Darmstadt – Oberbürgermeister Jochen Partsch hat am heutigen Sonntag (15.01.17) gemeinsam mit dem Präsidenten des SV Darmstadt 98, Rüdiger Fritsch, sowie dem Vorsitzenden des Fördervereins Liberale Synagoge, Martin Frenzel, den neuen Dr.-Karl-Heß-Platz vor dem Jonathan-HeimesStadion am Böllenfalltor eingeweiht. Damit ehrt die Stadt den ehemaligen Präsidenten (1928 bis 1933) des Sportvereins Darmstadt 98, der aufgrund seiner jüdischen Herkunft von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrängt worden war. Zuvor hatte der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt, nach Anregungen von Verein, Bürgerschaft und dem Förderverein Liberale Synagoge, im vergangenen April die Benennung des Platzes vor der Spielstätte der Lilien beschlossen.
Oberbürgermeister Jochen Partsch erklärt zu der nun erfolgten Einweihung: „Mit der Benennung des bisher namenlosen Platzes vor dem Jonathan-Heimes-Stadion am Böllenfalltor in Dr.-KarlHeß-Platz würdigen wir die Leistungen und Verdienste des ehemaligen Lilien-Präsidenten und entreißen einen von den Nazis verfolgten jüdischen Darmstädter der Vergessenheit. Dr. Karl Heß hat sich in seiner Zeit im Vorstand des SV Darmstadt 98 sowie als Mitarbeiter des Rechtsamtes bei der Wissenschaftsstadt Darmstadt große Verdienste um Darmstadt erworben. Der Magistrat dankt daher dem Verein und der Bürgerschaft für die Anregung zur Benennung. In Darmstadt hat die Erinnerung an verfolgte Bürgerinnen und Bürger eine wichtige Bedeutung für das politische Selbstverständnis unserer Stadtgesellschaft. Jede Initiative, die dies gleichfalls unterstützt, wird daher vom Magistrat aufgegriffen. Mit seinem neuen Namen erfährt das Umfeld des Stadions nun noch einmal eine identitätsstiftende Referenz“, so der Oberbürgermeister.
Karl Heß wurde am 13. Januar 1900 in Darmstadt als Sohn des jüdischen Kaufmanns Max Hess und dessen Frau Betty, geborene Ullmann, geboren. Nach dem Besuch des Realgymnasiums und Abitur 1918 studierte er Jura in Heidelberg und Gießen, wo er 1921 das erste Staatsexamen ablegte, dem 1923 die Promotion folgte. 1921 kehrte Dr. Karl Heß als Gerichtsreferendar nach Darmstadt zurück, wo er 1925 das zweite juristische Staatsexamen ablegte. Ab 1926 arbeitete er in Darmstadt als Rechtsanwalt mit Zulassung zum Oberlandesgericht. Am 18. Dezember 1929 heiratete Dr. Karl Heß in Darmstadt Frieda, geborene Ranis, die aus einer bekannten jüdischen Familie stammte. Karl Heß betrieb von Jugend an aktiv Sport und trat dem SV Darmstadt 98 bei, dessen Stellvertretender Vorsitzender er 1924 wurde. Im Jahr 1928 wurde er Erster Vorsitzender des SV Darmstadt 1898 e.V.
1933 wurde Dr. Karl Heß vom NS-Staat die Rechtsanwaltszulassung wegen seiner jüdischen Herkunft entzogen. Das Ehepaar Heß emigrierte deshalb im Mai 1933 nach Frankreich, von wo sie 1939 weiter nach Brasilien flohen. Die Familie wohnte in Rio de Janeiro, wo Dr. Heß als Jurist und Kaufmann arbeitete. Am 25. November 1940 wurde dem Ehepaar die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen. Am 6. Januar 1954 wurden die beiden durch Verfügung des RP Darmstadt wieder eingebürgert.
Außer in Kriegszeiten hielt Dr. Karl Heß stets Briefkontakt zu den Darmstädter Freunden beim SV Darmstadt 98. 1955 besuchte er Darmstadt sogar, um im Juli 1963 mit seiner Frau in seine Heimatstadt zurückzukehren. Das Paar bezog eine Wohnung in der Dieburger Straße 48. Dr. Karl Heß arbeitete fortan als juristischer Mitarbeiter beim städtischen Rechtsamt, wo er unter anderem die Verträge für die künftige Fernwärmeversorgung von Teilen der Stadt verantwortete. Am 2. Februar 1968 wurde er von Oberbürgermeister Ludwig Engel in den Ruhestand verabschiedet.
Im März 1973 kehrten Karl und Frieda Heß nach Rio de Janeiro zurück, wo sie ihren Lebensabend bei ihrem Sohn Geraldo verbrachten. Dr. Karl Heß starb am 15. April 1975 in Porto Allegre.