Frankfurt am Main – Binnen der vergangenen zehn Jahre ist Frankfurt um über 100.000 Einwohner gewachsen. Jährlich kommen bis zu 15.000 weitere Neu-Frankfurter hinzu. Die Folge: Wohnraum wird knapp und vielerorts immer teurer. Doch eine stetig wachsende Stadt wie Frankfurt kann ihren Bedarf nach neuem Wohnraum nicht allein durch Nachverdichtung und Modernisierung bestehender Stadtviertel stillen. Bis die Bagger in einem Neubaugebiet rollen, vergehen jedoch meist Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte.
Um neuen Wohnraum zu schaffen und bestehende Flächen zu verdichten, wird das Frankfurter Stadtgebiet seit Jahren von hoch aufragenden Baukränen durchzogen. Ob im Ostend, in Sachenhausen, im Europaviertel, dem Lyoner Quartier in der früheren Bürostadt oder direkt am Römer: Stadtweit entstehen neue Eigentums- oder Mietwohnungen, die den Zustrom an neuen Einwohnern auffangen sollen. Doch immer mehr Menschen ziehen nach Frankfurt und stellen nicht zuletzt die Stadtverwaltung vor die Herausforderung, die planerischen Voraussetzungen für einen finanzierbaren wie auch attraktiven Wohnraum zu schaffen. Den handelnden Akteuren ist daher bewusst: Allein mit Nachverdichtung ist es nicht getan. Ohne die Ausweisung weiterer Neubaugebiete wird die Stadt schon bald aus allen Nähten platzen. Und hier kommt Martin Hunscher, seit 2014 Leiter des Frankfurter Stadtplanungsamtes, ins Spiel.
Der Leitende Baudirektor arbeitet seit fast 30 Jahren als Stadtplaner und ist seit 1991 in Frankfurt tätig. Hunscher war maßgeblich an der Planung und Realisierung der Wohnquartiere im Europaviertel und am Riedberg beteiligt. Kaum einer weiß so genau wie er, was passieren muss, bis ein Neubaugebiet von der ersten Skizze am Reißbrett in die städtebauliche Wirklichkeit überführt wird. Zeitgemäße Stadtplanung sei ein facettenreiches und herausforderndes Geschäft, das auch in ökologischer und sozialer Hinsicht immer anspruchsvoller werde, befindet der Chef des Stadtplanungsamtes.
In sechs Schritten zur Baureife
Pauschal lasse sich nicht sagen, wie lange dieses bürokratische Vorspiel bei der Planung eines neuen Wohngebiets dauere. „Jedes Baugebiet ist anders gelagert“, sagt Martin Hunscher. Doch über den Daumen gepeilt sei mit zehn Jahren Vorbereitung und weiteren zehn Jahren Bauzeit zu rechnen. Beim Europaviertel und dem bereits zum Teil bebauten Henninger-Areal in Sachsenhausen sei es gelungen, die Planungen innerhalb von fünf Jahren abzuschließen, da hier keine Bodenordnung, also die Neuordnung der Grundstücke zu bebaubaren Parzellen, erforderlich war. Danach konnten bereits erste Bauarbeiten beginnen.
Auch Mark Gellert, Sprecher des Frankfurter Planungsdezernats, hat eine Reihe von größeren Bauvorhaben auf Frankfurter Gemarkung begleitet. „Zuerst erfolgt der Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan. Im Planungsausschuss wird darüber beraten. Es folgt der Stadtverordnetenbeschluss. Nach Bürgerbeteiligung, Offenlegung und Satzungsbeschluss können Baugenehmigungen erteilt werden. Und erst dann rollen die Bagger“, zählt Gellert die planerischen Hürden auf, die jedes neue Baugebiet zu nehmen hat. „Über den Bebauungsplan wird die kommunale Planungshoheit gewährleistet“, erklärt Gellert. So könne die Stadt – ganz gleich ob Industrie- oder Wohngebiet – von vornherein vorgeben, auf welche Art, und zu welchem Zweck in Frankfurt gebaut wird. Die Vorgaben reichen von der Art der Nutzung, der Höhe der Gebäude über die Ausnutzung der Grundfläche bis zur infrastrukturellen Erschließung eines Neubaugebiets.
Derzeit ist das geplante Neubaugebiet im Frankfurter Norden westlich von Praunheim und der Nordweststadt in aller Munde. Auf einem 550 Hektar großen Areal sollen hier zwischen 8.500 und 11.500 Wohnungen für bis zu 30.000 Menschen entstehen. „Am Ende fällt ein neuer Stadtteil nicht vom Himmel“, sagt Martin Hunscher. Er verweist auf das 2014 vom Magistrat in Auftrag gegebene und beinahe vollendete Integrierte Stadtentwicklungskonzept Frankfurt am Main 2030. In seinem Entwurf sind alle Wachstumspotenziale der Mainmetropole gebündelt. Das Konzept enthält sowohl gewerbliche Flächen als auch Wohnquartiere. Ferner werden die Anbindungen an das Verkehrsnetz, Umweltbelange und infrastrukturelle Voraussetzungen wie der Bedarf an Schulen oder Naherholungsflächen berücksichtigt.
Kompakt bauen und lange Wege vermeiden
„Wir haben das gesamte Stadtgebiet analysiert und im Schwerpunkt die ökologische, verkehrliche und siedlungsstrukturelle Verträglichkeit geprüft“, erläutert Hunscher. Ein solch umfassender Planungsansatz, der explizit frühzeitig auch Umweltaspekte berücksichtigt, sei vor einigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen. „Unser Geschäft ist wesentlich anspruchsvoller und komplexer geworden. Die Ansprüche sind gestiegen und die Themen Klima, Umweltschutz und Gebäudetechnik sind in den letzten Jahren viel stärker in den Fokus gerückt.“ So kämen jedes Jahr neue Immissions-Schutz-Verordnungen hinzu, was dazu führe, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Begründungen zu den Bebauungsplänen längst nicht mehr aus wenigen Seiten bestünden, sondern so dick wie Telefonbücher seien. Doch die Mühe zahle sich aus: Lebensqualität, Verkehrsanbindung und ökologische Aspekte seien viel besser miteinander verzahnt als bei manch älteren städtebaulichen Großprojekt. Als negatives Gegenbeispiel führt der Leitende Baudirektor Neubauten an, die während der 80er-Jahre komplett ohne soziale Infrastruktur wie Kindergärten oder Schulen entstanden.