Mainz – Auf dem Weg zur Entwicklung von winzigen, ultraschnellen Bauelementen für die Computer- und Kommunikationstechnik spielen die magnetischen Eigenschaften von Materialien und die Möglichkeit, diese Eigenschaften gezielt anzusteuern, eine wichtige Rolle.
Einem internationalen Team von Wissenschaftlern unter Beteiligung von Physikern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) ist es gelungen, magnetische Nanostrukturen mithilfe von akustischen Oberflächenwellen zu beeinflussen und die Effekte mit neuen Abbildungsmethoden sichtbar zu machen. Die Nutzung akustischer Oberflächenwellen, um die Magnetisierung von nanomagnetischen Elementen zu ändern, liefert eine neue Möglichkeit, um Magnetisierung energiesparend zu schalten. Die Forschungsarbeit wurde von Nature Communications publiziert.
Die Kontrolle der magnetischen Eigenschaften von Materialien ist von grundlegender Bedeutung, um Speicher, Computer und Kommunikationsgeräte auf der Nanoskala zu entwickeln. Während Datenspeicherung und Datenverarbeitung in rasantem Tempo voranschreiten, suchen Wissenschaftler nach neuen Methoden, wie die magnetischen Eigenschaften von Materialien zu kontrollieren sind. Ein Ansatz stützt sich auf die elastische Verformung des magnetischen Materials durch elektrische Felder. Das Forschungsgebiet hat viel Interesse auf sich gezogen, weil es die Möglichkeit bietet, kleine magnetische Elemente mit wenig Energieaufwand umzuschalten. Studien dazu waren jedoch bislang auf einer Zeitskala von Sekunden bis Millisekunden erfolgt, viel zu langsam für Anwendungen in der Informationsverarbeitung.
Um schnelle Verformungsänderungen und dadurch schnelle Magnetisierungswechsel im Subnanosekundenbereich zu erzeugen, nutzt das internationale Wissenschaftlerteam akustische Oberflächenwellen. Diese „Surface Acoustic Waves“ (SAW) lassen sich mit Schallwellen in einem Festkörper vergleichen, nur dass SAWs für Menschen nicht hörbar sind. Schlägt man zum Beispiel mit einem Hammer auf eine Eisenstange, dann bewegt die Schallwelle eine Verformung entlang der Stange. Auf ähnliche Weise propagiert eine SAW eine Verformung, allerdings nur an der Oberfläche vom Material, in etwa wie Wellen im Ozean, die sich an der Oberfläche entlangbewegen. In bestimmten Materialien, sogenannten Piezokristallen, die sich unter elektrischer Spannung ausbereiten oder zusammenziehen, können SAWs durch oszillierende elektrische Felder auf ultraschnellen Zeitskalen erzeugt werden.
In Zusammenarbeit mit Gruppen in Spanien, der Schweiz und Berlin hat der Arbeitskreis von Prof. Dr. Mathias Kläui am Institut für Physik der JGU eine neue experimentelle Technik genutzt, um die akustischen Oberflächenwellen sichtbar zu machen. Damit können die Wissenschaftler zeigen, dass sich SAWs eignen, um die Magnetisierung von nanometerkleinen magnetischen Elementen auf der Oberfläche der Kristalle extrem schnell umzuschalten. Die Ergebnisse zeigen, dass magnetische Elemente ihre Eigenschaften durch den SAW-Effekt verändern und die magnetischen Domänen sich vergrößern oder schrumpfen, je nach Phase der Oberflächenwellen. Interessanterweise tritt die Veränderung nicht sofort ein, die beobachtete Verzögerung kann sogar moduliert werden. Hier liegt der Schlüssel, um in Zukunft energiesparende magnetische Geräte zu entwerfen: in dem Verständnis, wie die magnetischen Eigenschaften auf einer schnellen Zeitskala zu modifizieren sind.
„Für hochkomplexe Messungen sind eine enge internationale Zusammenarbeit mit führenden Gruppen und ein starkes Alumni-Netzwerk von strategischem Vorteil“,
betont Kläui.
„Wir haben uns mit einer Gruppe der spanischen Synchrotronstrahlungsquelle ALBA zusammengetan. Ein ehemaliger Doktorand aus der Gruppe in Mainz arbeitet bei ALBA und leitet dort diese Aktivitäten. Die Arbeit erfolgte außerdem in Kooperation mit einem Doktoranden der Exzellenz-Graduiertenschule MAINZ. Es ist großartig zu sehen, dass unsere Studierenden und Alumni so erfolgreich sind“,
sagt Kläui, der auch als Direktor der Graduiertenschule MAINZ vorsteht.
Die Graduiertenschule MAINZ wurde in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder im Jahr 2007 bewilligt und erhielt in der zweiten Runde 2012 eine Verlängerung. Sie besteht aus Arbeitsgruppen der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der Technischen Universität Kaiserslautern und des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung in Mainz. Einer der Forschungsschwerpunkte ist die Spintronik, wobei die Zusammenarbeit mit führenden internationalen Partnern eine wichtige Rolle spielt.