunst, Mode, Design und Alltagskultur folgt das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt ab dem 10. September 2016.
Kooperationspartner ist der Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“, der seinerseits im Rahmenprogramm nach gesellschaftlichen Rechtfertigungsmustern für den Gebrauch von Waffen fragt. Dabei ist der Begriff selbst schon erklärungsbedürftig – zumal in Zeiten autonom agierender Drohnen, Pistolenteilen aus dem 3D-Drucker und Cyberwar-Attacken, bei denen kein einziger Schuss fällt.
Die Ausstellung „Unter Waffen. Fire & Forget 2“ ist bis zum 26. März 2017 zu sehen. Das vom Exzellenzcluster verantwortete Rahmenprogramm aus Vorträgen, Diskussionsrunden und Filmscreenings umfasst 14 Einzeltermine, gleichmäßig verteilt über die Laufzeit der Ausstellung. Die Beteiligten sind Mitglieder des Forschungsverbundes mit Sitz an der Goethe-Universität, weitere Wissenschaftler und Künstler sowie Angehörige des Kuratorenteams. Den Auftakt bildet ein Vortrag von Klaus Günther, Professor für Rechtstheorie, Strafrecht und Strafprozessrecht an der Goethe-Universität und Co-Sprecher des Clusters. Er widmet sich am 14. September um 19 Uhr im Museum dem Thema: „Mit Waffen wehren sich Mann und Frau. Die Rechtfertigung der Selbstverteidigung“.
Wer Gewalt anwendet, erzählt fast immer eine rechtfertigende Geschichte – sei es von Ehre und Schande, Not und Unterdrückung oder Ausbeutung und Erniedrigung. Und zuweilen geht es auch um nichts Geringeres als den schicksalhaften Kampf zwischen Gut und Böse. Eine klassische Erzählung rekurriert auf die Notwehr und das Recht, sich bei einem Angriff selbst zu verteidigen. Wie aber sieht eine angemessene Reaktion aus, und wie viel Rachefeldzüge braucht es, um einmal erlittenes Unrecht endlich zu sühnen? Das Gewaltmonopol des Staates bereitet dem kräftezehrenden „Kampf aller gegen alle“, wie es der Philosoph Thomas Hobbes nannte, ein Ende. Nun schützt prinzipiell die Gemeinschaft – der „Leviathan“ (Hobbes) – den Einzelnen, der nur noch in Ausnahmefällen selbst aktiv werden darf.
Enge rechtliche Grenzen gibt es auch, wenn man jemandem zur Seite stehen will. Das Völkerrecht kennt den Begriff der Schutzverantwortung („responsibility to protect“), die eine humanitäre Intervention in Ländern mit massiven Menschenrechtsverletzungen erlaubt und auch gebietet. Ganz werden sich das Recht auf Selbstverteidigung und die Schutzverantwortung also nicht abschaffen lassen. „Aber man sollte ihren jeweiligen Rechtfertigungsnarrativen aufmerksam zuhören“, so Klaus Günther, der Aspekte dieses Themas auch in der Publikation bearbeitet, die begleitend zur Ausstellung im Distanz Verlag erscheint. Sie heißt AMMO in Anlehnung an die Kurzform von „ammunition“, dem englischen Wort für Munition.
Die Frage, wann Waffengebrauch legitim erscheint oder legal ist, zieht sich wie ein roter Faden durch die Beiträge. Dabei geht es auch um die rechtliche Definition dessen, was überhaupt eine Waffe ist, um die besondere Situation in den USA und um die Folgen, die ferngesteuerte Drohnen, das Internet und der 3D-Druck auf das staatliche Gewaltmonopol haben. Beleuchtet werden die jeweiligen Themen nicht nur aus juristischer Perspektive, sondern auch aus einem philosophischen, ethnologischen, historischen, politik-, kunst- und medienwissenschaftlichen Blickwinkel. So beschäftigen sich einige Veranstaltungen mit der Darstellung und vermeintlichen Rechtfertigung von Gewalt in Kinofilmen, wobei Waffen eine zentrale Rolle spielen, wie in dem Western „Winchester ‘73“, oder diejenigen im Mittelpunkt stehen, die besonders gut mit ihnen umgehen können, wie in dem Irak-Kriegsfilm „American Sniper“.
Die Welt der Waffen weist auch starke symbolische Bezüge auf, was ebenfalls thematisiert wird: Schwerter im frühen Mittelalter hatten die Form eines Kreuzes, rund tausend Jahre später inszenieren sich junge Jihadistinnen im Internet mit Burka und Kalaschnikow. Und auch der Zerstörung von Waffen kommt Bedeutung zu, wie beispielsweise bei der öffentlichkeitswirksamen Entsorgung syrischer Chemiewaffen auf hoher See. Bleibt noch die Alltagskleidung und ihre erstaunliche Affinität zum Kriegerischen. „Anziehend militärisch? Camouflage, Uniform und Parka in der Mode“ heißt die zweite Septemberveranstaltung des Rahmenprogramms (20.9. um 19 Uhr). Diskutanten sind: Miloš Vec, Professor für europäische Rechts- und Verfassungsgeschichte an der Universität Wien und assoziiertes Mitglied des Clusters, Ingeborg Harms, Professorin für Modetheorie und Kulturwissenschaften an der Universität der Künste Berlin, und Dr. Mahret Kupka, Kuratorin für Mode, Körper und Performatives am Museum Angewandte Kunst.
Von Oktober bis Dezember stehen noch vier weitere Veranstaltungen auf dem Programm. Im Jahr 2017 folgen bis Mitte März acht Termine. Medienpartner des Rahmenprogramms ist das Journal Frankfurt. Der Eintritt zu den Veranstaltungen des Rahmenprogramms beträgt 5 € (erm. 3,50 €); freier Eintritt für Studierende/Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Goethe-Universität und des Exzellenzclusters bei Vorlage des Universitätsausweises an der Kasse.
Offiziell eröffnet wird die Ausstellung „Unter Waffen. Fire & Forget 2“ am Freitag, 9. September 2016, um 19 Uhr.