Ludwigshafen – Die vier jungen Freundinnen (Namen sind der Redaktion bekannt) befinden sich am 29.12. 2017 auf dem Gelände des Winterdorfes an der Rheingalerie. Dort werden sie Zeuge von unschönen Szenen.
Eine Familie, Vater, Mutter und zwei Kleinkinder halten sich nahe der Feuerstelle auf. Es beginnt ein Geschrei. Die Kinder sind quenglig, wollen auf Toilette. Beide Elternteile sind sichtbar betrunken. Der Vater schreit nicht nur seine Kinder an. Eine der vier Freundinnnen, von Beruf Erzieherin in einer Kita, entscheidet aus Verantwortungsbewußtsein heraus, dass man die Kinder nicht in dieser Gefahr belassen kann. Beide Erwachsene haben Mühe sich auf den Beinen zu halten. Der Vater fällt immer wieder um. Wird aggressiv und pöbelt Passanten an. Die Kinder sind ohne Hilfe und Aufsichtsperson. Für die vier jungen Frauen ist klar, dass hier gehandelt werden muss.
Was ist, wenn die Kinder auf die Straße laufen? Alle vier entschließen sich gemeinsam zu handeln. Es war ersichtlich, dass sturzbetrunkene Eltern nicht mehr mit ihren Kindern umgehen können. Das Verhalten insbesondere des Vaters, war grob und rücksichtslos. Für die jungen Frau stand fest, dass die Kinder vernachlässigt wurden. Zunächst versuchen die Freundinnen, Passanten über Blickkontakt zur Hilfe zu bewegen. Doch Niemand half oder unterstützte die Frauen.
Dazu sagt Eine der Frauen:
Aussenstehende und Passanten haben uns nicht geholfen. Wir haben versucht über Blickkontakt Passanten auf uns aufmerksam zu machen. Es war aber niemand bereit uns zu helfen. Sie haben sich einfach weggedreht.
Es ist tatsächlich so. Man bekommt keine Hilfe. Alle schauen weg. Selbst eine Bekannte von mir, die ebenfalls dort war, hat nur zugeschaut und Abstand gehalten. Wenn etwas passiert wäre, dann weiß ich nicht ob Sie noch gekommen wäre. Wir haben uns Alle sehr hilflos gefühlt.
Als die Beamtin uns zusagte, dass wir Hilfe bekommen, waren wir erstmal zufrieden. Als dann nach dem zweiten Anruf einfach aufgelegt wurde, haben wir das so nicht mehr hinnehmen wollen. Das war nicht in Ordnung. Auch hatten wir den Eindruck, dass der junge Mann, beim zweiten Anruf eher unsicher war. Die Beamtin im ersten Anruf wirkte deutlich sicherer.
Wir haben uns auf Wunsch der vier jungen Frauen mit ihnen zum Gespräch verabredet.
Die Vorgeschichte
Redaktion: Warum habt ihr die Polizei verständigt über Notruf 110?
Der Auslöser für uns war, weil die Eltern völlig unzurechnungsfähig waren. Die Eltern waren beide stark betrunken. Wir hatten die Befürchtung, dass die Kinder nicht mehr sicher nach Hause kommen. Dazu kam, dass der betrunkene Mann handgreiflich, also übergriffig wurde. Aus diesem Grund haben wir uns dann entschieden die Polizei zu rufen.
Redaktion: Wie dürfen wir uns das „Handgreifliche“ vorstellen?
Er hat seine Kinder sehr grob angepackt. Er war rücksichtslos. Die Situation drohte zu eskalieren, als die ebenfalls stark betrunkene Frau, den Mann auf uns aufmerksam machte und ihn in gebrochenem Deutsch aufforderte „etwas zu machen“.
Er wurde nun aufgrund dessen handgreiflich mir gegenüber. Er packte mich sehr grob an meinem Schal und hat mich mit Gewalt zur Seite gezogen. Danach liess er mich wieder los. Jetzt aber forderte er mich auf, mich zu schlagen.
Redaktion: Haben das Dritte ebenfalls gesehen?
Ja, da war eine Frau, die für die Toiletten zuständig ist. Sie hat nur geschaut und auch nicht eingegriffen.
Redaktion: Während eure Freundin von dem Mann attackiert wurde, habt ihr Anderen die Polizei gerufen?
Ja, das ging so schnell und er liess unsere Freundin danach wieder los. Er war halt sturz betrunken und nicht mehr in der Lage sich zu kontrollieren. Er war allerdings sehr beleidigend uns und Passanten gegenüber. Dunkelhäutige, die vorbeiliefen hat er als „Nigger“ bezeichnet. Er selbst hat sich als Nazi dargestellt. Die Dunkelhäutigen hatten sich aber nicht provozieren lassen.
Der Notruf
Redaktion: Schildert uns bitte, wie der Anruf bei der 110 ablief
Der erste Anruf war um 20 Uhr. Da ging eine Frau dran. Ich habe der Frau geschildert, dass Kinder im Winterdorf sind mit betrunkenen Eltern. Dass die Eltern den Kindern nicht mehr helfen können. Das wir zu viert und das wir extra weiter weg gelaufen sind um anrufen zu können. Dass die Kinder die ganze Zeit bereits schreien weil sie Hilfe brauchen, weil sie auf Toilette müssen. Dass der Vater sehr laut rumschreit und die Leute anpöbelt. Dann sagte die Frau direkt, dass sie sofort Beamte schickt. Und wir sollen uns beim Eintreffen der Polizei bemerkbar machen, damit die Beamten gleich sehen, zu wem sie gehen sollen. Die Beamtin fragte noch wo ich genau stehe im Winterdorf. Ich sagte ihr, dass sich das Ganze an der Feuerstelle abspielt – Und wir zwei warten vorne Richtung Eingang.
Redaktion: Und dann passierte erstmal nichts? Das Geschrei ging in der gleichen Lautstärke weiter?
Ja ca. 20 min. später, nachdem keine Polizei kam, riefen wir nochmals an. Da ging dann ein Mann dran. Ihm habe ich den ganzen Vorgang nochmals geschildert. Ich habe ihm gesagt, dass wir jetzt schon 20 min. warten und dass es nicht sein kann, wenn es um Kinder geht und dem Weihnachtsmarkt im Winterdorf, dass da keine Polizei kommt.
Daraufhin hat mit der Mann aufgezählt was momentan in Ludwigshafen so Alles passiert. Ein Suizid und Autounfälle und dass das Alles eben wichtiger ist. Wir sollen jetzt einfach in der Situation verharren. Er meinte, wir sollen hier warten bis jemand kommt und hat einfach aufgelegt. Er hat mich nichts mehr sagen lassen.
Redaktion: Das Gespräch wurde von dem Mann abrupt beendet, in dem er einfach auflegte?
Ja!
Redaktion: Es gab also keine Gelegenheit, die Situation weiter zu schildern?
Nein!
Das unerwartete Ende
Redaktion: Und wie ging das weiter?
Während des zweiten Gespräches mit dem Mann, sehen wir, wie die Eltern mit den Kleinkindern versuchen Richtung Bahnhofstraße laufen. Wir sind ihnen noch ein Stück gefolgt. Weil zwischendurch war die Frau verschwunden und ihr Mann ist auch einmal umgefallen. Dann waren sie Alle weg.
Wir haben die Polizei in Ludwigshafen um eine Stellungnahme gebeten
Dazu teilt uns Michael Baron Leiter der Pressestelle im Polizeipräsidium Folgendes mit:
Am 29.12.2017 meldet sich gegen 20 Uhr in der Einsatzleitstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz eine Frau über Notruf und teilte mit, dass ein erheblich alkoholisierter Vater mit seinen Kindern herumschreien und sich nicht um diese kümmern würde. Das ganze Ereignis würde sich im Winterdorf vor der Rheingalerie in Ludwigshafen abspielen. Der geschilderte Sachverhalt, bei dem kein strafrechtlich relevantes Verhalten mitgeteilt wurde, wurde bei uns registriert. Der Anruferin wurde dabei mitgeteilt, dass man eine Streife vor Ort entsenden werde.
Gegen 20.20 Uhr meldete sich die Frau erneut bei der Einsatzleitstelle und beschwerte sich darüber, dass noch immer keine Streife vor Ort sei.Der Anruferin wurde mitgeteilt, dass ihr Anliegen nicht vergessen worden sei und dass umgehend die Polizei vor Ort kommt, sobald zwei anderweitige größere Einsatzlagen im Stadtgebiet abgearbeitet seien.
Gegen 20.37 Uhr wurde eine Funkstreifenbesatzung an den Platz der deutschen Einheit beordert, um sich des mitgeteilten Geschehens anzunehmen. Trotz intensiver Suche und Nachfrage zu dem telefonisch geschilderten Sachverhalt konnten die Beteiligten nicht mehr angetroffen werden.
Ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass den Beamten lediglich ein betrunkener Mann mitgeteilt wurde, der seine Kinder anschreien und sich nicht um sie kümmern würde. Zu keinem Zeitpunkt wurde ein strafrechtlich relevantes Verhalten mitgeteilt.
Und am Ende …?
Die vier Freundinnnen sind sehr enttäuscht vom Verhalten des Beamten, während des zweiten Anrufes. Alle sind froh, dass nichts Schlimmeres passierte. Kleinkinder ohne Aufsicht im Dunkeln auf dem Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen, ist eine unschöne Vorstellung.
Wir bedanken uns bei den vier jungen Frauen, dass sie uns ihre Geschichte erzählt haben und beim Polizeipräsidium Rheinpfalz für die Stellungnahme.