Kaiserslautern – Wie ist es um die notärztliche Versorgung auf dem Land bestellt? Stehen in Zukunft genügend Notärzte zur Verfügung? Wie wird eine ausreichende Versorgung, auch in entlegenen Orten, garantiert? Wo fehlen notärztliche Dienststellen? Mit diesen Fragen beschäftigen sich Mathematiker um Professor Dr. Sven O. Krumke von der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) und des Fraunhofer-Instituts für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM im Rahmen des Projektes „HealthFaCT“. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und zielt unter anderem darauf ab, die medizinische Versorgung auf dem Land zu sichern.
Für Rettungsdienste gibt es in jedem Bundesland gesetzliche Vorgaben, wie schnell sie an einem Einsatzort eintreffen müssen. In Rheinland-Pfalz sind dies für Rettungswagen zum Beispiel 15 Minuten. Aufgrund des demografischen Wandels und den damit verbundenen erhöhten Einsatzzahlen wird es im ländlichen Raum in Zukunft aber immer schwerer sein, eine solche Versorgung sicherzustellen.
Genau daran arbeiten Mathematiker der TUK. Sie entwickeln ein komplexes Rechenverfahren, um die Notarztversorgung im ländlichen Raum zu verbessern.
„Um eine optimale Notarzt-Versorgung zu gewährleisten, sind für unsere Berechnungen zwei Faktoren wichtig“,
sagt Professor Krumke von der Arbeitsgruppe Optimierung an der TUK.
„Zum einen eine schnelle Erreichbarkeit der Notfälle, zum anderen eine ausreichende Abdeckung aller Fälle durch die Notärzte.“
In ihr mathematisches Modell lassen die Kaiserslauterer Forscher viele Daten einfließen, die für die Versorgung von Notfällen relevant sind. Dazu zählen etwa die zunächst unbekannte Anzahl der eintretenden Notfälle, aber auch die Anfahrtszeiten zu den Notfällen und die räumliche Verteilung der Rettungswachen.
„Wir unterteilen hierbei ein betrachtetes Gebiet in mehrere Regionen und legen auf Basis historischer Daten für jede Region ein Minimum und ein Maximum an Notfällen fest“,
sagt Manuel Streicher, der im Rahmen seiner Doktorarbeit an dem Projekt forscht. Dabei kann in jeder einzelnen Region der schlimmste Fall eintreten, jedoch wird verhindert, dass dieser in allen Regionen gleichzeitig auftritt. In diesem Zusammenhang sprechen die Mathematiker auch von „robusten Modellen“, die ebenfalls Extremsituationen berücksichtigen, wie Krumke erläutert:
„Das Besondere an unserem Modell ist, dass die medizinische Versorgung auch für Szenarien sichergestellt ist, in denen in vielen Regionen das Maximum an Notfällen eintritt.“
Die Mathematiker der TUK arbeiten dabei eng mit Kollegen um Dr. Neele Leithäuser vom Fraunhofer ITWM zusammen, mit denen sie diese komplexen Prozesse in Computersimulationen durchspielen. Dabei testen sie unter anderem, wie sie Notärzte auf schwach besetzte Gebiete am besten umverteilen oder wie die Verteilung der Einsätze in der Zukunft aussehen könnte.
Neben Krumke und Streicher ist auch Eva Schmidt in der Arbeitsgruppe beteiligt. Die Doktorandin arbeitet daran, solche Einsätze systematischer zu planen und klarer zu strukturieren, welcher Arzt wann zu welchem Notfall fährt.
Das Projekt berücksichtigt auch den Ärztemangel in vielen Regionen, der sich in den nächsten Jahren nicht bessern dürfte: Sollten sich die Einsatzzahlen in den kommenden zehn Jahren verdoppeln, würde nicht die doppelte Anzahl an Medizinern gebraucht:
„Mit hilfe der mathematischen Verfahren und Simulation kann die Verteilung der Ärzte auf die Rettungswachen so optimiert werden, dass auch steigende Notfallaufkommen abgedeckt werden können“,
sagt Krumke.
Das Forschungsprojekt „HealthFaCT: „Optimierung der ambulanten medizinischen Versorgung im ländlichen Raum“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung bis Oktober 2019 mit 1,1, Millionen Euro gefördert. Neben der Notarztversorgung sind auch Apothekennotdienst und Krankentransporte Themen des Projekts. Zusätzlich zur TUK und dem Fraunhofer ITWM sind die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen beteiligt.