Worms – Zehn Tage lang war Martin Luther in Worms. Papst Leo X. hatte im Januar 1521 den Kirchenbann über ihn verhängt. Die Reichsacht durch den römisch-deutschen König Karl V. wäre die übliche Konsequenz gewesen, um die Person Luthers zu verfolgen und seine Schriften zu verbieten. Aber die auf mehr Autonomie drängenden deutschen Fürsten rangen dem König eine Anhörung auf dem Wormser Reichstag im April 1521 ab und die Zusage von freiem Geleit.
Karl V. empfing Luther am 17. April im Wormser Bischofshof und ließ ihn fragen, ob er seine Schriften widerrufen würde. Luther hatte mit einer Disputation gerechnet und erbat ob der verlangten Ja-Nein-Entscheidung Bedenkzeit, die ihm gewährt wurde. Am folgenden Tag verweigerte er den Widerruf seiner Schriften mit Berufung auf sein Gewissen: „Wenn ich nicht mit Zeugnissen der Schrift oder mit offenbaren Vernunftgründen besiegt werde, so bleibe ich von den Schriftstellen besiegt, die ich angeführt habe, und mein Gewissen bleibt gefangen in Gottes Wort. Denn ich glaube weder dem Papst noch den Konzilien allein, weil es offenkundig ist, dass sie öfters geirrt und sich selbst widersprochen haben. Widerrufen kann und will ich nichts, weil es weder sicher noch geraten ist, etwas gegen sein Gewissen zu tun. Gott helfe mir, Amen.“ Tags drauf bestätigte der König das freie Geleit, kündigte aber an, dass er die Reichsacht aussprechen werde. Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise sorgte mit einem listigen Scheinüberfall dafür, dass Luther sicher zu Wartburg bei Eisenach gelangte.
Die Wormser Szene der Widerrufsverweigerung gilt als historischer Impuls für die Entfaltung der Gewissensfreiheit. Sie ist neben dem Thesenanschlag in Wittenberg und der Bibelübersetzung auf der Wartburg eine der drei weltweit nachhaltig wirksamen Ereignisse in Luthers Leben. Die Freie und Reichsstadt Worms war bereits vor dem Reichstag der Reformation gegenüber aufgeschlossen. Die Basis dafür bildete der alte Streit um die Stadtherrschaft zwischen Bischof und Rat. Schon 1520 wurde in der Magnuskirche evangelisch gepredigt. Seit 1527 war die Stadt mehrheitlich lutherisch. Im Augsburger Religionsfrieden von 1555 wurde beschlossen, dass in den Reichsstädten ein Nebeneinander von Katholiken und Lutheranern gewährleistet sein müsse. Das galt auch für Worms und wurde damit zum Kern einer sich multikonfessionell entwickelnden Stadt. Der Bischofshof wurde 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört. Auch der Johanniterhof, in dem Luther 1521 wohnte, existiert nicht mehr. Seit 1868 erinnert das Lutherdenkmal von Ernst Rietschel an die Szene von 1521 und die europäische Geschichte der Reformation. Die Luthersammlung in der Stadtbibliothek bewahrt mit der Ratsherrenschrift von 1524 Luthers, in der er einen Bildungsauftrag für die Gemeinden formuliert, ein UNESCO-Weltdokumentenerbe.
Seit 1996 verleiht der „Bund der Lutherstädte“ den Preis „Das unerschrockene Wort“ alle zwei Jahre. Der Preis wurde 1993 von der Stadt Worms und dem Evangelischen Dekanat Worms-Wonnegau angeregt. In der Präambel des Preisstatuts wird die zentrale Bedeutung des freien Wortes, das der Wahrheit verpflichtet ist, für ein freiheitlich demokratisches Gemeinwesen betont. Angeregt durch die Wormser Religionsgespräche des 16. Jahrhunderts, bei denen erfolglos versucht wurde, die Kirchentrennung aufzuhalten, haben Stadt, EKHN und Evangelisches Dekanat 2013 und 2016 zu „Wormser Religionsgesprächen“ eingeladen und dabei Fragen der Toleranz zwischen Religionen und Kulturen zum Thema gemacht.
Am Ende der Reformationsdekade präsentiert die Stadt Worms mit Unterstützung des Bundes einen Bildungs- und Erlebnisparcours auf der historischen Meile zwischen Bischofshof und Rathaus, der das Ereignis von 1521 interaktiv erfahrbar machen soll. Der Bischofshof und das Stadtbild um 1521 werden in einer Ausstellung vom 13. Februar bis 29. Mai 2017 in einer 3D-Animation gezeigt. Auf mehreren Stationen vom Park bis zur Stadtbibliothek geht es vom 14. Mai bis 31. Oktober 2017 um die Verhörsituation auf dem Reichstag, mögliche Gedanken Luthers während der Nacht der Bedenkzeit, die Schriften Luthers und anderer Reformatoren, die teilweise in Worms bei Schöffer gedruckt wurden sowie einen über Informationssäulen markierten Luther-Rundgang, der über QR-Codes Zugang zu Hintergrundinformationen an historischen Orten bietet. Neugestaltet wird auch die Website „Auf den Spuren der Reformation in Worms“, die auch unter www.luther-worms.de angesteuert werden kann. Dort findet man auch Angebote zu Themenrundgängen und inszenierten Führungen, die bei der Touristinformation gebucht werden können. Ein Führer zur Reformation in Worms in deutscher und englischer Sprache ist ebenfalls erhältlich. Gemeinsam mit dem Evangelischen Dekanat ist ein umfangreiches Jahresprogramm erschienen. Weitere Information sind ab 1.1.2017 unter www.worms-luther.de freigeschaltet.