Lorsch – „Mag es auch manchen schon weit weg erscheinen: Wir wollen und müssen lebendig halten, was mit den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern während der Nazi-Diktatur auch in unserer Stadt geschah. Ihre Namen, ihre Geschichten wollen wir lebendig, ihr Schicksal soll uns wachsam halten.“ Mit diesen Worten lädt Bürgermeister Christian Schönung die Bevölkerung ein, am diesjährigen Pogrom-Gedenken teilzunehmen.
Wie stets am 9. November, findet auch am nächsten Mittwoch um 18 Uhr eine Gedenkveranstaltung statt. Sie beginnt am Mahnmal für die ehemaligen Lorscherinnen und Lorscher jüdischen Glaubens in der Schulstraße /Ecke Nibelungenstraße. Neben Vertreterinnen und Vertretern der Stadt nimmt auch der Jugendrat an der Veranstaltung teil.
Schon seit einigen Jahren versucht die Lorscher Stadtverwaltung, insbesondere mit Hilfe von Thilo Figaj vom Heimat- und Kulturverein, anlässlich dieses Tages den Teilnehmenden das jüdische Lorsch näher zu bringen. Wer waren die Opfer? Wo wohnten sie? Welchen Berufen gingen sie nach? Welche Stellung hatten sie im damaligen Dorf? „Wir wollen – über der Trauer und Betroffenheit anlässlich der Nazi-Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung – einen möglichst persönlichen Bezug zu den einzelnen Personen und deren Schicksalen herstellen, die hinter den aufgelisteten Namen stehen“, heißt es deshalb von Veranstalterseite.
In den vergangenen Jahren hatte man deshalb etwa gemeinsam die Süßkindgasse, die Stiftstraße 17 oder die Orte der ersten Stolperstein-Verlegungen, ebenfalls in der Schulstraße, besucht. Am nächsten Freitag führt der Weg vom Mahnmal in die Nibelungenstraße 19, zum Gelände der ehemaligen Cigarrenfabrik Herzberger und Mainzer, später Henkes & Co. Dort wird einmal mehr Thilo Figaj die Geschichte der jüdischen Fabrikantenfamilie erzählen. Ihr Weggang aus Lorsch war nicht durch die Nationalsozialisten verursacht. Die Spur ihrer in Lorsch geborenen Tochter Lore jedoch verliert sich in der mörderischen Zeit des dritten Reiches.
„Wir haben uns in diesem Jahr für diese Geschichte entschieden“, so Gabi Dewald vom KULTour-Amt. „Uns geht es nicht nur darum, die Erinnerung an die Ermordeten und Vertriebenen aufrecht zu erhalten. Sondern auch darum, der heutigen Lorscher Bevölkerung eine Vorstellung davon zu geben, wie die aus unserer Mitte verschwundenen Jüdinnen und Juden das Gesicht und das Leben in unserer Stadt geprägt haben. Vieles im heutigen Lorsch wäre ohne die soziale, die Arbeitsleistung oder auch ohne die Investitionen der Juden nicht da. Es gilt, die Bezüge zum Heute, zu den heute hier Lebenden, zu schaffen. Je länger die Nazi-Zeit zurückliegt, desto wichtiger ist diese lebendige Verbindung in die Vergangenheit, wenn wir sie nicht vergessen wollen.“
Infobox:
Die Gedenkfeier anlässlich der Reichspogromnacht 1938 beginnt am Mittwoch, den 9. November um 18 Uhr am jüdischen Mahnmal in der Schulstraße/Ecke Nibelungenstraße.