Mainz – Abbas Khider wird der Mainzer Stadtschreiber des Jahres 2017. Khider, 1973 in Bagdad geboren und aktuell wohnhaft in Berlin, ist der 33. Träger des renommierten Literaturpreises.
Zum ersten Mal war der Mainzer Stadtschreiber-Preis im Jahre 1985 an die Schriftstellerin Gabriele Wohmann verliehen worden.
Abbas Khider kennt sich aus mit Repression, mit Flucht und Vertreibung, mit Heimatlosigkeit und Hoffnungen auf ein neues Leben. Der deutsch-irakische Schriftsteller, der von Anfang an auf Deutsch schrieb, erzählt in einer musikalischen und schlanken Sprache, so die Jury des Mainzer Stadtschreiberpreises, tragikomische, erschütternde und anrührende Geschichten von Menschen, die unter Verfolgung und Vertreibung leiden müssen. Er verleiht mit Sensibilität, Humor und Sympathie den Heimatlosen eine authentische, unüberhörbare Stimme.
Khider wuchs in Bagdads Viertel „Saddam-City“ als Sohn eines Dattelhändlers auf. Als Abiturient wurde er wegen politischer Aktivitäten gegen das Regime Saddam Husseins verhaftet und von 1993 bis 1995 inhaftiert und gefoltert. Nach seiner Flucht aus dem Irak ersuchte er im Jahr 2000 Asyl in Deutschland. Von 2005 bis 2010 studierte er in München und Potsdam Literatur und Philosophie.
Seit 2007 ist Khider deutscher Staatsbürger. In seinem Romandebüt „Der falsche Inder“ (2008) verarbeitete er seine jahrelange Odyssee als Flüchtling. 2011 folgte der Roman „Die Orangen des Präsidenten“, in dem Khider ein erschütterndes Bild des Irak zwischen Gefängnishölle und behüteter Kindheitsidylle zeichnete. Mit „Brief in die Auberginenrepublik“ (2013) entwarf Khider ein vielstimmiges Panorama arabischer Zustände und Stimmen, während er eine stationenreiche Briefbeförderung aus dem Exil in die irakische Heimat verfolgt. 2014 leitete Khider eine Schreibwerkstatt in Kairo, nachdem er schon 2011 in der ägyptischen Kapitale recherchiert hatte und sich an den Protesten gegen das Mubarak-Regime beteiligte.
2016 erschien dann sein aktueller Roman „Ohrfeige“, der abermals sofort auf große Aufmerksamkeit bei Kritik und Lesern stieß. Khider schildert mit Sinn für Melancholie und Groteske, wie eine Gruppe von Asylbewerbern Anfang der 2000er Jahre in das Räderwerk einer absurden deutschen Bürokratie gerät.
Kulturdezernentin Marianne Grosse zur Wahl Khiders: „Abbas Khider liefert gerade mit seinem viel diskutierten Buch ,Ohrfeige‘ ein gänzlich anderes Statement zu den vielfältigen Schilderungen der Flüchtlingsbewegungen, welche Europa und gerade auch Deutschland seit langem bewegen. Im diesem Falle aber aus dem Blickwinkel der Betroffenen, denen es oftmals nicht vergönnt zu sein scheint, nach unfassbaren Wegen und Mühen endlich anzukommen… Khider gibt dem Leser einen tiefen Blick in das Labyrinth der deutschen Asylbehörden und schildert die dortigen Fallstricke und Hürden mit Witz und einem gewollt rauhen Tonfall.
Der Autor liefert damit einen wichtigen, literarisch sehr aufreibenden Beitrag zur aktuellen Situation aus einer gänzlich anderen Warte und erweitert das vorherrschende Blickfeld. Wir haben einen sehr spannenden Autoren für das Stadtschreiberamt in Mainz gewinnen können.“
Abbas Khider hat zahlreiche Auszeichnungen verliehen bekommen, unter ihnen
– den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis (2010),
– den Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil (2013),
– den Nelly-Sachs-Preis der Stadt Dortmund (2013) sowie
– den Spycher Literaturpreis Leuk 2016.
Khider wird – wie seine Vorgänger Clemens Meyer, Feridun Zaimoglu und Judith Schalansky – gemeinsam mit dem ZDF eine Dokumentation nach freier Themenwahl produzieren und die – komplett sanierte – Stadtschreiberwohnung im Mainzer Gutenberg-Museum beziehen.
Die Verleihung des mit 12.500 Euro dotierten Preises findet voraussichtlich im März 2017 statt.