Rhein-Neckar-Kreis – Er ist einer der wenigen Heiligen, die heute fast jeder kennt: St. Martin, dessen Fest am 11. November begangen wird. Martin, der 316 in Pannonien, im heutigen Ungarn geboren wurde, diente zunächst unter Kaiser Konstantin II., später unter Kaiser Julian in der kaiserlichen Leibgarde. Seine Faszination beruht besonders auf der Legende, vor dem Stadttor von Amiens seinen Mantel mit einem frierenden Bettler geteilt zu haben. Daraufhin soll ihm Christus im Traum erschienen sein, um ihm für den Mantel zu danken. Auch in den Gemeinden des Rhein-Neckar-Kreises beteiligen sich jedes Jahr viele Kinder an den beliebten Martinsumzügen mit „Laternelaufen“, was auf einen (spät-)mittelalterlichen Brauch zurückgeht, bei dem Jugendliche mit Fackeln von Haus zu Haus zogen und um Essbares und Holz gebeten haben.
Martin, ein vom Christentum bewegter Soldat, schlägt gegen alle Widerstände eine geistliche Laufbahn ein, wird zum Pionier des westlichen Mönchstums, zum zielstrebigen Verfechter seiner Überzeugungen gegen Kaiser und Klerus, Bischof von Tours und letztlich zum ersten Heiligen der Christenheit, der nicht als Märtyrer stirbt. Die fränkischen Könige sehen in ihm ihren Reichspatron, der hier in unserer Region, besonders bei der Missionierung des Lobdengaues, große Bedeutung genoss. Deshalb gab und gibt es auch im Rhein-Neckar-Kreis einige sehr alte, dem heiligen Martin geweihte Kirchen in Gebieten, die ihren Ursprung im Königsland haben.
So hat es etwa bei Ladenburg, dem zentralen Ort des Lobdengaus und zudem bischöflicher Stützpunkt, im untergegangenen Dorf Zeilsheim eine St.-Martins-Kirche oder -Kapelle gegeben, von St. Martin zeugt in der Stadt selbst noch das beeindruckende mittelalterliche St.-Martin-Stadttor mit seiner Reiterfigur. Ihr ganz modernes Pendant steht als Stahlskulptur, gestaltet von Künstler Andreas Helmling aus Hördt/Pfalz auf dem Kreisverkehr am Ortsaugang Richtung Schriesheim bei der Martinsschule. Mit dieser landesweit bekannten Schule für körperlich und geistig behinderte Kinder ermöglichen der Rhein-Neckar-Kreis sowie die Städte Mannheim und Heidelberg zusammen mit dem hessischen Kreis Bergstraße jungen Menschen eine bessere Chance auf einen guten Start ins Leben.
Für Landrat Stefan Dallinger regt diese Großplastik zum Nachdenken an. „St. Martins Tat steht für die Mildtätigkeit, für die Humanität, die jedem von uns eigen sein sollte“, stellt er fest. Interessant ist für ihn, dass weder der Bettler noch St. Martin über einen Ausdruck des Gesichtes verfügen und „somit wir als Betrachter uns sowohl manchmal als Bettler oder als Helfer wiederfinden können.“ Martins Haltung der tätigen Nächstenliebe könne so ein Beispiel sein, wie die Menschen in Europa mit den gegenwärtigen Herausforderungen durch die Flüchtlinge umgehen sollten, der vorbildliche Einsatz der Menschen im Rhein-Neckar-Kreis für die Schutzbedürftigen sei jedenfalls ermutigend, so der Landrat.
Auch in Edingen, Teil der Doppelgemeinde mit Neckarhausen, hat es schon um 800 eine Kirche in Wormser Besitz gegeben, für die ein Martinspatrozinium wahrscheinlich ist. Wie in der Region häufiger üblich, hat es aber hier einen Patroziniumswechsel gegeben, das 1957 errichtete neue Gotteshaus ist dem hl. Bruder Klaus von der Flüe geweiht. Jedoch trägt zu Martins Lob die Mannheimer Seelsorgeeinheit, in der die katholischen Kirchen Seckenheims, Friedrichsfelds und eben Edingen-Neckarhausen zusammengeschlossen sind, seinen Namen. Wahrscheinlich noch viel älter aber ist die heute nur noch als Ruine bestehende erste Meckesheimer St. Martinskirche, deren Gründung wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Erschließung des ganzen Gebietes durch das fränkische Königtum im 6. und 7. Jahrhundert auf noch älteren Resten erfolgt war. Ursprünglich auf das 15. Jahrhundert geht die alte katholische Kirche St. Martin zurück, die 1904 als neuromanischer Bau St. Antonius von Padua geweiht wurde und von 1962 bis 2012 als „Wilhelm-Baden-Haus“ kirchliche Begegnungsstätte war und jetzt privatisiert ist. Die 1962 erbaute moderne Kirche in der Au aber trägt hingegen wieder das alte Martinspatrozinium und gilt nach gerade abgeschlossener Renovierung als ein Musterbeispiel für energetische Sanierung im Erzbistum Freiburg. Die St. Martinskirche in Spechbach hingegen dürfte nicht so weit in die Vergangenheit zurückreichen, denn sie wurde im Mittelalter von Waibstadt aus gegründet. In der katholischen St. Juliana-Kirche in Malsch, die 1972 durch einen verheerenden Brand zerstört wurde, findet sich nach dem Wiederaufbau 1974 eine barocke Ausstattung, die aus Zeuterner St. Martinskirche stammt. Dem entsprechend steht heute auf dem Hochaltar eine beeindruckende mit Reiterfigur St. Martins bei der Mantelteilung.