Weinheim – Es war der 11. März dieses Jahres, ein Samstag, späterer Abend. Die OEG fuhr von Mannheim nach Weinheim. Mehmet Efetürk war auf dem Weg nach Hause. Die Bahn fuhr von Viernheim kommenden nach Weinheim hinein, da wurde die Stimmung im Waggon aggressiv. Eine Gruppe junger Männer begann, eine junge Frau zu belästigen. Sie wurden beleidigend. Ausfallend. Mehmet (29) hielt es irgendwann nicht mehr aus. Er stand auf, stellte sich schützend vor die junge Frau. „Hört auf“, rief er.
Mit der Reaktion konnte er nicht rechnen: Die gewaltbereiten Männer ließen von der Frau ab und richteten sich nun gegen ihn selbst.
Sie schlugen ihn zu Boden, traten ihm gegen den Kopf. „Mehmet Efetürk“, so beschrieb es jetzt Siegfried Kollmar, der Leiter der Kriminalpolizeidirektion Heidelberg, „wurde vom Helfer zum Opfer“. Er wurde auch zum Held, wie Weinheims Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner bekräftigte. „Ich habe vor Ihnen und Ihrem Handeln einen ganz ganz hohen Respekt“, bestätigte Fetzner, der dem couragierten Mann mit türkisch-arabischem Hintergrund gemeinsam mit Siegfried Kollmar und Tanja Kramper, der Geschäftsführerin des Vereins Kommunale Kriminalprävention, eine Ehrenurkunde der Aktion „TU WAS“ verlieh.
Aber Mehmet Efetürk ist auch ein tragischer Held. Die Schläger der OEG-Fahrt verletzten ihn damals schwer: an Körper und Seele. Vor dem Bürgermeister und den Polizisten saß der junge Mann im Weinheimer Rathaus wie ein Häufchen Elend.
Er befindet sich in therapeutischer Behandlung, Schweiß steht auf seiner Stirn, er redet leise als würde er befürchten, abgehört zu werden. Nach der Attacke war er arbeitsunfähig und verlor seinen Job als Lagerist und Staplerfahrer in einem Mannheimer Unternehmen. Er hat Angst seither, alleine unter Menschen zu gehen. Sie könnten ja wieder kommen.
Es war eine ganze Bande damals im Zug, zehn Tatverdächtige konnten ermittelt werden. Einige von ihnen werden wegen versuchten Totschlags angeklagt werden – andere werden wohl glimpflich davonkommen. Und doch bescheinigte Siegfried Kollmar: „Sie haben alles richtig gemacht, Herr Efetürk.“ Erfreulicherweise komme es sehr selten vor, dass Menschen, die einschreiten, selbst zu Opfern werden. „Sehr selten“, sagt der Direktionsleiter.
Was ihn und Fetzner allerdings Kopfzerbrechen bereitet: Der OEG-Zug saß voller Passagiere an diesem Abend. Mehmet selbst, der geholfen hatte, konnte auf keine weitere Hilfe hoffen. Die anderen Menschen schauten weg. Selbst Zeugenaussagen hinterher waren nur schwer zu bekommen. Im Zug selbst war die Videoüberwachung ausgefallen; nicht viele Passagiere wissen, dass es auf Knopfdruck eine Sprachverbindung zum Schaffner gibt.
Mehmet Efetürk war auf sich alleine gestellt und versucht nun wieder Fuß zu fassen. „Es ist unsere Verpflichtung“, erklärte Dr. Torsten Fetzner, „Ihnen auf dem Weg in die Gesellschaft zu helfen, denn sie selbst haben der Gesellschaft geholfen.“ Der Bürgermeister will sich um einen Job für den couragierten jungen Mann bemühen. Er sagt: „Jedes Unternehmen kann doch froh sein, einen so mutigen Mitarbeiter wie Sie zu haben“.
Das Ziel der Aktion „TU WAS“, eine „Initiative für mehr Zivilcourage“ ist, innerhalb der Bevölkerung den Gedanken der Solidarität und des Helfens zu fördern, ohne sich dabei selbst in Gefahr zu bringen. Die Initiative der Präventionsvereine Kommunale Kriminalprävention Rhein-Neckar e.V. Sicheres Heidelberg (SicherHeid) e.V. und Sicherheit in Mannheim (SiMa) e.V., richtet sich inhaltlich an der bundesweit propagierte Aktion TU WAS aus. Die Auszeichnung in Form einer Urkunde und einem Präsent erhalten Menschen, die im Rhein-Neckar-Kreis, Heidelberg oder Mannheim couragiert handeln. Weitere Infos gibt es unter www.praevention-rhein-neckar.de.