Der November ist – trotz seines miesen Rufs als grauer und kalter Monat – eine Zeit der Möglichkeit des Innehaltens und des Luftholens. Die Ferienzeit ist längst vorüber und die lieben Kollegen bremsen nicht, weil sie im Urlaub und deshalb nicht erreichbar sind. Auf der anderen Seite ist die Weihnachtszeit noch fern. Die offenen Plätze der Innenstädte sind noch nicht mit unzähligen Buden zugestellt, die allerlei Plunder zum Verkauf anbieten. Man kann frei atmen; es ist Zeit zum Luftholen, bevor der unvermeidliche Weihnachtsstress beginnt.
In der Welt der geschriebenen Texte und des Lesens derselben existiert auch solch ein Luftholen. Quasi der November der Sprache. Gemeint sind: Die Leerzeichen. Die Zeichen, die eigentlich keine sind, die quasi nicht und nichts sind. Leerstellen, die Raum schaffen. Raum und Zeit zum Luftholen zwischen den Wörtern, und das auch nach dem Satzpunkt und nach dem Komma. Wer will, kann es ausprobieren: Wenn man sich beim Vorlesen keine Pausen zum Luftholen nimmt, kriegt man einen roten Kopf und gelangt schnell in Atemnot.
Leider ist die schöne Regel, nach Satzpunkt und Komma ein Leerzeichen zu setzen, aus der Mode gekommen. Im Internet fing es, wie so vieles, Anfang des Jahres an. “Das geht schneller so” und “Ist bequemer” war die Ausrede, die man zu hören bekam, ganz ähnlich die derer, die sich ausschließlich der Dauerkleinschreibe bedienen und niemals Großbuchstaben benutzen. Im Mai 2015 stieg dann auch noch die “ADAC Motorwelt”, das neben der “Apotheken Umschau” auflagenstärkste Magazin der Bundesrepublik, in diese Unsitte ein. Die Leerzeichen hinter Komma und Satzpunkt in der Ausgabe dieses Monats waren zwar nicht alle verschwunden, aber fehlten sehr häufig. Auf Anfrage von metropolnews.info nahm die Motorwelt-Redaktion dazu Stellung: “Fast alle unserer Texte sind im sogenannten »Blocksatz« gedruckt. Das Programm errechnet dabei selbstständig die Abstände und zieht diese dann entweder ein wenig auseinander oder verringert sie, damit der Text am Ende rechtsbündig abschließt. Darauf haben die Redakteure keinen Einfluss.”
Wer sich etwas mit dem Setzen von Text auskennt, weiß: Das ist Unsinn. Die Abstände lassen sich auch im Blocksatz bequem einstellen. Vermutlich haben die Macher des Layouts geschlampt und die Redakteure haben es in der Schlusskorrektur übersehen. Bei der “ADAC Motorwelt” sah man jedenfalls keinen Handlungsbedarf: “Wir befürchten, dass die Motorwelt kein wichtiger Bestandteil Ihrer Kolumne sein wird.” Von wegen!
Doch siehe da, eine wundersame Änderung: In der Juni-Ausgabe der “ADAC Motorwelt” war Schluss mit dem Gedränge, es fehlten keine Leerzeichen mehr. Und dann war sie auch wieder da: Die Zeit zum Luftholen.