Bensheim – Die Diagnose „Krebs“ trifft viele Patienten völlig unvorbereitet. Im Magen-Darm-Trakt zählen Karzinome neben Entzündungen und Infektionen mit Abstand zu den häufigsten Erkrankungen. Um hier eine bestmögliche Behandlung der Patienten zu gewährleisten, wurde im vergangenen Jahr im Heilig-Geist Hospital Bensheim bereits das Zentrum für Verdauungsorgane gegründet. Dieses konnte sich nun zusätzlich zum stationären Partner eines Netzwerks qualifizieren, das die Lücke auch in der ambulanten Versorgung von Krebspatienten schließen soll – ein erfolgreicher Informationsabend für die niedergelassenen Kollegen konnte gestern im Hotel Europa in Bensheim durchgeführt werden.
„Wir möchten Menschen, die mit einer schweren Diagnose zu uns kommen, fachlich bestmöglich betreuen, ohne dabei das persönliche Schicksal und die individuellen Bedürfnisse aus den Augen zu verlieren. Das erfordert oftmals den Blickwinkel unterschiedlicher Abteilungen und Experten. Eine Krebserkrankung beispielsweise kann – je nach Stadium oder Schweregrad – ein Fall für die Innere Medizin, die Chirurgie oder auch beide Abteilungen sein. Deshalb war uns der Aufbau eines eigenen Zentrums für die Verdauungsorgane im vergangenen Jahr ein so großes Anliegen“, erklärt Dr. Jens Jonescheit, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie am HGH.
Neben diesem konsequenten interdisziplinären Ansatz innerhalb der Klinik bedürfe es aber auch einer engen externen Netzwerkbildung mit weiteren Experten. Diese ist bei stationären Krebspatienten bereits seit vielen Jahren gegeben. Da es sich bei der Onkologie um einen besonders sensiblen und vielschichtigen Bereich handelt, kommt beispielsweise im Rahmen einer Tumorkonferenz in regelmäßigen, engmaschigen Abständen ein interdisziplinäres Gremium zusammen, das den speziellen Anforderungen von Tumorpatienten gerecht werden möchte. Hier nehmen sich Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen Zeit, jeden einzelnen Fall ausgiebig zu besprechen und gemeinsam über den optimalen Therapieansatz zu entscheiden – von der Medikation über die Bestrahlung bis hin zur Operation.
„Die besagte Lücke“, so Dr. Nicolai Härtel, Gastroenterologe und Chefarzt für Onkologie am Bensheimer Krankenhaus, „besteht jedoch in der ambulanten Versorgung von Krebspatienten. Hier waren viele diagnostische und therapeutische Ansätze bis dato schlicht und ergreifend nicht möglich oder wurden von der Kasse nicht übernommen.“ Um an diesem Punkt nun ebenfalls anzusetzen, wurde ganz aktuell ein standortübergreifendes ambulantes Netzwerk gegründet, eine sogenannte ASV (ambulante spezialfachärztliche Versorgung). Dabei handelt es sich, so der entsprechende Bundesausschuss auf seiner Internetseite, um „ein Angebot für Patientinnen und Patienten mit komplexen, schwer therapierbaren Erkrankungen.
Spezialisierte Ärztinnen und Ärzte verschiedener Fachrichtungen arbeiten dabei in einem Team zusammen und übernehmen gemeinsam und koordiniert die Diagnostik und Behandlung.“ „Wir freuen uns sehr, dass wir in unserer ASV eng mit der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) und mehreren Fachinternisten in der Region zusammenarbeiten“, führt Dr. Nicolai Härtel weiter aus. „Der Zusammenschluss ermöglicht es uns, Tumorpatienten v.a. mit Tumoren im Magen-Darm-Trakt eine erweiterte ambulante Diagnostik und zusätzliche Ressourcen bereitzustellen, beispielsweise eine spezielle molekulare Diagnostik oder die sogenannte Positronenemissionstomographie. Damit erhalten auch die betreuenden Fachinternisten zusätzliche Behandlungsoptionen in ihrer Praxis.“
Um hier die niedergelassenen Kollegen ganz detailliert über die Vorteile des Netzwerks aufzuklären, fand am gestrigen Mittwoch in Zusammenarbeit mit dem Ärztlichen Kreisverein Bergstraße eine gesonderte Fortbildungsveranstaltung im Hotel Europa in Bensheim statt. Neben dessen Leiter Dr. med. habil. Jürgen Merke und Chefarzt Dr. Nicolai Härtel freute man sich besonders über die aktive Teilnahme zweier echter ASV- Experten, beide vom Bundesverband ambulante spezialfachärztliche Versorgung e.V.: Dr. Axel Munte sprach zum Thema „ASV: Eine Chance zur Überwindung der Sektorentrennung“, Sonja Froschauer informierte über die ganz konkrete Funktionsweise der ASV. Etwa 50 Teilnehmer waren der Einladung gefolgt und von den Möglichkeiten der ambulanten Versorgung begeistert. „Mit einem so großen Interesse hätten wir gar nicht gerechnet“, freute sich zum Ende der Veranstaltung Dr. Jürgen Merke. „Der Erfolg dieses Abends zeigt uns definitiv, dass die Verzahnung zwischen ambulantem und stationärem Sektor ein Themenbereich ist, in dem wir noch viele Potentiale ausschöpfen können – für eine optimale Versorgung unserer gemeinsamen Patienten.“