Mainz – Im Freien in naturwissenschaftlichen Fächern unterrichtet zu werden, erhöht die Motivation von Schülerinnen und Schülern. Eine Studie der Technischen Universität München (TUM) und der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) legt deshalb nahe, in der Sekundarstufe I öfter Outdoor-Unterricht anzubieten.
„Zwischen dem naturwissenschaftlichen Unterricht und Umweltbildung herrscht noch immer eine konzeptionelle Lücke“,
sagt Dr. Ulrich Dettweiler, der von der TUM als Associate Professor für Pädagogik an die Universität Stavanger in Norwegen gewechselt ist. Diese zu schließen und Schülerinnen und Schüler für die Naturwissenschaften zu gewinnen, sei ein Ziel der „Forscherwochen“ am Schülerforschungszentrum Berchtesgadener Land.
In den Jahren 2014 bis 2016 nahmen rund 300 Schülerinnen und Schüler daran teil. Das Programm basiert auf dem Lehrplan für naturwissenschaftliche Fächer der Sekundarstufe I. Der einwöchige Aufenthalt wird im klassischen Unterricht vorbereitet. Dies wird vor Ort während der Forschungswoche fortgeführt, deren Höhepunkt eine zweitägige Forschungsexpedition mit Experimenten ist.
Sowohl vor als auch nach dem Kurs füllten die Schüler und Schülerinnen für eine Studie, die an der TUM entwickelt wurde, einen Fragebogen aus, der sich mit ihrer Zufriedenheit und der allgemeinen Motivation bezogen auf ihre Autonomie befasste. Zum Abschluss der Woche berichteten die Schülerinnen und Schüler erneut über ihre Erfahrungen während des Outdoor-Unterrichts.
Grundbedürfnisbefriedigung ist beim Outdoor-Unterricht besser
Im pädagogischen Kontext sind es vor allem die psychologischen Grundbedürfnisse der Autonomie- und Kompetenzerfahrung sowie das Erleben guter sozialer Beziehungen, die das Motivationsverhalten beeinflussen. In der Studie zeigte sich nun, dass das Motivationsverhalten in beiden Kontexten gleichermaßen stark von diesen drei Bedürfnissen beeinflusst wurde, allerdings auf unterschiedlichem Niveau: Die Grundbedürfnisbefriedigung beim Unterricht im Freien ist signifikant höher als im Klassenzimmer. Vor allem Erfolgserlebnisse steigern beim Unterricht im Freien die Motivation. Wenig bis keinen Einfluss auf diese Steigerung hatten wiederum die Schüler-Lehrer- oder Schüler-Schüler-Beziehungen. Ebenso hat das Geschlecht keinen Einfluss auf die Ergebnisse.
Dettweiler, Erstautor der in „Frontiers in Psychology“ veröffentlichten Studie, schlussfolgert, dass Outdoor-Unterricht mit explorativer Lernmethodik die Lernhaltung (intrinsische Motivation) von Schülerinnen und Schülern maßgeblich fördere. „Explorativ“ bedeutet nichts anderes, als Schülern den Freiraum zu geben, über selbstständig organisierte Experimente den Schulstoff entdeckend zu lernen. Die Dynamik, die in der Natur einen starken Schub zu mehr „situativem Interesse“ und „Lernmotivation“ für naturwissenschaftlichen Stoff führe, könne in gelegentlichen Draußen-Lerneinheiten genauso hervorgerufen werden.
Die für dieses Lehrprogramm erforschten und entwickelten Unterrichtstechniken sollten deshalb in den normalen Schulunterricht Einzug halten.
„Ob es sich nun um Schullandheime oder einen Teil des wissenschaftlichen Lehrplans handelt oder um beides, diese statistische Analyse belegt, dass der regelmäßige Unterricht im Freien eine geeignete Strategie ist, um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu meistern“,
so Dettweiler.
„Möglicherweise eignen sich solche Modelle sogar, um auf Dauer die bestehende Kluft zwischen Wissenschaftsunterricht und Umweltbildung zu überbrücken.“
Für Professor Perikles Simon, Leiter der Abteilung Sportmedizin, Rehabilitation und Prävention der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, sind die entwickelten Outdoor-Lerneinheiten zudem aus Sicht der möglichen positiven Effekte auf die physische und psychische Gesundheit der Kinder interessant:
„In den kommenden Jahren wollen wir genauer untersuchen, ob und wie Draußen-Unterricht Einfluss auf die Widerstandsfähigkeit der Kinder gegen Stress nimmt.“