Mainz – Auf dem Stundenplan steht „Geschichte“ und es geht um Johannes Gutenberg, den Erfinder des modernen Buchdrucks. Die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Nackenheim blättern jedoch nicht im Geschichtsbuch, sondern begeben sich auf eine Spurensuche vor Ort. In der Innenstadt von Mainz, wo so manches an den großen Erfinder erinnert, besuchen sie etwa die Franziskanerkirche und gehen weiter zum Gutenberg-Denkmal vor dem Staatstheater. Sie sind allerdings nicht alleine unterwegs. Begleitet werden die Elftklässler von Studierenden der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), die diese Exkursion und das anschließende Seminar im Rahmen des Projekts „Lehr-Lern-Forschungslabor“ vorbereitet haben.
Die Studierenden lenken bei ihrer Stadtwanderung die Aufmerksamkeit der Schüler nicht nur auf Gutenberg und den Buchdruck im Mainz des 15. Jahrhunderts, sondern sie suchen auch nach Erinnerungen, die in der Stadt verankert sind. Was bewegte beispielsweise Menschen aus verschiedenen Regionen Europas 1837 dazu, für die Errichtung des Gutenberg-Denkmals von Thorvaldsen zu spenden? Warum versuchte die Obrigkeit im 19. Jahrhundert, die kulturellen Errungenschaften des Buchdrucks hervorzuheben, aber die Freiheitsforderungen, die mit Gutenberg verbunden wurden, einzudämmen?
„Wir möchten die Schülerinnen und Schüler mit den verschiedenen Deutungen historischer Themen konfrontieren, sodass sie hinterfragen, wie verschiedene Gruppen einer Gesellschaft um die ‚richtige‘ Erinnerung rangen und dabei Ereignisse aus der Vergangenheit selektierten oder aufluden“,
beschreibt Prof. Dr. Meike Hensel-Grobe vom Historischen Seminar der JGU die Zielsetzung des Schülerseminars. Sie leitet das Lehr-Lern-Forschungslabor in der Geschichtsdidaktik, das Theorie und Praxis in der Geschichtslehrerausbildung sinnvoll verknüpfen und am Ende auch spannende Themen in die Schule einbringen will.
Das Lehr-Lern-Forschungslabor Geschichte ist Teil des Projektes „Lehr-Lern-Forschungslabor – Ort der zukunftsorientierten Kooperation in der Lehramtsausbildung“ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, das im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert wird.
Ziel des Projekts ist es außer der besseren Verknüpfung von Theorie und Praxis auch, die Kooperation zwischen Fachdidaktik, Fachwissenschaft und Bildungswissenschaft zu intensivieren. Bei der Umsetzung des didaktischen Konzepts kommt den außerschulischen beziehungsweise außeruniversitären Lernorten eine besondere Rolle zu, weil sie eine Spurensuche nach dem Umgang mit Geschichte vor Ort ermöglichen und geschichtskulturelle Deutungen erlebbar machen. Videomitschnitte aus dem Schülerseminar ermöglichen den Studierenden zudem einen ersten forschenden Blick auf komplexe Lehr- und Lernprozesse, die unter geschichtsdidaktischen wie bildungswissenschaftlichen Fragestellungen analysiert werden. Die Lehramtsstudierenden haben damit schon während des Studiums die Möglichkeit, sich besser auf die vielfältigen Anforderungen des Lehrerberufes vorzubereiten und den Praxisbezug zu erhöhen. Das Lehr-Lern-Forschungslabor Geschichte bietet dazu Module im Bachelor- und Masterstudiengang an.