Darmstadt – „Der Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt ist sich der Bedeutung des Platanenhains stets bewusst – seiner Bedeutung für Stadtgeschichte und Stadtentwicklung, seiner Bedeutung als Juwel in der Stadtkrone Mathildenhöhe, und nicht zuletzt seiner Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger als Ort der Begegnung, der Erholung und des Feierns“, betont Oberbürgermeister Jochen Partsch. „Dieser dreifachen Bedeutung und dem damit verbundenen hohen Anspruch muss das städtische Handeln gerecht werden – jetzt und in Zukunft.“
OB Partsch gab am heutigen Dienstag – anlässlich des Einbaus von Pollern an den Eingängen des Hains – zusammen mit Vertretern des Grünflächenamts einen Einblick in die gegenwärtige Situation der denkmalgeschützten Parkanlage und einen Ausblick auf mögliche Maßnahmen zu ihrer Sanierung und ihrem dauerhaften Erhalt. Die Poller wurden vorsorglich eingesetzt, um ab sofort das unbefugte Befahren des Parks mit Kraftfahrzeugen zu verhindern. Spaziergängern und natürlich auch Boulespielern ist der Platanenhain weiterhin zugänglich; „er ist und bleibt ein Herzstück Darmstadts, und wir wollen, dass er rege genutzt wird – nur eben schonend“, betonte OB Partsch.
Der Platanenhain, angelegt um 1830, ist – neben einigen Mauerresten aus der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts – das älteste erhaltene bauliche Zeugnis auf der Mathildenhöhe. Seinen besonderen künstlerischen Wert erhielt er zwischen 1904 und 1914 durch Joseph Maria Olbrich und vor allem Bernhard Hoetger, der gärtnerische und bildhauerische Gestaltung zu einem Gesamtkunstwerk verschmolz.
Bis zum Zweiten Weltkrieg behielt der Garten ein geschlossenes Kronendach über homogenen Stämmen; 1944 erlitt auch der Hain Schäden. Nachpflanzungen ergaben seitdem ein eher uneinheitliches Bild; inzwischen ist vor allem der Kern der Anlage stark aufgelichtet. Nur rund dreißig Prozent der Bäume stammen noch aus der Jugendstilzeit, der Rest aus der Nachkriegszeit. Blickt man heute im Sommer vom Hochzeitsturm auf den Platanenhain, fällt auf, dass das Blätterdach im Zentrum nicht mehr geschlossen ist und der dürftige Blattaustrieb der inneren Bäume eine hellgrüne Blattfarbe aufweist. Im Gegensatz dazu bringen die Bäume an den Rändern noch dunkelgrüne Blätter und viel Blattmasse hervor.
Im Zuge der Welterbenominierung gab die Wissenschaftsstadt Darmstadt neben dem Masterplan zur städtebaulichen Entwicklung der Mathildenhöhe auch ein Parkpflegewerk für die Mathildenhöhe in Auftrag. Das damit betraute Büro Landschaftsarchitektur Ehrig & Partner aus Bielefeld erläuterte im März 2017 bei einer Bürgerinformationsveranstaltung Ergebnisse einer ersten Bodenuntersuchung. Es hatte festgestellt, dass der Untergrund hochgradig verdichtet und es den Bäumen nicht mehr möglich ist, sich Sauerstoff, Wasser und Nährstoffe im Boden zu erschließen. Der Platanenhain bilde gleichwohl noch immer eine wichtige „grüne Lunge“ in der Stadt. Zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Platanen wurde deshalb eine Verbesserung des Untergrundes empfohlen.
Diese Auffassung wird auch vom Grünflächenamt geteilt, das schon 2013 versuchte hatte, die Bodensituation im Platanenhain mit dem Terralift-Verfahren zu verbessern. Dabei handelt es sich um ein spezielles Druckluftverfahren, mit dem eine Hohllanze in den Boden gedrückt wird, um dort den Bereich der Wurzeln zu lockern und gezielt mit Sauerstoff und Langzeitdünger anzureichern. Dieses minimalinvasive Verfahren erwies sich hier angesichts der massiven Bodenverdichtung jedoch als nicht ausreichend. Die Bodenverdichtung wird nicht zuletzt auf die jahrzehntelange Befahrung auch durch Autos und Lastwagen zurückgeführt.
„Das Setzen der Poller heute ist daher lediglich eine Vorsorgemaßnahme“, erklärte Partsch. Sobald der Haushalt 2018 durch die Kommunalaufsicht freigegeben ist, werde ein artenschutzfachliches Gutachten in Auftrag gegeben. Der ökologische Aspekt sei jedoch nur ein Teil der Betrachtung. Beim Platanenhain auf der Mathildenhöhe gehe es auch um denkmalfachliche und baumfachliche Aspekte. Aus diesem Grund werde zudem ein Baum- und Bodengutachten eingeholt, das Aussagen zum CO2-Gehalt, der Sauerstoffversorgung des Bodens, sowie zur Nährstoff- und Wasserversorgung enthält. „Wir hoffen, dass diese Gutachten bis zum Herbst dieses Jahres vorliegen. Auf ihrer Grundlage können dann Entscheidungen zum Sanierungsziel und zur Sanierungsmethode getroffen werden. Darüber werden wir auf politischer und fachlicher Ebene, mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie mit dem Advisory Board, das uns bei der Welterbe-Bewerbung berät, diskutieren“, sagte OB Partsch.
Die Sanierungsmethode kann – je nach dem Ergebnis der Gutachten – auch die Fällung von Bäumen im Innern des Platanenhains erfordern; allerdings wird dies nicht vor dem Jahr 2020 geschehen. Auch für die Anzucht von Ersatzbäumen muss unter Umständen ein entsprechender Zeitraum einkalkuliert werden. „Wir wollen ein schonungsvolles Vorgehen auch bei der Sanierung des Platanenhains selbst“, versicherte Oberbürgermeister Jochen Partsch. „Dabei soll das vertraute Erscheinungsbild so weitgehend wie möglich gewahrt bleiben. Das Hauptziel aber lautet, diesen einmaligen Ort ökologisch, denkmalgerecht und zukunftssicher zu erhalten.“
Zur Geschichte
Noch Anfang des 19. Jahrhunderts war die damals namenlose Mathildenhöhe ein Areal von Obstgärten und Weinbergen. Dann ließ Prinz Christian von Hessen-Darmstadt an deren Stelle einen umfriedeten Landschaftspark anlegen, der von der Dieburger Straße im Norden bis zur Erbacher Straße im Süden reichte. Dieser Landschaftspark erfuhr um 1830 mit der Pflanzung des Platanenhains durch Ludwig III. von Hessen und bei Rhein und seine Gattin Mathilde erstmals eine wesentliche Veränderung. Ab 1860 wurde die Mathildenhöhe allmählich besiedelt, 1899 dann von Großherzog Ernst Ludwig zum Ort der neugegründeten Darmstädter Künstlerkolonie bestimmt, die in den Ausstellungen von 1901, 1904, 1908 und 1914 dem Hügel seine prägende bauliche und künstlerische Gestalt verlieh. In das Konzept wurde auch der Platanenhain einbezogen, 1904 durch Joseph Maria Olbrich, der die Ostwand mit der großen Brunnennische schuf, 1914 wesentlich durch Bernhard Hoetger, der für den Hain ein Skulpturen- und Bildprogramm entwarf, das dessen kontemplative Aura ins Weihevolle steigerte.