Heidelberg – Ob Fußball, Fahrradfahren oder ein ungeschickter Sturz über die Teppichkante – die Gefahr für Schädel-Hirn-Verletzungen wird häufig unterschätzt oder unachtsam in Kauf genommen. Wer besonders gefährdet ist, wie man sich schützt und was Neurochirurgen tun können, wenn das Gehirn verletzt ist, erklärt Professor Dr. Andreas Unterberg bei Medizin am Abend am 17. Januar 2018. Die Polizei berät zu passenden Fahrradhelmen.
„Viele sind sich nicht bewusst, dass jeder kräftige Schlag gegen den Kopf gefährlich sein kann“, sagt Professor Dr. Andreas Unterberg, Ärztlicher Direktor der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. So werden in seiner Klinik beispielsweise jährlich rund 200 Patienten stationär aufgenommen, die nach einem oftmals simplen Sturz vom Fahrrad behandelt oder überwacht werden müssen. „Ein Helm hätte ihnen das vielleicht ersparen können.“ So geht es ihm in seinem Vortrag bei Medizin am Abend am Mittwoch, 17. Januar 2018, vor allem darum, die in den verschiedenen Altersgruppen häufigsten Risiken für Schädel-Hirn-Verletzungen aufzuzeigen und auf Präventionsmaßnahmen hinzuweisen. Darüber hinaus wird er über diagnostische und neurochirurgische Behandlungsverfahren sprechen. Eine der effektivsten Schutzmaßnahmen stellt die Heidelberger Polizei ab 18 Uhr im Foyer vor: Sie präsentiert verschiedene Modelle von Fahrradhelmen und berät, wie man den passenden Helm für sich findet. Der Vortrag beginnt um 19 Uhr im Hörsaal der Kopfklinik, Im Neuenheimer Feld 400. Universitätsklinikum und Rhein-Neckar-Zeitung laden alle Interessierten herzlich ein.
Hirnverletzungen können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein: Das Spektrum reicht von kaum erkennbar mit bildgebenden Verfahren bis hin zu schlimmsten Blutungen und Quetschungen. Während bei letzteren – häufig Folge schwerer Unfälle oder Stürze – der Ernst der Lage kaum zur Diskussion steht, wird vor allem das Risiko durch weniger schwere Schläge gegen den Kopf unterschätzt. Leichte Hirnverletzungen, die anfangs vielleicht nur eine vorübergehende Benommenheit verursachen, können trotzdem böse Folgen haben. Ein typisches Beispiel aus dem Sport: Ein Fußballer stößt beim Kopfballduell hart mit einem Mitspieler zusammen und ist kurz bewusstlos. Später geht es ihm zwar wieder besser. Tage später allerdings leidet er wieder unter Kopfschmerzen. „Ursache kann ein Bluterguss sein, der auf das Nervengewebe drückt“, so Prof. Unterberg. „Schlimmstenfalls kann in solchen Fällen sogar eine Operation nötig sein, damit das Gehirn keinen bleibenden Schaden nimmt.“
Wie kann man sich schützen? Eine Helmpflicht beim Fußball und anderen Sportarten ist wohl kaum eine ernstzunehmende Option. Sinnvoll ist es aber, sich über die Risiken im Klaren zu sein und den Kopf häufiger aus der Schusslinie zu nehmen. So untersucht eine aktuelle Studie in Norddeutschland, ob häufige Kopfbälle chronische Hirnschäden nach sich ziehen können – welche wiederum das Risiko, früh an Demenz zu erkranken erhöhen könnten. In einem anderen Bereich dagegen ist die Helmpflicht ein durchschlagender Erfolg: „Tödliche Unfälle bei Motorradfahrern gehen seit Einführung der Helmpflicht nur noch selten auf Kopfverletzungen zurück“, erklärt der Neurochirurg. Unverständlich ist es für ihn daher, dass sich viele Fahrradfahrer hartnäckig dieser sinnvollen und unkomplizierten Schutzmaßnahme verweigern. „Gefahren lauern nicht nur beim sportlichen Fahren, Unfälle können auch bei einer gemütlichen Radtour passieren.“ Eine weitere Risikogruppe sind Senioren, denn Stürze auf den Kopf sind in dieser Altersgruppe keine Seltenheit. Weil viele von ihnen aufgrund von Herz-Kreislauferkrankungen Gerinnungshemmer einnehmen, kann es schnell zu Hirnblutungen kommen. Daher gilt: „Wer auf den Kopf fällt und Gerinnungshemmer einnimmt, sollte überwacht werden oder eine Computertomographie des Kopfes erhalten, um so etwas auszuschließen“, empfiehlt Unterberg
Im Vortrag wird er darüber berichten, welche diagnostischen Maßnahmen bei Hirnverletzungen zum Einsatz kommen und wie Neurochirurgen daraus die weitere Behandlung – bei schweren Schwellungen beispielsweise die Entfernung eines Teils des Schädelknochens (Trepanation) – ableiten. Darüber hinaus stellt er neuste Forschungsergebnisse vor, die in einigen Jahren möglicherweise die Diagnose von Hirnverletzungen deutlich vereinfachen könnten: Wissenschaftler sind derzeit sogenannten Biomarkern auf der Spur, Proteinen oder anderen Molekülen aus Nervenzellen, die bei Hirnverletzungen ins Blut gelangen, in Blutproben nachgewiesen und Auskunft über Hirnschäden geben können, bevor der Schaden im Röntgenbild sichtbar wird. „Ähnliche Marker gibt es bereits beim Herzinfarkt. Sie könnten dazu beitragen, Patienten zu identifizieren, die einer weiteren Überwachung oder auch schnellen Behandlung bedürfen“, hofft Unterberg.