Karlsruhe – 110 Vertreter von über 30 Theatern aus 20 Ländern, Medienkünstler und Digitalexperten aus unterschiedlichsten kulturellen Feldern kamen für die dreitägige Konferenz Digital Innovation in Theatre in Karlsruhe, Deutschlands IT-Hochburg und Stadt der Erfinder und Erfindungen, zusammen. Organisiert von Europas größtem Theaternetzwerk, der European Theatre Convention ETC, dem STAATSTHEATER KARLSRUHE und dem ZKM I Zentrum für Kunst und Medien, wurde während der Tagung das europaweite zukunftsweisende Projekt European Theatre Lab: Drama goes digital eingeführt, ein Think Tank zur Recherche des Theaters der digitalen Zukunft: www.europeantheatrelab.eu. Das STAATSTHEATER hat sich hierzu mit dem Théâtre de la Manufacture in der Karlsruher Partnerstadt Nancy und dem Marjanishvili Theatre in Tiflis, Georgien, zusammengeschlossen.
Am Haupttag, dem 7.4.17, trafen auf Initiative von Heidi Wiley, Generalsekretärin der ETC, und Karlsruhes Generalintendant Peter Spuhler zum ersten Mal die Leitungen der wichtigsten deutschen und europäischen Theaternetzwerke aufeinander: darunter Ulrich Khuon, Marc Grandmontagne und Holger Schultze, Präsident, Geschäftsführer und Vorsitzender des Künstlerischen Ausschusses des Deutschen Bühnenvereins, ebenso wie Nicholas Payne, Direktor von Opera Europa, als auch Dubravka Vrgoč, Präsidentin der ETC. Dabei verkündeten Payne und Vrgoč eine neue strategische Partnerschaft zwischen Opera Europa und ETC. Barbara Gessler, Leiterin von Creative Europe KULTUR bei der EU-Kommission führte in das von der EU geförderte Projekt European Theatre Lab ein. Petra Olschowski, Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, eröffnete die Konferenz mit einem Lob der drei Organisatoren ETC, STAATSTHEATER KARLSRUHE und ZKM für ihren innovativen Geist: „Seit seiner Erfindung, hat das Theater immer neue Technologien künstlerische integriert. Es gibt keinen Grund, hinsichtlich der digitalen Veränderungen ängstlich zu sein.“
Karlsruhes Chefdramaturg und Gastgeber der Fachtagung Jan Linders führte aus, dass es künstlerischer Auftrag sei, „ein kaltes Medium emotional werden zu lassen – wie die lebende Kunst“.
„In Zukunft werden wir ein Theater der Dinge haben: Schauspieler werden mit Robotern und autonomen Gegenständen spielen“, stellte Prof. Peter Weibel, Geschäftsführer des ZKM I Zentrum für Kunst und Medien und Mitveranstalter, in seiner Eröffnungsrede fest. Der Rektor der mitausrichtenden Hochschule für Gestaltung HfG Karlsruhe, Prof. Siegfried Zielinski, forderte eine Entwicklung der digitalen Dramaturgie, um eine rein dekorative Nutzung der Technologie zu vermeiden. Marcus Romer, Associate Artist am Theatre Royal Stratford und Kreativdirektor der Artsbeacon Ltd. stellte fest, dass „Zugang das Schlüsselwort ist: Es geht nicht um Technologie, es geht immer noch um menschliche Verbindungen.“ So berichtete er von seinen positiven Erfahrungen, interaktive Produktionen in Krankenhäuser zu bringen. Dieter Schneider, Leiter Theater/Pop/Event beim deutsch-französischen Sender ARTE, erklärte: „Wir haben keine Ahnung, wie die digitale Zukunft genau aussehen wird. In der Zwischenzeit produzieren wir künstlerische Inhalte für Zuschauer, die weder ins Theater gehen, noch Fernsehen schauen. Wir entwickeln narrative Formate speziell für Facebook und andere Social Media Kanäle.“
Der Direktor des Schauspiels Dortmund, Kay Voges, sendete eine Videobotschaft mit Ausschnitten aus seinen innovativsten künstlerischen Bühnenwerken. Er betonte die Notwendigkeit, in digitale Bildung von Künstlern zu investieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, Digitalexperten zu treffen. Simon Mellor, Executive Director des Digitalprojektes im kulturellen Sektor fördernden Arts Council England, machte sowohl die Notwendigkeit des Lernens aus Fehlern deutlich, als auch die Wichtigkeit digitaler Richtlinien für eine Institution.
Am Nachmittag wurden in Gesprächen, Diskussionen, Live-Tests und Vorführungen unterschiedliche Annäherungen an die digitale Entwicklung im Theater durch internationale performative und mediale Künstler präsentiert und vorgestellt.
Die produktiven drei Konferenztage zusammenfassend, sagte Dubravka Vrgoč, Präsidentin der ETC: „Es gibt keinen Weg zurück ins analoge Zeitalter. Aber im Theater geht es immer noch um den Darsteller, der hier und heute zu uns spricht – und im Moment lebt, der nie wieder kommen wird.“
Die ETC konnte in Karlsruhe verkünden, dass sie als Anerkennung ihrer Bemühungen, den europäischen Theatern eine Stimme zu verleihen, von der Europäischen Kommission für das umfassende vierjährige Projekt ENGAGE ausgewählt ist und in diesem Rahmen finanzielle Förderung erhält.
Während der Konferenz wurde die Verlegung des Hauptsitzes der ETC von Paris nach Berlin beschlossen, um Ressourcen optimal zu nutzen. Gegründet 1988, fördert die ETC europäische Theater als eine lebendige soziale Plattform für Dialog, Demokratie und Interaktion mit unterschiedlichen Zielgruppen und einer sich ständig wandelnden Gesellschaft. Die ETC unterstützt den Gedanken eines engagierten und inklusiven Theaters, das Europas soziales, linguistisches und kulturelles Erbe zu den Zuschauern und Gemeinschaften bringt. Als Europas größtes Theaternetzwerk hat es mehr als 40 Theater als Mitglieder aus über 20 Ländern.