Stuttgart. Der Stuttgarter Kosmos-Verlag hat mit „Holmes“ nun wieder ein reines Zweipersonen-Brettspiel auf den Markt gemacht.
Die schwäbische Firma, deren Wurzeln in der Herstellung von Pilz-Bestimmungsbüchern und Experimentierkästen liegen, sind schon eine lange Zeit eine große Nummer im Editieren von kompetitiven Spielwelten für Tisch und Picknickdecke. Manche Spiele-Nerds mögen vielleicht angesichts der Schachteln mit den weissen Kosmos-Schriftzug auf blauem Streifen verächtlich die Nase rümpfen und irgendwelche englischsprachigen Sepcial-Interest-Spiele aus dem Internet bestellen, aber Kosmos schafft es immer wieder, Mainstream und Anspruch unter einen Hut zu bringen.
In jüngster Zeit scheint jedoch ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel in die Firmenpolitik Einzug gehalten zu haben: Komplette Neu-Entwicklungen von Brettspielen sind zur Ausnahme geworden, stattdessen setzt man auf Erweiterungen (die durchaus ihre Existenzberechtigung haben) und Sondereditionen (die im Grunde nur Aufhübschungen ohne spielerischen Mehrwert sind). Zudem hielt eine ganz andere Form von Artikeln Einzug, die der Verlag korrekt nicht „Brettspiel“, sondern alternativ „Spielware“ nennt. Es sind so Sachen in Schachteln mit Bezeichnungen wie „Stempeln kreativ“, „Mein erstes Weben“ oder (kein Witz) „Action-Häkeln“, die eine Art Basis-Set für präpubertäre Handarbeiten bieten.
Abseits dieser Boxen aus der Mottenkiste des schulischen Werksunterrichts ist nun „Holmes“ erschienen, das auf den großen Meisterdektektiv Sherlock Holmes aus der Feder von Arthur Conan Doyle anspielt – und auch das dazu passende sog. „Setting“ bietet: Ein London des 19. Jahrhunderts, lebendig in den Figuren des Spiels, die ebenfalls aus den Sherlock-Holmes-Romanen stammen. Das Spiel ist ein Zweierspiel, in dem einer den Meisterdetektiv mit Hang zum Drogenkonsum und der andere die Rolle seines ärgsten Widersachers, Professor Moriaty, übernimmt. Diese Verteilung hat aber so gut wie keine spieltechnischen Auswirkungen. Das Spiel gewinnt, wer die meisten Hinweise findet, bzw. diese dem anderen vorenthält. Diese Hinweise werden am Ende ganz schnöde zusammengezählt. Ein wirkliche Lösung des Verbrechens, einen Anschlag auf das britische Parlament, findet nicht statt – nur der aufmerksame Leser der kompletten Spielschachtel bringt überhaupt in Erfahrung, um welches Verbrechen es sich in „Holmes“ dreht. Ein wirkliches Manko ist die verworrene, kaum didaktisch gemachte Spielanleitung. Das ist die Crux so vieler Kosmos-Brettspiel-Neuerscheinungen der jüngeren Vergangenheit: Offenbar spart man am falschen Ende und macht vielleicht gar den Kardinalfehler, die Entwickler selbst die Anleitung schreiben zu lassen – das geht selten gut, fehlt hier doch die unvoreingenommene, kritische Distanz.
Fazit: „Holmes“ ist, trotz der hier geschilderten Mängel, dennoch ein gutes Zweierspiel! Wenn man sich durch die Regeln gewühlt hat, ist es kurzweilig und unterhaltsam. Der Verfasser dieser Zeilen hatte jedoch große Erwartungen an „Holmes“ geknüpft, dachte er doch an das gandiose „Kahuna“ und das kaum minder brillante „Targi“, ebenfalls Zweierspiele aus dem Hause Kosmos. An diese Meilensteine reicht „Holmes“ nicht heran, ist aber dennoch um vieles besser als manch Überflüssiges, dass im neuen Kleid altbekanntes Spielgut aufwärmt – wer in aller Welt braucht eine „Star Wars“-Edition von „Monopoly“?