Ludwigshafen – Dass Kunst die Welt verändern kann, davon ist der international bekannte Forscher unter den zeitgenössischen Künstlern, Tomás Saraceno (geboren 1973, in San Miguel, Argentienen), überzeugt. Er studierte Kunst und Architektur an der Universidad Nacional de Buenos Aires, bevor er 2001 nach Europa kam. Weitere Stationen seiner Ausbildung waren hier die Städelschule (bei Thomas Bayrle) sowie die Università Ca’ Foscari di Venezia (bei Hans Ulrich Obrist und Olafur Eliasson). Heute lebt und arbeitet Saraceno in Berlin, wo er mit einem Team an kommenden Ausstellungsprojekten arbeitet.
Seine Arbeit versteht der 43-Jährige als stetige künstlerische Forschung, die -multidisziplinär betrieben- die Idee einer „realisierbaren Utopie“ verfolgt. Inspiriert von physikalischen und biologischen Phänomenen wie die Thermodynamik der Atmosphäre oder Netzstrukturen von Spinnen entwickelt er in Zusammenarbeit mit Biologen, Ingenieuren oder Architekten großformatige Skulpturen und Installationen, die immer wieder für Aufsehen im internationalen Kunstbetrieb sorgten. Seine Werke setzen den visionären Geist des Konstruktivismus fort, so träumten auch Kasimir Malewitsch oder El Lissitzky von fliegenden Architekturen. Als Reaktion auf globale, ökologische Themen und Probleme sind Saracenos Arbeiten als Modelle zukünftiger, nachhaltiger Lebensformen zu verstehen.
Die Ausstellung im Wilhelm-Hack-Museum präsentiert erstmals umfassend die neueste Vision von Tomás Saraceno: Aerocene, das Zeitalter der Luft. Das Projekt beinhaltet die Entwicklung verschiedenster, fliegender Skulpturen, die ohne Motor, Gas, fossile Brennstoffe oder Solarzellen, und nur durch die Kraft der Thermik um die Welt fliegen können. Am Tag erhalten die Skulpturen allein durch Sonnenwärme, in der Nacht durch die Infrarot-Strahlung der Erdoberfläche Auftrieb. Erste Testflüge hat es bereits gegeben und Piloten werden eigens hierzu ausgebildet. Auch während der Ausstellungslaufzeit wird es einen Testflug geben, der in Berlin Schönefeld startet und der via Livestream online verfolgt werden kann.
Aktuell arbeitet Tomás Saraceno mit der NASA, der französischen Raumfahrtagentur CNES und dem MIT zusammen, die mit Messgeräten die Flüge der Aerocene-Skulpturen begleiten. Als Kunstprojekt gestartet, entwickelte sich die Aerocene-Vision mit einer Gruppe von Künstlern, Designern, Wissenschaftlern und Aktivisten rasch zu einem Forum für ökologische Probleme wie die akute Umweltverschmutzung oder die Abhängigkeit von fossilen und aus kohlenwasserstoffbestehenden Treibstoffen. Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Energiekrise sucht Tomás Saraceno mit seiner Aerocene-Community so nach Lösungen für ein nachhaltiges Reisen, Leben und Forschen, damit die biologische Vielfalt der Erde auf Dauer geschützt ist. Mit der jüngsten Erfindung, dem Aerocene Explorer, einem Fesselflug-Starterkit, soll jedem Einzelnen das Fliegen ohne Treibstoff und Motor ermöglicht werden, sodass jeder sein individuelles Aerocene-Erlebnis erfahren kann. Im Museum kann ein Explorer-Kit kostenfrei ausgeliehen werden.
Neben mehreren faszinierenden Aerocene-Skulpturen zeigt die Ausstellung auch die Anfänge der Aerocene-Forschung: Das Museo Aero Solar, eine gigantische Skulptur aus gebrauchten Plastiktüten, die im Wilhelm-Hack-Museum wie eine begehbare Kathedrale der Nachhaltigkeit erscheint. Die kugelförmige Skulptur ist ebenfalls ein thermisches Flugobjekt, das allein durch Sonnenwärme Auftrieb erhält. Während der Ausstellung entsteht im Aero-Atelier ein neues Museo Aero Solar. Alle Besucherinnen und Besucher sind herzlich dazu eingeladen, benutzte Plastiktüten zu sammeln und im Museum an einer eigenen Nachhaltigkeits-Skulptur zur arbeiten.
Ergänzt wird die Präsentation durch großformatige Fotografien etwa von Freiluft-Flugaktionen, Filmausschnitten und einer weiteren Mitmachaktion: dem Cloud Lab, einem Labor, in dem ein neues Cloudy House entsteht. Das Cloudy House ist eine dreidimensionale Vision einer Lebenswelt aus einem kleinteiligen Modulsystem. Auch hier zeigt sich wie Tomás Saraceno in seinen experimentellen Arbeiten und Skulpturen Netzwerkstrukturen der Natur auf die Architektur und die konkrete Raum- sowie Stadtplanung überträgt. Im Cloud Lab können die Besucherinnen und Besucher aus weißen, vorgeschnittenen Karten kleine Cloud-Würfel bauen und somit einen neuen visionären Lebensraum mit kreieren.
Kurator: René Zechlin
Eröffnung: Freitag, 10. Februar 2017, 18 Uhr
Begrüßung: Prof. Dr. Cornelia Reifenberg; Kulturdezernentin der Stadt Ludwigshafen
Einführung und Künstlergespräch: Tomás Saraceno im Gespräch mit René Zechlin, Direktor (in Englisch)
Get together: mit Drinks, Musik von Dj Sea Moya und Start des Projekts Museo Aero Solar – Ludwigshafen baut eine fliegende Skulptur!
Weitere Informationen: www.wilhelmhack.museum
Biografie des Künstlers
Tomás Saraceno
1973 geboren in San Miguel de Tucumán, Argentina;
Education
2009 International Space Studies Program, NASA Center Ames, Silicon Valley, California, USA.
2003-2004 Postgraduate on Art and Architecture, IUAV, Venice, Italy.
2001-2003 Staatliche Hochschule für Bildende Künste, Städelschule Frankfurt am Main, Frankfurt, Germany.
1999-2000 Postgraduate on Art and Architecture, Escuela Superior de Bellas Artes de la Nación Ernesto de la Carcova, Buenos Aires, Argentina.
1992-1999 Bachelor of Architecture, UBA – Universidad Nacional de Buenos Aires, Argentina.
Selected Solo Exhibitions
2016
163,000 Light Years, MARCO, Museum for Contemporary Art, Monterrey, Mexico. Curated by Gonzalo Ortega.
Solar Bell Ensemble, Contemporary Arts Center, Cincinnati, USA.
Cloud City installation, Oklahoma Contemporary Arts Center, Campbell Art Park, USA.
2015
Becoming Aerosolar, Haus21er, Vienna, Austria. Curated by Mario Codognato.
14 Billions (Working Title), SKMU Sørlandets Kunstmuseum, Kristiansand, Norway. Curated by Else-Brit Kroneberg.
2013 bis 2016
In Orbit, K21 Ständehaus, Düsseldorf, Germany. Curated by Marion Ackermann and Susanne Meyer-Büser.
2012
Cloud City, Roof Garden Installation, Metropolitan Museum of Art, New York, USA. Curated by Anne Strauss.
2011
Cloud Cities, Hamburger Bahnhof-Museum für Gegenwart, Berlin, Germany. Curated by Britta Schmitz.
Cloud-Specific, Kemper Museum of Contemporary Art, St. Louis, USA. Curated by Meredith Malone.
Labor, K20 Grabbeplatz, Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, Germany.
2010
14 Billions (working title), Bonniers Konsthall, Stockholm, Sweden.
Tomás Saraceno, Baltic Centre for contemporary Art, Gateshead, UK.
2009
Tomás Saraceno: Lighter than air, Walker Art Center, Minneapolis, USA.
Biosphere, Statens Museum for Kunst, Copenhagen, Denmark (in the framework of the cycle «RETHINK Relations»).
Tomás Saraceno, MUDAM Musée d‘Art Moderne Grand-Duc Jean, Luxembourg (in the framework of the cycle «Habiter»).
2006 Cumulus, Barbican Art Centre, London, UK.
Selected Group Exhibitions
2016
Shanghai Biennial, Shanghai, China.
2015
The State of the Art of Architecture, Chicago Architecture Biennial, Chicago, USA.
Le Bord des Mondes, Palais de Tokyo, Paris, France.
Haus-Rucker-Co, Architekturutopie Reloaded, Haus am Waldsee, Berlin, Germany.
Wie leben? – Zukunftsbilder von Malewitsch bis Fujimoto, Ludwigshafen, Germany.
2012
We are all astronauts. Universe Richard Buckminster Fuller reflected in contemporary art, Zeppelin
2009
Fare Mondi – Making Worlds, 53rd Biennale di Venezia, Palazzo delle Esposizioni, Venezia, Italy. Curated by Daniel Birnbaum.
Liverpool Biennial 2008, Liverpool, UK.
2007
Biennale de Lyon 2007, Lyon, France.
2006
Busan Biennale, Busan, South Korea.
How to live together, 27th São Paulo Biennial, São Paulo, Brazil.
2003
Utopia Station, Dreams and Conflicts: The Dictatorship of the Viewer, Biennale Venice, Italy.
2001
Neue Welt, Kunstverein Frankfurt, Frankfurt, Germany.
Permanent Installations
2015 Cloud Cities / Air-Port-City, Domaine du Muy, Parc de sculptures contemporaines, France.
2015 Sundial for Spatial Echoes, Aker Brygge, Oslo, Norway.
2008 On clouds (Air-Port-City), Towada Arts Center, Towada, Japan.
2007 Flying Garden, EPO Munich, Germany.
Selected Awards
2010 1822-Kunstpreis
2009 Alexander Calder Prize
2003 bis 2004 Fondo Nacional de las Artes-Argentina/ IUAV Venice-Italy
2003 bis 2004 Hessische Kulturstiftung Award and Residency in Rotterdam
2003 16. Bundeswettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (1st prize)
Selected Public collections
Miami Art Museum, Miami, FL, USA
Museum für Moderne Kunst, Frankfurt, Germany
Museum of Modern Art, New York, USA
San Francisco Museum of Modern Art, San Francisco, CA, USA
Walker Art Center, Minneapolis, MN, USA
Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin, Berlin, Germany
Bonniers Konsthall, Stockholm, Sweden
The National Gallery of Denmark, Copenhagen, Denmark
Esbjerg Kunstmusem, Esbjerg, Denmark
Istanbul Modern Art Museum, Istanbul, Turkey
Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin, Germany
Boros Collection, Berlin, Germany
The Collection of Juan Vergez, Buenos Aires, Argentina
BSI Art Collection, Switzerland
Mudam Musée d‘Art Moderne Grand-Duc Jean, Luxembourg
Fondazione La Gaia, Busca, Italy
Fondazione Pierluigi e Natalina Remotti, Camogli, Italy
Fondazione Morra Greco, Naples, Italy
Fondazione Edoardo Garrone, Genoa, Italy
Lumas Foundation, Zurich, Switzerland
Reykjavik Art Museum, Reykjavik, Iceland