Mainz – Artemisinin nicht nur für die Malaria-Therapie bedeutend, sondern auch vielversprechender Wirkstoff für die Krebsbehandlung
Die diesjährige Vergabe des Medizin-Nobelpreises wird in Fachkreisen als großartige Entscheidung für die Pflanzenheilkunde angesehen. Es sei bemerkenswert und ein großes Glück für das gesamte Feld der Phytomedizin, dass der Naturstoff Artemisinin durch die Preisverleihung ins Scheinwerferlicht der akademischen und der allgemeinen Öffentlichkeit gelangt, so Univ.-Prof. Dr. Thomas Efferth von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU).
„Das Nobelkomitee hat mit seiner Entscheidung die Naturstoffe in den Fokus gerückt und damit ein wichtiges Signal für künftige Forschungsfelder und Aufgaben gegeben“,
teilte der Mainzer Wissenschaftler mit, der selbst auf dem Gebiet arbeitet.
Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin, so die vollständige Bezeichnung, ging 2015 zur Hälfte an William C. Campbell und Satoshi Ōmura für ihre Arbeiten zur Therapie von Infektionen, die durch Fadenwürmer verursacht werden, mit einem Wirkstoff auf der Basis von Avermectin aus Bakterienkulturen. Zur anderen Hälfte ging der Preis an die chinesische Wissenschaftlerin Youyou Tu für ihre Entdeckungen zur Behandlung von Malaria. Youyou Tu hatte Heilkräuter erforscht, die in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) seit über 2000 Jahren für die Behandlung von Fieber und Erkältungen eingesetzt werden. Sie fand heraus, dass Auszüge von Einjährigem Beifuß (Artemisia annua) mit seinem Wirkstoff Artemisinin effektiv gegen Malariaerreger eingesetzt werden können.
„Eine beträchtliche Anzahl von Arzneistoffen für die klinische Praxis wird heute schon aus natürlichen Ressourcen gewonnen. Avermectin und Artemisinin sind zwei wunderbare Beispiele dafür. Wir sind zuversichtlich, dass die Nobelpreis-Vergabe zur Förderung der Phytomedizin beiträgt und wir in Zukunft weitere Anwendungen sehen werden“,
erwartet Efferth. Er selbst forscht seit rund 20 Jahren auf diesem Gebiet und konnte gleichzeitig mit Wissenschaftlern in den USA und den Niederlanden Mitte der 1990er Jahre erstmals zeigen, dass Artemisinin auch bei Krebs wirksam ist. Eine neuere Studie erfolgte in Kooperation mit Medizinern der University of London und ergab, dass Derivate von Artemisinin tatsächlich die Lebenszeit von Patienten mit Darmkrebs verlängern können.
„Wir haben damit den klinischen Nachweis erbracht. Aber wir müssen Artemisia annua noch weiter entwickeln und ein Profil erstellen, bei welchen Tumorarten die Substanz wirksam ist“,
so Efferth. Aber nicht nur bei Krebserkrankungen scheint Artemisia von Nutzen zu sein, sondern auch bei Infektionen mit dem humanen Cytomegalie-Virus (HCMV) und anderen Virusinfektionen sowie bei Bilharziose.
Artemisia annua, der Einjährige Beifuß, gehört zu einer Gattung mit über 200 Arten weltweit, ist aber nicht mit dem in Mitteleuropa verbreiteten Ackerunkraut, dem Gemeinen Beifuß (Artemisia vulgaris), zu verwechseln.
In der Pharmazeutischen Biologie in Mainz arbeitet ein internationales Team von 20 Mitarbeitern an Heilpflanzen aus 30 Ländern zur Erforschung von Pflanzeninhaltsstoffen gegen Krebs.