Mannheim – Ein Forscherteam der Universität Mannheim erstellt mathematische Prognosemodelle, wie sich der Bedarf an Strom im Jahresverlauf entwickelt, um das Stromnetz der Zukunft optimal zu gestalten. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung für drei Jahre gefördert.
Erneuerbare Energien decken inzwischen 36 Prozent der Stromversorgung ab (Stand Dezember 2017). Die schrittweise Umstellung von Kohle und Kernkraft auf Sonne, Wind und Biomasse bringt Veränderungen für Wirtschaft und Verbraucher mit sich. Ein Beispiel: Erneuerbare Energien sind volatil und die Versorgung schwankt je nach Wind- und Sonnenstärke. Um an Spitzentagen teure Zukäufe aus dem Ausland zu vermeiden, können Prognosemodelle helfen, die ermitteln, wie sich der Bedarf im Laufe des Jahres staffelt. Ein solches Prognosemodell für das Stromnetz zu erstellen ist ein neues Forschungsvorhaben der Mannheimer Mathematikerin Professor Simone Göttlich. Sie ist Sprecherin eines Konsortiums, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Programms „Mathematik für Innovationen“ mit einer Million Euro gefördert wird. Dem Konsortium gehören neben der Universität Mannheim drei weitere Forschungseinrichtungen sowie vier Wirtschaftsunternehmen an.
„Das jetzige Stromnetz ist gnadenlos überlastet“, erklärt Göttlich. „Es treten bis zu hundert Störfälle am Tag auf und es ist nur eine Frage der Zeit bis das gesamte Stromnetz kollabiert.“ Entscheidend ist daher, schon im Vorfeld zu wissen, an welchen Tagen das Stromnetz maximal ausgelastet und an welchen die Nachfrage besonders niedrig sein wird. Wieviel gibt das Netz her und wo liegen die Grenzen? Um eine balancierte Versorgung zu gewährleisten, ist es notwendig, Strom zwischenzuspeichern. Bislang hat sich aber keine Technologie dafür durchgesetzt. „Wir haben den Energieausstieg besiegelt und müssen jetzt zusehen, wie wir in den nächsten Jahren diese Wende optimal gestalten“, konstatiert die Mannheimer Mathematikerin.
Eine neue Idee ist es, Strom in Gas umzuwandeln, um das gut ausgebaute Gasnetz in Deutschland zu nutzen. Die so genannten „power to gas“ Anlagen seien aber noch viel zu teuer – daran tüfteln zurzeit die beteiligten Wirtschaftsunternehmen. Wie viele solcher Anlagen theoretisch benötigt würden, errechnen die Mathematiker der RWTH Aachen und Universität Mannheim mit Hilfe von komplexen Modellen und Simulationsmethoden. „Es ist ein neues Forschungsfeld, das erst im Zuge der Energiewende entstanden ist“, so Göttlich.
Das gesamte vom BMBF geförderte Projekt besteht aus vier Teilprojekten. Das Kernelement des Vorhabens ist die Kopplung von Netz und Markt – also von zwei Ebenen, die bislang separat analysiert wurden. Zwei weitere Teilprojekte an der Technischen Universität Kaiserslautern und am Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik beschäftigen sich mit der Entwicklung der Strompreise an der Börse. Dass Ökonomen, Mathematiker und Techniker so eng kooperieren, ist neu. Bislang haben sich Experten entweder nur um den Handel am Strommarkt gekümmert – oder um die technischen Aspekte des Netzes.