Ingelheim – Das Szenario verhieß nichts Gutes: Mitten in Ingelheim, zwischen dem Zubringer zur L 428 in Richtung Nieder-Olm und dem Bahnhof, verunglückte ein Güterzug mit 30 Kesselwagen im Gefolge. Fünf Wagen entgleisten, drei gerieten in Brand. Das Problem: In den Waggons waren gefährliche Stoffe untergebracht, zum Beispiel Methanol und Vynilchlorid. Vor allem zwei der verunglückten Waggons bereitete den Katastrophenschützern dabei große Sorge: Gefüllt mit Schwefelkohlenstoff und Schwefelsäure standen diese zwar nicht in Flammen, drohten aber zu explodieren. Trotz Kühlung durch die Feuerwehr erhitzten sie sich – langsam zwar, aber stetig. Die Gefahr dabei: „Wenn sie explodiert wären, wäre es zu großen Schäden in der Stadt gekommen“, sagte Einsatzleiter und Kreisfeuerwehrinspektor Rainer Jacobus. Menschenleben waren gefährdet. 20.000 Ingelheimerinnen und Ingelheimer mussten evakuiert, Schulen, Kitas und sonstige öffentlichen Orte geräumt werden.
Soweit die Annahme – glücklicherweise nur zur Übung. Das imaginäre Unglück wurde dabei nur virtuell abgebildet. In der Öffentlichkeit war davon nichts zu sehen – kein verunglückter Zug, kein Blaulicht, keine Retter. Mit „Albert 2018“, organisiert unter Federführung der Landesfeuerwehr- und Katastrophenschutzschule in Koblenz, sollte die Zusammenarbeit der Führungsstrukturen des Landkreises Mainz-Bingen, der Stadt Ingelheim sowie des Unternehmens Boehringer Ingelheim gemeinsam mit Polizei, Feuerwehren und Rettungskräften getestet werden: „Wir sind froh, dass wir bereits jetzt das Rüstzeug haben, um mit einer solchen Katastrophe umzugehen. Aufgrund der Übung können wir jetzt unsere Strukturen für den Ernstfall noch weiter optimieren“, sagte der Leitende staatliche Beamte Dr. Stefan Cludius, zu dessen Geschäftsbereich der Katastrophenschutz gehört. „Das war für uns die 1. Übung dieser Art überhaupt. Unser Dank geht an die Landesfeuerwehrschule für das realistische Szenario. Außerdem danken wir den vielen Mitwirkenden für Ihr Engagement.“ Der Mainz-Binger Krisenstab steht immer dann in der Verantwortung, wenn ein Unglück zur Katastrophe wird – im Fachjargon: wenn Alarmstufe 5 erreicht wird.
Beteiligt an der Übung waren neben dem Stab der Kreisverwaltung auch die Stäbe der Stadt Ingelheim und des Unternehmens Boehringer Ingelheim sowie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den beteiligten Häusern – insgesamt waren mehr als 140 Personen in das Geschehen involviert. Und zwar auf unterschiedlichste Art und Weise. In den Krisenstäben waren die Positionen mit den jeweils tatsächlich dafür zuständigen Personen besetzt, die zum Beispiel die Evakuierung planten, die Verkehrsströme lenkten, die Öffentlichkeit informierten. Dies alles in Zusammenarbeit mit der Technischen Einsatzleitung (TEL) unter Führung des stellvertretenden Kreisfeuerwehrinspekteurs Michael Braun. Hier wurde der Einsatz von Feuerwehren und den ebenfalls an der Übung beteiligten Rettungskräften rund um den Unglücksort gesteuert.
Auf der anderen Seite hatten sowohl die Landesfeuerwehrschule als auch Kreis und Stadt für genügend sogenannte Gegenspieler gesorgt, die per Telefon und Mail die Stäbe und die TEL auf Trab hielten und als Übungsleitung für die Entwicklung des Szenarios zuständig waren: Da riefen besorgten Eltern auf der Suche nach ihren Kindern an, engagierte Pressevertreter mit dem Wunsch nach Informationen oder Schulleiter, deren Räume als Sammelpunkt für die Evakuierung vorgesehen waren. Ebenfalls im Einsatz waren verschiedene Rettungsdienste, DLRG, zahlreiche ehrenamtliche Kräfte der Feuerwehren aus dem Landkreis und dem gesamten Land Rheinland-Pfalz, die Polizei sowie der Notfallmanager der Deutschen Bahn.
Nach vier Stunden war das Feuer gelöscht, der erhitzte Waggon gekühlt, die Übung beendet. „In Krisensituationen kommt es entscheidend darauf an, dass alle Beteiligten wissen, was sie an welcher Stelle zu tun haben. Das muss natürlich geübt werden“, sagte die Mainz-Binger Landrätin Dorothea Schäfer: „Insgesamt war die Übung gelungen. Mein Dank gilt allen Mitwirkenden, die mit hoher Einsatzbereitschaft und Ernsthaftigkeit, aber auch mit viel Freude am Werk waren.“