Der Selbstschutz wird ein immer stärker werdendes Thema in Deutschland. Die Übergriffe gegenüber Frauen und Männer finden beinahe jeden Tag statt. Wir werden uns mit dem Thema ausführlich beschäftigen. Denn Außenstehende haben kaum Durchblick was Selbstschutz wirklich bedeutet und was effektive Möglichkeiten des Schutzes sind.
Zu Beginn unserer Serie geht es um Pfefferspray. Schutz oder hinausgeworfenes Geld? Dieser Frage sind wir nachgegangen. Denn es liest sich so einfach: Pfefferspray kaufen und Schutz haben.
Wie sieht die Realität aus? Dass die Verkäufer im Regelfall Vieles verschweigen, wurde uns während unserer Recherchen immer deutlicher. Immer wieder lesen und hören wir, dass der Einsatz von Pfefferspray einen wirksamen Schutz gegen Angreifer bieten soll. Gerade Frauen kaufen diese Pfeffersprays in der Hoffnung sich gegen einen Angreifer besser zur Wehr setzen zu können.
Seit der Kölner Silvesternacht sind in vielen Städten die Verkaufszahlen von Pfefferspray explodiert. Verkäufer haben gigantische Gewinne gemacht. In der Zeit nach Köln gingen bei manchen Händlern in der Region bis zu 7000 Sprays in kurzer Zeit über die Ladentische.
Dies liegt auch an der Tatsache, dass Pfefferspray nicht unter das Waffengesetz fällt. Offiziell wird es als Tierabwehrspray bspw. gegen Hunde verkauft. Der Einsatz als Angriffs-Waffe ist generell verboten. In einer Notwehrsituation ist das Spray als Verteidigungsmittel erlaubt.
Wir treffen uns mit Timo Seel, 32 Jahre, Selbstschutztrainer und Realist. Er ist seit 20 Jahren im Training. Seit 10 Jahren im Bereich Selbstschutz. Er trainiert authentische Situationen. Wer zu ihm in seine Kurse kommt, muss lernen Einiges einzustecken. Er trainiert hart und nicht auf Show, sondern so wie es auf der Straße passieren kann.
Teilnehmer seiner Kurse lernen die Straßen-Variante und sind nach einiger Zeit in der Lage sich besser zu schützen. Die „Hollywood-Show“ die viele sog. Trainer anbieten um schnelles Geld zu machen und die man oft in Youtube sehen kann, ist nicht seine Sache.
Er sucht sich seine Teilnehmer sorgfältig aus. Im Training gibt es keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Man darf ihn nicht unterschätzen. Er ist kampferprobt, weiß präzise wie er vorgeht.
Mit dem Marketingbegriff „Krav Maga“ will er nicht direkt auftreten. Das ist nicht seine Art. Er bleibt unscheinbar. Nach einem Vorgespräch steht für uns fest, dass er der Richtige ist um uns in den kommenden Wochen und Monaten zum Thema zu beraten.
Redaktion: Wie dürfen wir uns dein Training vorstellen?
Timo Seel: Ich unterrichte meine eigene Kampfsport-Art FCC, Functional Combatives Concept. Das ist eine Mischung aus dem britischen Combatives und dem israelischen Selbstschutzsystem Krav Maga.
Redaktion: Du beschäftigst dich intensiv mit dem was auf unseren Straßen passiert. Seit Köln wissen wir, dass die Frauen im Fokus von arabischen und nordafrikanischen bzw. afrikanischen Tätergruppierungen stehen. Jeden Tag berichten die Medien über Angriffe oder Übergriffe die gegenüber Frauen stattgefunden haben. Es wird den Frauen empfohlen sich mit Pfefferspray zu schützen. Du hast dazu eine klare Meinung. Was bringt Pfefferspray im Hinblick auf den Selbstschutz wirklich?
Timo Seel: Pfefferspray bringt einer Frau nur dann etwas wenn sie es direkt in der Hand hält, trainiert und entsprechend vorbereitet ist. In einer Stress-Situation während eines Überfalles funktioniert das nicht mehr. Die meisten Frauen haben das Pfefferspray in der Handtasche oder der Jacke stecken und können es nicht rechtzeitig greifen. Bis das Spray herausgezogen ist, ist es zu spät.
Redaktion: Muss man die Handhabung und den Umgang mit Pfefferspray trainieren?
Timo Seel: Der Großteil der Frauen haben noch niemals mit einem solchen Pfefferspray geübt und sind untrainiert. Sie kennen sich nicht aus, welche Sprayarten es gibt. Das geht von normalen Sprays bis zu Nebelsprays. Die Frauen kennen vor allen Dingen nicht die Vor- und Nachteile eines solchen Sprays.
Generell gilt: Eine Waffe funktioniert nur wenn man diese sinnvoll einsetzen kann. Und ich bin mir sicher, dass Niemand dieses Spray in einer Überfallsituation aus der Jacke holen kann. Das funktioniert nicht.
Redaktion: Die Frauen, die so ein Pfefferspray kaufen, müssten es in Ruhe ausprobieren?
Timo Seel: Alle führenden Hersteller haben Spray-Dummys. Das ist ein Trainingsgerät. Es wird Wasser eingefüllt und die Frau kann mit dem Strahl den Umgang üben.
Redaktion: Schauen uns mal eine reale Situation an. Was bringt Pfefferspray wirklich? Szenario: Frau läuft auf der Straße. Wird angegriffen und sie hat durch Zufall das Pfefferspray bereits in der Hand. Wie hoch sind ihre Chancen bei einem geübten Angreifer?
Timo Seel: Das Erste was passiert ist: Der Angreifer sieht die Hand hochgehen. In diesem Moment kann er sich vorbereiten und schützen. Ich bin mir sicher, dass ein solches Pfefferspray einen Täter nicht stoppen wird.
Die Gefahr liegt darin, dass die meisten Übergriffe oder Angriffe geplant ausgeführt werden. Die Frau wird von dem Angriff überrascht. Hat Angst. Steht unter extrem hohem Stress. In dieser Situation das Spray schnell aus der Tasche oder Jacke holen, genau zielen und treffen … Das klappt niemals.
Redaktion: Und wenn die Frau das Spray trotz allem in der Hand hält – Per Zufall?
Timo Seel: Sie ist nicht trainiert. Sie wird das Pfefferspray im Stress der in Sekunden entsteht, niemals richtig einsetzen können. Das kann ich mir absolut nicht vorstellen. Wenn man einen solchen Einsatz mit der Waffe nicht geübt hat, fehlt das Gefühl für die Distanz und die Treffsicherheit des Strahls bzw. Nebels. Es fehlt die Routine im Umgang mit einem Gegner.
Ein Angreifer muss nur die Augen schließen und seinen Angriff weiter fortsetzen. Dann bringt das Pfefferspray in keinem Fall, den gewünschten Effekt und die Frau ist dem Täter schutzlos ausgeliefert. Da viele Frauen zusätzlich die falschen Schuhe tragen, besteht für sie nicht einmal mehr die Option der Flucht.
Redaktion: Du empfiehlst möglichst einen Kampf zu vermeiden. Wenn es funktioniert, dann sollte Frau, Mann flüchten.
Timo Seel: Das erste und wichtigste Element im Selbstschutz ist die richtige Bewegung auf der Straße. Eine geübte Wahrnehmung. Das richtige Einschätzen: Ist die Situation für mich gefährlich oder nicht? Habe ich die Option zu flüchten, dann mache ich das in jedem Fall.
Redaktion: Was rätst du nun besonders den Frauen. Pfefferspray Ja oder Nein?
Timo Seel: Nein. Präventiv vorgehen und bspw. gefährliche Orte meiden. Vorbereitet sein. Die Umgebung beobachten. Mit einem Spray sollten die Frauen erstmal trainieren, so dass auch unter Stress der Umgang klappt. Dennoch ist es längst nicht sicher ob das in einer echten Angriffs-Situation funktioniert. Ich rate vom Einsatz solcher Tools ab.
Wird man angegriffen, versetzt uns das zunächst einen Schock. Wir sind wie gelähmt. In einer Schockstarre funktionieren keine feinmotorischen Fähigkeiten mehr. Das heißt es klappt nur noch mit der Grobmotorik. Ist eine Frau oder ein Mann nicht richtig vorbereitet, dann hat Er oder Sie keine Chance.
Redaktion: Du rätst Frauen von Pfefferspray ab und zeigst in deinen Kursen und Seminaren andere Möglichkeiten des Selbstschutzes.
Timo Seel: Ich zeige nicht nur andere Möglichkeiten. Ich rate generell vom Einsatz jeglicher Waffen deren Einsatz die Frau nicht beherrscht ab. Man liest es immer wieder in den Medien, dass das Pfefferspray bei einer untrainierten Frau gegen sie selbst gerichtet wurde. Für einen geübten Angreifer ist das ein Leichtes. Die Frau wird verletzt und ist nicht mehr in der Lage sich zu wehren.
Redaktion: Gibt es Möglichkeiten sich gegen Pfefferspray zu schützen. Denn auch Täter benutzen immer mal wieder diese Sprays?
Timo Seel: Ja. Man muss lernen den Angreifer auf Distanz zu halten und vorbereitet zu sein. Kommt der Angriff überfallartig, dann ist es sehr schwierig. Entsteht der Einsatz aus der Situation heraus, habe ich natürlich Möglichkeiten die ich Teilnehmern in meinen Kursen beibringe.
Redaktion: Wir bedanken uns für das informative Gespräch
Timo Seel: Gerne
Fazit:
Wer Pfefferspray einsetzen will, sollte lernen damit umzugehen. Ungeübt besteht kaum eine realistische Chance gegen einen Angreifer.
Am Ende ist es herausgeworfenes Geld. Ein Pfefferspray falsch eingesetzt birgt zudem das Risiko, dass es gegen mich selbst eingesetzt werden kann. Bei dieser Thematik muss Frau, Mann sich immer vor Augen halten, dass eine reale Angriffs-Situation mit starkem Stress und großer Angst zu tun hat.
Wer glaubt schnell das Pfefferspray aus der Tasche fischen und richtig auf den Angreifer zielen zu können, der irrt in den meisten Fällen.
Aus diesem Grund rät der Profi:
Entweder den Umgang mit dem Pfefferspray intensiv üben oder besser die Finger wegzulassen.