Darmstadt – „Leistungsfähige Kommunen, Fachkräftegewinnung, Flächenentwicklung sowie Mobilität und Infrastruktur – das sind aus Sicht der regionalen Wirtschaft die drängendsten Themen für die künftige Landesregierung“, sagte Prof. Dr. Kristina Sinemus, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt Rhein Main Neckar bei der gestrigen IHK-Vollversammlung.
In der Sitzung diskutierten die Unternehmerinnen und Unternehmer über die wichtigsten Zukunftsthemen, die in einem Positionspapier zur Landtagswahl im Oktober 2018, den sogenannten Wahlprüfsteinen, zusammengefasst sind. Das Papier wurde vom Hessischen Industrie- und Handelskammertag (HIHK) vorbereitet und wird Anfang Juli veröffentlicht. „Landtagswahlen sind wichtige Weichenstellungen. Sie bieten für die regionale Wirtschaft die Chance, drängende Themen auf die Tagesordnung zu heben“, betonte Sinemus und kündigte an: „Die Wahlprüfsteine werden wir nutzen, um uns an der wirtschaftspolitischen Diskussion im Landtagswahlkampf intensiv zu beteiligen und die anschließende Regierungsbildung konstruktiv zu begleiten. Dazu gehört es auch, dass wir uns mit konkreten Vorschlägen einbringen und nicht nur Forderungen stellen.“
Ein zentrales Zukunftsthema stellt für die IHK Darmstadt die Stärkung der Kommunen dar. „Auch wenn unsere Unternehmen hochgradig vernetzt sind und immer digitaler werden, sie haben einen Unternehmenssitz vor Ort in unseren Städten und Gemeinden. Wir müssen die Kommunen unseres Landes deswegen wieder mehr in die Lage versetzen, sich als Wirtschaftsstandorte zu positionieren und strategisch zu entwickeln“, fasste die IHK-Präsidentin zusammen. Dazu zählen drei wesentliche Punkte:
1. Leistungsfähige Kommunen
Der faktische Zwang zur Anhebung der Realsteuerhebesätze durch den sogenannten Herbsterlass von 2014 muss zurückgenommen werden. Damit kann die Hebesatzspirale nach oben durchbrochen werden. So stieg von 2012 bis zum dritten Quartal 2017 beispielsweise der durchschnittliche Gewerbesteuerhebesatz in Kommunen mit bis zu 20.000 Einwohnern um bis zu 15,5 Prozent.
2. Flächenentwicklung als strategische Komponente
Eine Großstadt mehr in FrankfurtRheinMain bis 2030 – das sagen die aktuellen Prognosezahlen für den Wohnraumbedarf. Um nicht immer mehr Fläche zu verbrauchen, setzen immer mehr Kommunen auf Wohnen in Gewerbegebieten. Das geht doppelt zu Lasten der Wirtschaft. Einerseits fallen bestehende Gewerbeflächen weg, da neue Wohnungen in oder direkt neben etablierten Gewerbegebieten entstehen. Andererseits soll immer weniger Fläche an den Stadträndern ausgewiesen werden. „Die Diskussion wird auf Landesebene aktuell noch zu wenig unter strategischen Gesichtspunkten geführt. Dazu gehört auch die Frage, welche Rolle ländlicher geprägte Regionen wie der Odenwald spielen sollen“, so die IHK-Präsidentin.
3. Mobilität stärken und Infrastruktur ausbauen
Egal ob Schiene oder Straße, die Verkehrsnetze sind überlastet. Das beschränkt sich lange nicht mehr auf Großstädte mit hohem Pendleranteil oder große Autobahn- oder Schienenknoten. Die Überlastungseffekte betreffen das ganze Netz. Obwohl es mit dem Bundesverkehrswegeplan grünes Licht für viele wichtige Projekte gibt und vielerorts Geld da wäre, wird nicht gebaut. „Hier muss das Land endlich aktiv werden“, fordert die IHK-Vollversammlung und liefert im Papier auch konstruktive Vorschläge, um die Situation zu verbessern.
Standortfaktor Fachkräfte
Ein weiterer, entscheidender Standortfaktor für Unternehmen sind Fachkräfte. Die neue Landesregierung sollte die duale Ausbildung stärken, unter anderem durch mehr und bessere Berufs- und Studienorientierung an Gymnasien und eine bessere Ausstattung der Berufsschulen.
„IHK fragt nach“: Online-Tool zum Vergleich der wirtschaftspolitischen Positionen
Die IHK Darmstadt wird unter dem Motto „IHK fragt nach“ alle Landtagskandidaten einladen, schriftlich ihre Vorschläge zu den jeweiligen Themenkomplexen darzulegen und diese nach den Sommerferien gesammelt auf der IHK-Webseite veröffentlichen. Interessenten haben dann die Gelegenheit, die Antworten der Politiker gesammelt zu betrachten und gegeneinander abzuwägen. Eine solche Sammlung der wirtschaftspolitischen Positionen der Kandidaten hatte die IHK Darmstadt bereits zur Bundestagswahl 2017 erfolgreich durchgeführt.