Mannheim – Die Eingangstür ist dicht geschlossen, der Zugang nur noch über spezielle Luftschleusen möglich: Mit einem symbolischen Türschluss hat die Universitätsmedizin Mannheim (UMM) jetzt eine der weltweit modernsten Transplantationseinheiten für blutbildende Stammzellen in Betrieb genommen. Ab August können in Mannheim etwa 60 Patienten mit Blutkrebs-Erkrankungen pro Jahr transplantiert werden – rund doppelt so viele wie bisher.
„Das Universitätsklinikum Mannheim ist ein überregional bedeutendes Zentrum für schwere Blutkrebs-Erkrankungen“, betonte Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz, der auch Aufsichtsratsvorsitzender des Klinikums ist. „Mit der neuen Station und der angeschlossenen Ambulanz profitieren jetzt noch mehr Patienten aus Mannheim, der Metropolregion Rhein-Neckar und weit darüber hinaus von der speziellen Expertise und der lebensrettenden Behandlung.“ In der UMM werden Patienten aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland blutbildende Stammzellen transplantiert. Diese Stammzellen können vom Patienten selbst, von engen Familienmitgliedern oder auch von fremden Spendern stammen (so genannte allogene Transplantationen). Die aufwändige Behandlung kommt vor allem bei bösartigen Erkrankungen des Knochenmarks wie Myeloproliferativen Neoplasien (MPN) oder Myelodysplastischen Syndromen zum Einsatz.
„7,6 Millionen Euro hat die UMM in die neue Stammzell-Transplantationseinheit investiert“, berichtet Dr. Jörg Blattmann, Geschäftsführer des Universitätsklinikums, und betont: „Das war nur möglich, weil das Ministerium für Soziales und Integration Baden Württemberg davon 4,8 Millionen übernommen hat.“ Erste Planungen für den Neubau haben bereits 2010 begonnen. „Seitdem haben wir die Pläne ständig an den aktuellen Stand der Technik angepasst und gezielt weiterentwickelt. Auf diese Weise ist eine der modernsten Transplantations-stationen weltweit entstanden“, so Blattmann weiter.
„Noch in den Siebzigerjahren war die Diagnose ‚Leukämie‘ fast immer ein Todesurteil. Heute sind etwa drei Viertel aller kindlichen Leukämien heilbar, bei Erwachsenen ist die Prognose nur geringfügig schlechter“, resümiert Professor Dr. med. Sergij Goerdt, Dekan der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg. Das zeige den enormen Fortschritt, den die medizinische Forschung in den vergangenen Jahren ermöglicht hat. „Wir arbeiten selbst ständig an neuen Behandlungskonzepten – auch dafür ist die neue Stammzell-Transplantationseinheit wichtig. Es werden aber besonders auch ältere Patienten profitieren, bei denen bisher nicht die Möglichkeit bestand, das Therapieverfahren der allogenen Stammzell-Transplantation anzuwenden.“
„Nach der Transplantation kommt es vor allem darauf an, unsere Patienten möglichst optimal vor Krankheitserregern zu schützen, bis ihr eigenes Immunsystem wieder funktioniert“, erläutert PD Dr. med. Stefan Klein, Leiter der Stammzell-Transplantation an der UMM. „Zusammen mit unserer Krankenhaus-Hygiene und den Experten des Gesundheitsamts haben wir dazu einen höchstmöglichen Hygienestandard definiert. Teilweise war dieser nur mit völlig neuartigen Lösungen erreichbar.“ Zum Beispiel wurde für die Mannheimer Station eigens ein neuartiger Duschablauf entwickelt, der verhindert, dass Patienten mit Keimen aus dem Abwasser in Kontakt kommen. Die Luft wird über ein spezielles Hochleistungs-Filtersystem gereinigt und unter leichtem Überdruck gehalten, so dass keine Erreger von außen eindringen können. Darüber hinaus ist jedes Einzelzimmer mit einem eigenen Reinigungs- und Desinfektionsgerät ausgestattet.
Auch die Mitarbeiter wurden intensiv auf die Anforderungen ihres ganz besonderen Arbeitsplatzes vorbereitet: Alle Pflege- und Servicekräfte der neuen Station haben ein spezielles Schulungsprogramm durchlaufen. So sind sie über die notwendigen Hygienevorkehrungen informiert und treffen routiniert die entsprechenden Maßnahmen. Zum Beispiel müssen alle auf der Station benötigten Gegenstände ausgepackt und desinfiziert werden – von der Tablettenschachtel bis hin zur Wasserflasche.
Heute ist es meist noch üblich, dass die Patienten während der Akutphase nach der Transplantation fünf bis sechs Wochen ausschließlich in ihrem Zimmer verbringen. In der neuen Mannheimer Station können sich Patienten freier bewegen, weil die gesamte Station einen sicheren Luftbereich bildet, der nach außen durch eine spezielle Filteranlage, mehrere Luftschleusen und einen leichten Überdruck abgeschirmt ist. Dabei trägt auch das angenehme Ambiente der acht großzügigen und hellen Räume – teilweise mit Neckarblick – zum besseren Wohlbefinden bei.
Für die engmaschige Nachbetreuung im Anschluss an den stationären Aufenthalt steht einen Stock tiefer eine moderne Ambulanz bereit. „Nach der Akutphase entspricht das Immunsystem eines erwachsenen Stammzell-Empfängers dem eines zu früh geborenen Säuglings“, verdeutlicht Klein. Mit regelmäßigen Nachsorgeterminen begleiten die hämatologischen Experten ihre Patienten daher auf dem weiteren Weg der Heilung.