Speyer – Das Versöhnen und Heilen als christlichen Grundauftrag hat Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann in den Mittelpunkt seines Hirtenworts zur Fastenzeit gestellt. Die Kirche müsse vor allem „Feldlazarett für die Verwundeten dieser Welt“ sein, schreibt er mit Bezug auf Papst Franziskus. Entschlossen widerspricht er der Forderung nach einer Wende in der deutschen Erinnerungskultur: „Kann jemand groß sein, der nicht zu seiner eigenen Geschichte auch mit ihren dunklen Kapiteln steht?“ Es sei Anlass zur Sorge, wenn der Vorrang der Eigen- oder Nationalinteressen proklamiert und Angst vor Überfremdung geschürt werde.
Für Bischof Wiesemann sind Versöhnen und Heilen auch Anspruch an das Miteinander der christlichen Konfessionen: „Wie können wir ein Zeichen der Versöhnung des Heiles in der Welt sein, wenn wir untereinander nicht eins sind?“ Ökumene als der „leidenschaftliche Einsatz für die Einheit der Christen“ gehöre für ihn zum „innersten Kern des Christseins“. Er bekräftigt die Verpflichtung, der Welt nie wieder das „erbärmliche Bild einer zankenden Christenheit“ zu liefern, sondern in „versöhnter Verschiedenheit mit aller Kraft die sichtbare Einheit“ zu suchen. Das Reformationsgedenken lade dazu ein, sich gemeinsam „unter die versöhnende Kraft des Evangeliums“ zu stellen. „Wir müssen uns nicht mehr gegeneinander abgrenzen, sondern wir wissen, dass wir nur gemeinsam glaubwürdig Zeugnis für Christus ablegen können“, betont Bischof Wiesemann in seinem Hirtenwort. Er dankt der Evangelischen Kirche, dass sie die Erinnerung an 500 Jahre Reformation als Christus-Fest bewusst ökumenisch ausgerichtet hat.
Bischof Wiesemann wirbt zugleich für eine „neue ökumenische Leidenschaft“ und fordert die Gläubigen auf, die vielfältigen Möglichkeiten zur ökumenischen Begegnung wahrzunehmen. „Dabei können wir uns gegenseitig unsere persönliche ökumenische Geschichte mit allen Bereicherungen, aber auch mit unseren Verwundungen erzählen, immer in der Bereitschaft, dass wir auch selbst unsere Vorurteile und Einseitigkeiten im Dialog mit den anderen aufbrechen lassen.“ Es sei wichtig, nicht beim Ziel eines friedlichen Nebeneinanders der Konfessionen stehen zu bleiben.
Vor allem konfessionsverbindende Ehen und Familien hätten häufig eine von Verurteilungen und Ausschließungen geprägte Geschichte erfahren. „Dabei verwirklichen sie das, was Ökumene im Wortsinn bedeutet, auf besonders dichte Weise: das Zusammenwohnen in der einen Hausgemeinschaft Gottes.“ Bischof Wiesemann unterstreicht: „Ich nehme die Verpflichtung in unserem ökumenischen Leitfaden sehr ernst, mich gerade hier für Lösungen einzusetzen, die der Wirklichkeit dieser gelebten Einheit im Kleinen einer Hauskirche besser gerecht werden.“
Zugleicht lädt er in seinem Hirtenwort alle Gläubigen zur Feier des zweihundertjährigen Jubiläum der Neugründung des Bistums Speyer an Pfingsten nach Speyer ein. An den Anfang der Feier am Pfingstsonntag sei ganz bewusst eine ökumenische Vesper gestellt worden: „Wir möchten nicht ohne unsere in der konkreten Kirchengemeinschaft zwar noch von uns getrennten, durch das Band der Taufe aber schon mit uns geeinten Brüder und Schwestern im Glauben feiern und in die Zukunft gehen.“