Pfinztal-Berghausen – Mitte Juli 2016 hat der Landesbetrieb Gewässer beim Regierungspräsidium Karlsruhe mit den Arbeiten zur Errichtung einer Fischaufstiegsanlage (FAA) am Stuhlmüllerwehr (auch bekannt als Schnellermühle) in Pfinztal-Berghausen begonnen. Regierungspräsidentin Nicolette Kressl besuchte nun (heute, 11. Oktober 2016) die Baustelle.
„Ich freue mich, dass wir eine so gute Lösung für die Verbesserung des ökologischen Zustands der Pfinz gefunden haben. Da wir zwischen der Pfinz und der vorhandenen Bebauung nur wenig Platz zur Verfügung haben, war diese Planung eine ganz besondere Herausforderung.“
Die neue Fischaufstiegsanlage verteilt den Höhenunterschied der Wasserspiegel der Pfinz vor und hinter dem Wehr auf rund 160 Meter Länge. Sie wird zum größten Teil als technische Fischaufstiegsanlage in Betonbauweise errichtet. Ein kleiner Teilbereich oberhalb des Wehres wird in naturnaher Bauweise hergestellt. Damit nicht nur Fische, sondern auch Kleinstlebewesen die Anlage passieren können, wird im gesamten Fischpass natürliches Sohlsubstrat eingebracht. „Die Gesamtkosten von 1,3 Millionen Euro sind gut angelegtes Geld“, so Regierungspräsidentin Nicolette Kressl.
Direkt unterhalb des Stuhlmüllerwehrs wurde bereits 2015 die Gewässerstruktur der Pfinz deutlich verbessert. Die Strukturvielfalt an einem Gewässer ist wichtig, um möglichst viele Arten, aber auch Lebensstadien einer Art geeignete Fortpflanzungs-, Ruhe- und Nahrungshabitate zur Verfügung zu stellen. Beide Maßnahmen sind Teil des Programmes zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie.
Hintergrundinformation:
Gemäß der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) sind alle Gewässer in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. Dies gilt auch für die im Rahmen der Pfinz-Saalbach-Korrektion (PFISAKO) stark veränderte Pfinz.
Die PFISAKO ist eine von 1934 bis 1969 umgesetzte Flußgebietskorrektion, die den Hochwasserschutz für die im Umkreis von Karlsruhe liegenden Gemeinden stark verbessern sollte. Hierfür wurde die Pfinz im Bereich zwischen Söllingen und Grötzingen eingetieft und begradigt. Die vor der Begradigung vorhandenen Wehranlagen wurden entsprechend den Anforderungen der Begradigung neu errichtet, so auch das 1969 neu errichtete Stuhlmüllerwehr.
Das zur Erzeugung von Wasserkraft genutzte, ca. 5,0 Meter hohe Stuhlmüllerwehr (auch bekannt als Schnellermühle) in Berghausen ist für die im Fluss lebenden Organismen (Fische und Kleinstlebewesen sogenannte Makrozoobenthos) nicht zu überwinden und verhindert somit den natürlichen Austausch der Gewässerfauna innerhalb der Pfinz. Der am rechten Ufer existierende Fischpass entspricht nicht mehr dem heutigen Stand der Technik und wird als funktionslos angesehen. Daher wurde für den Standort die Errichtung einer Fischaufstiegsanlage (FAA) in das Maßnahmenprogramm zur Umsetzung der EU-WRRL aufgenommen.
Die neue FAA ist nun auf der linken Seite des Wehres vorgesehen, da hierdurch die Strömung des Kraftwerksauslasses als Leitströmung für die Auffindbarkeit des Fischaufstiegs genutzt werden kann. Auf Grund der Platzverhältnisse wird die neue Anlage zum größten Teil in Ortbetonbauweise innerhalb eines Kastenprofils als technischer Fischpass errichtet. Oberhalb der Wehrachse wird ein kleiner Teilbereich in naturnaher Bauweise hergestellt. Der Fischaufstieg verteilt den Höhenunterschied der Wasserspiegel der Pfinz vor und hinter dem Wehr auf ca. 160 m Länge. Der Schlitzpass aus Beton teilt den Aufstieg durch Trennwände in einzelne Becken. In diesen Becken gibt es Bereiche, in denen die Fließgeschwindigkeit vergleichsweise gering ist. Dort können sich die Organismen ausruhen, bevor sie durch den Schlitz, in dem die Fließgeschwindigkeit deutlich höher ist, ins nächste Becken wandern. Im Bereich der Uferböschung unterhalb des Wehres wird der Schlitzpass mit begehbaren Gitterrosten abgedeckt. Diese sollen bei Hochwasser eine Verunreinigung der Anlage verhindern. Damit nicht nur Fische, sondern auch Kleinstlebewesen die Anlage passieren können, wird im gesamten Fischpass natürliches Sohlsubstrat eingebracht. Das Einlaufbauwerk ist so konzipiert, dass Fischreusen eingebracht werden können und damit eine einfache Möglichkeit zur Durchführung eines Fischmonitorings unter anderem auch für die Fischereibehörde besteht.
Direkt unterhalb des Stuhlmüllerwehrs liegt eine weitere Maßnahme des Maßnahmenprogrammes zur Umsetzung der EU-WRRL, die bereits 2015 durchgeführt wurde. Dabei handelt es sich um eine Maßnahme zur Verbesserung der Gewässerstruktur. Wichtig an einem Gewässer ist die Strukturvielfalt, um möglichst viele Arten, aber auch Lebensstadien einer Art geeignete Fortpflanzungs-, Ruhe- und Nahrungshabitate zur Verfügung zu stellen. Ausgehend von einem „Leitbild“ wird daher versucht, dem Gewässertyp entsprechende Strukturen wieder herzustellen. Als Vorlage für die hier vorgenommene Umgestaltung diente ein vergleichsweise naturbelassener Abschnitt der Pfinz zwischen Söllingen und Kleinsteinbach.
Im Rahmen der Renaturierung wurde die Uferbefestigung entfernt und unregelmäßig verteilte Biegungen, Gabelungen und Kiesbänke (Mittenbänke) geschaffen. Dabei wurden Bereiche mit variierenden Wassertiefen und Strömungsgeschwindigkeiten geschaffen und verzweigte Wurzelstümpfe und Steinunterstände eingebaut.
Mit der Renaturierung ist ein dynamisches Gewässer entstanden, dessen unterschiedliche Wasserführung das Bachbett ständig verändert und neue, kleinräumige Strukturen schafft.
Die Gesamtkosten der Maßnahme betrugen 150.000 €. Für die Maßnahme wurde in der Genehmigung ein Monitoring vorgeschrieben, welches derzeit läuft. Daher wird unter anderem bei geeigneter Witterung am Samstag den 15. Oktober eine Elektrobefischung innerhalb des Gewässerabschnittes durchgeführt.
Aus aktuellem Anlass:
Bereits im Vorfeld der Baumaßnahme zur Fischaufstiegsanlage war absehbar, dass eine Sanierung der Wehranlage in naher Zukunft notwendig sein wird. Nach den kleineren Hochwässern im Mai und Juni diesen Jahres wurden immer größer werdende Verformungen an der Wehrklappe des Stuhlmüllerwehrs festgestellt. Daraufhin wurde die ohnehin vorgesehene Bauwerksprüfung vorgezogen und nun noch während der laufenden Baumaßnahme durchgeführt. Die vorgefundenen Schäden waren unerwartet so gravierend, dass eine sofortige Stauabsenkung erforderlich wurde. Nach Einschätzung des Bauwerksprüfers hätte sonst ein Versagen der Klappe schlagartig und ohne weitere Vorankündigung erfolgen können. Die Stauabsenkung wurde daher umgehend am 20. September begonnen. Eine Reparatur der Wehrklappe ist nicht möglich; es muss ein Ersatzneubau erfolgen. Die Kosten für den Ersatzneubau werden nach derzeitiger überschlägiger Abschätzung bei rund 2 Millionen Euro liegen.