Heidelberg – Im letzten Jahr konnte sich der Zoo Heidelberg nach 17 Jahren wieder über den ersten heranwachsenden Nachwuchs bei den Graumöwen freuen. Jetzt zeigen die überaus fürsorglichen Elterntiere, dass sie zu mehr im Stande sind. Im Vogelrevier gibt es dieses Jahr drei flauschige Küken bei den Graumöwen.
Die Aufzucht der jungen Graumöwen kann man im Zoo Heidelberg sehr gut beobachten, denn ein Pärchen der Bodenbrüter hat das Nest nah am Besucherweg errichtet, der durch die Voliere führt. Die Tierpfleger bitten daher, etwas Abstand zu halten und besonders auf die kleinen Jungvögel zu achten, die sicher bald das Nest auch verlassen werden und den Weg überqueren können.
Zu welch erstaunliche Leistungen Vögel fähig sind, zeigen die wildlebenden Verwandten, die an der Westküste Südamerika beheimatet sind. Dort erstreckt sich das Jagdrevier dieser Vogelart auf ein Tausende von Kilometern langes Gebiet vom Äquator bis zu den kühlen Küsten Südchiles. Auf der Suche nach Krebsen, kleinen Fischen und Muscheln werden daher täglich weite Strecken entlang des Meeres zurückgelegt. Doch regelmäßig zur Brutsaison erhöht sich die Flugleistung der einzelnen Tiere enorm: Sobald die Brutsaison beginnt, zieht es die Graumöwen weit ins Landesinnere. In einem sehr kleinen Brutgebiet inmitten der Atacamawüste hat sich eine Kolonie von bis zu 60.000 Brutpaaren angesiedelt und stellt damit weit über die Hälfte des Weltbestandes. Dieses besondere Brutverhalten kommt dem Schutz der Küken zugute, denn in dieser lebensfeindlichen Region müssen sie nur wenige Fressfeinde fürchten. Der Vorteil für den Nachwuchs bedeutet jedoch eine große körperliche Belastung für die Elterntiere. Da in der kargen, extrem trockenen Umgebung kein Futter für die Tiere zu finden ist, fliegen die Elterntiere während der Aufzucht mehrmals pro Woche zurück an die 100 km entfernte Westküste zur Nahrungssuche.
Das ist ein erstaunlich weiter Weg zur „Arbeit“ und etwa sechs Mal so weit wie der durchschnittliche Arbeitsweg in Deutschland – und das ganz ohne Auto oder technische Verkehrsmittel.
Die Graumöwen im Zoo Heidelberg müssen keine entsprechenden Strapazen für die Futtersuche auf sich nehmen. Sie leben in Gesellschaft von Inkaseeschwalben und anderen geflügelten Küstenbewohnern in der Küstenpanorama-Voliere. Da Graumöwen auch in freier Wildbahn ihren Lebensraum mit Inkaseeschwalben teilen, ist dies für die Vögel nicht ungewöhnlich. Eine Nebenwirkung einer solchen Gemeinschaft zeigte sich im letzten Jahr. Damals hatten die Graumöwen-Eltern mit dem stark ausgeprägten Fürsorgebedürfnis schon mal „heimlich“ ein Inkaseeschwalben-Küken mitgefüttert. In diesem Jahr haben gleich zwei der Graumöwenpaare eigene Jungen zu versorgen.
Im Augenblick tragen die Küken noch ein dichtes, flauschiges, graues Gefieder. Dieses dichte, und gut isolierendes Daunengefieder dient dem Schutz vor Kälte und der starken Hitze der Atacamawüste. Der Federwechsel vom Daunenkleid erfolgt später nahezu übergangslos, sodass die Daunenfedern teilweise wie feine Härchen aus dem Gefieder ragen können, was den Jungvögeln ein etwas außergewöhnliches Aussehen verleiht.