Karlsruhe – Eine Lokalisierungstechnologie wie GPS gibt es für den Indoor-Bereich nicht. Dies macht die Ortung vor allem in Werften schwierig. Die Umgebung im Schiffbau verändert sich durch den Bauprozess stetig. Zudem erschwert die metallische Umgebung die für eine Lokalisierung notwendige drahtlose Kommunikation. Mittels des neuen Ortungssystems, welches das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und seine Partner Meyer Werft und VOMATEC Innovations im Rahmen des Projektes SchiV 3.0 entwickelt haben, können Personen sich nun auch in einer dynamischen Umgebung innerhalb einer Halle verorten.
Anders als in der Automobilindustrie mit ihren fixen Produktionsstraßen werden Schiffe im „Blockbau-Prinzip“ gefertigt. Aus kleinen Teilen entstehen immer größere Einheiten. Diese sind teilweise schon begehbar, werden mit Kabeln und Rohren ausgestattet und werden schließlich zu Sektionen zusammengefügt. Zehn Sektionen wiederum bilden einen Block, der weiter ausgerüstet und schließlich in die Werfthalle transportiert wird. Ein Kreuzfahrtschiff zum Beispiel besteht aus 90 solcher Blöcke.
„Die Lokalisierung von Personen und die zeitnahe Weitergabe von sicherheitsrelevanten Informationen ist in einer solchen Situation extrem schwierig“, erklärt Wilhelm Stork, Leiter des Instituts für Technik in der Informationsverarbeitung des KIT. Derzeit geschehen etwa die Erfassung und Weitergabe von Sicherheitsmängeln und -risiken, zum Beispiel fehlende Geländer, freiliegende Kabel oder leicht entflammbare Bauabfälle wie Farben und Konservierungsstoffe manuell. Routengänger laufen das Schiff ab und erfassen kritische Zustände wie brennbare Materialien in der Nähe von Heißarbeiten auf Papierformularen. Am Ende ihres Kontrollgangs geben sie diese Informationen bei ihrem Vorgesetzten ab, der wiederum die notwendigen Maßnahmen einleitet.
„Das Innovationspotenzial ist riesig, wenn man Abläufe mit Hilfe digitaler Technologien regelt“, sagt Frank Hartmann vom Institut für Technik in der Informationsverarbeitung des KIT. Im Rahmen seiner Promotion hat Hartmann ein Lokalisierungssystem entwickelt, das nicht nur die schnellere Behebung von Sicherheitsrisiken und die Steigerung von Arbeitssicherheit ermöglicht. Es hilft auch die Logistik – also den vorrauschauenden Transport von Baumaterial an den Einbauort im Inneren des entstehenden Schiffes – zu optimieren und den Baufortschritt – also die Abnahme von Gewerken – zeitnah zu dokumentieren. Sein System verfolgt einen hybriden Ansatz: Zusammen mit der notwenigen Infrastruktur der Baustelle – wie etwa der Stromversorgung – werden Antennen für ein Nahbereichs-Funkkommunikationssystem verlegt. Aus der Messung des Abstandes zu mehreren Antennen lässt sich mittels Trilateration die Position bestimmen. Ist der Funkkontakt zu den Antennen im verwinkelten, stählernen Schiffsbauch zu schwach, wird die Position mittels der Bewegungs- und Beschleunigungssensoren eines mobilen Endgeräts und Koppelnavigation geschätzt. „So erreichen wir eine ausreichende Positionsgenauigkeit bei vertretbarem Installationsaufwand“, erklärt Hartmann die Kosten-Nutzen-Abwägung.
Das auf der Meyer-Werft in Papenburg erfolgreich erprobte System der läuft komplett digital. Sicherheitsmitarbeiter fotografieren in den Schiffsteilen Mängel, Risiken oder Baufortschritt und erfassen sie mittels einer vom Kooperationspartner VOMATEC entwickelten mobilen App als Arbeitsprozess – zum Beispiel „Abfall beseitigen“ – auf einem Smartphone. Das System erfasst gleichzeitig die Positionsinformationen und verkoppelt sie mit dem erforderlichen Arbeitsprozess. Beide Informationspakete werden in Echtzeit per Mobilfunk oder WLAN übertragen, als „Vorfall“ auf einem Server hochgeladen und können sofort weiter bearbeitet werden.
In einem klar definierten Bereich von rund 1200 Quadratmetern eines im Bau befindlichen Kreuzfahrtschiffes hat Hartmann mit seinem Prototypen auf der Meyer Werft bereits verschiedene Anwendungsszenarien durchgespielt. Über den Schiffbau hinaus sind der Tiefbau oder Flugzeugbau weitere denkbare Anwendungsfelder.
Das Projekt SchiV 3.0 wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie und dem Projektträger Jülich gefördert. Konsortialpartner waren neben dem KIT die Meyer Werft GmbH und Co.KG und die VOMATEC Innovations GmbH. Das Projekt lief vom 2013 bis 2016.