Deutschland / Österreich – Der Titel „Früher war mehr Rechtschreibung“ ist eine Anspielung auf Loriots Darstellung des Opa Hoppenstedt, der in einem Weihnachtssketch lakonisch feststellt: „Früher war mehr Lametta!“. War früher auch „mehr Rechtschreibung“, gab es in früheren Jahren einen sorgfältigeren Umgang mit unserer Schriftsprache?
Man muss befürchten: Ja. Mit Sicherheit feststellen lässt sich, dass die Hoch-Zeit des Alphabetismus schon lange vorüber ist. Der überwiegende Anteil der schriftlichen Kommunikation wird heutzutage mit Bildchen, Abkürzungen und mit Kurz-Sätzen in Dauerkleinschreibe durchgeführt, und zwar oftmals um den Preis der Verständlichkeit. Wer Schwierigkeiten mit diesem Gestolper hat und vorbringt, wird als „grammar nazi“ beschimpft, und das ist noch die netteste Bezeichnung.
Ein Hauch von Verbitterung durchweht Stefan Wintersteins „Früher war mehr Rechtschreibung“, ein schmales Bändchen von 150 Seiten, das in drei Teilen daherkommt (A, B und C – vielleicht eine versteckte Hommage an das Grundwerkzeug der Sprache, das Alphabet). Der Österreicher Winterstein hat es möglicherweise doppelt schwer, arbeitet er doch in einem Land, deren Bewohner den Unterschied zwischen Akkusativ und Dativ nicht kennen („Ich dusche mir“) und für die „ausrasten“ das absolute Gegenteil des ansonsten gebräuchlichen Sinns bedeuten. So möchte man während der Lektüre von „Früher war mehr Rechtschreibung“ ihm immer wieder zurufen: „Ja, so ist es! Verzage nicht, Du bist nicht allein!“. Winterstein arbeitet sich nämlich hart – und etwas redundant – an der letzten Rechtschreibreform ab. Der geneigte Leser muss schon bis zum C-Teil durchhalten, um halbwegs versöhnt wieder dem üblichen wirren Geschreibsel gewachsen zu sein, das er überall lesen muss.
Fazit: Verständlich schreiben zu können, wird zum Privileg, zur besonderen Eigenschaft des Schreibenden, dessen Texte immer weniger Leser finden.
Infobox:
Stefan Winterstein: „Früher war mehr Rechtschreibung“
Limbus Verlag Innsbruck
Euro 15,00